Dieser Tage durfte ich unter anderem wieder kurz in Basel residieren; genauer gesagt, in Weil am Rhein. Auf die Gefahr hinaus, mich trotz meiner selten konfliktorientierten Ader bei einem Teil des p. t. Publikums unbeliebt zu machen; und unter dem Risiko, einen Rüffel seitens des Moderatorenteams abzubekommen, kann ich die Bilderserie von dort nicht ohne einen glühenden Appell beginnen.
Meine Kindheit, noch mehr meine Jugend war von geschlossenen Grenzen gebrandmarkt. Häufig in Europa unterwegs habe ich nie verstanden, was Nachbarn dazu führt, sich vom Menschen 50m durch Zäune und Schlagbäume undurchlässig abzuschotten. Der negative Höhepunkt war dann die französische Visumspflicht der 1980er-Jahre für alle Staatsbürger aus Ländern, die weder der EU angehörten, noch Nachbarstaaten waren. Als ich Ende der 1980er-Jahre das erste Mal die Triregio besuchen durfte, den Landstrich von Basel nordwärts, sah ich ein junges Pflänzchen eines Synergieeffektes aus drei Ländern, die sich daselbst bewusst annäherten, und das Grenzüberschreitende in diesem so lebenswerten Landstrich unterstrichen, anstatt das Separierende zu betonen. Ein Gänsehauterlebnis. 1989? Es beginnt zusammenzuwachsen, was zusammen gehört. Und als die Schengen-Regelungen eingeführt werden, die für mich die Materialisierung der Kernwerte der Freizügigkeiten der EU (und mit Liechtenstein und der Schweiz darüber hinaus), deren eigentlicher Segen, darstellen: Da beginne ich an ein Europa zu glauben, wo meine Kinder die dunkle Zeit innereuropäischer Grenzzäune und einen Generalverdacht suggerierenden herabwürdiger Pauschalgrenzkontrollen nur mehr aus Geschichten und alten Fotos kennen.
Fassungslos, ja aus Mangel an dafür passenden Worten völlig fassungslos stehe ich nun vor den Trümmern dieser Kernvision eines gemeinsamen Europas, wenn ich sehe, wie politisches Kleingeld aus kurzsichtigster Polemik gewinnende Populisten am Rande eines zeitgemäß-zivilisierten Wertespektrums diese erst zart aufblühenden Pflänzchen einer echten Zusammengehörigkeit hämisch grinsend mutwillig und nicht so schnell reparierbar zertreten. In Basel, der Stadt, wo ich zum ersten Mal diese Zusammengehörigkeit erlebte, kamen mir nahezu die Tränen, und, um es auf den Punkt zu bringen: Ich konnte gar nicht so viel essen, wie ich kotzen wollte.
Auf der Aufnahme finden wir uns jedenfalls am Donnerstag, 14. April 2006, morgens in Weil am Rhein (Deutschland) nächst der Haltestelle Dreiländerbrücke wieder und sehen den neuen Wagen 5012 auf der ebenso neuen Strecke zum Bahnhof Weil am Rhein. Die Brücke hinten ist eine Radfahrer- und Fußgängerbrücke nach Huningue (Frankreich); und wenn man die Distanz zwischen Tram und Autos im Hintergrund nach links abbiegend weitergeht, ist man in der Schweiz. Unterschiedliche Sprachen gewiss – und doch dasselbe Herz, das in den Menschen schlägt, die hier tagtäglich zusammenleben.