Alstom gibt in der Schweiz die Produktion von Rollmaterial auf und strafft auch in Deutschland die KapazitätenDer französische Bahnausrüster Alstom plant in der Schweiz und in Deutschland den Abbau von bis zu 1450 Stellen. Betroffen sind die Werke in Villeneuve, Bautzen, Görlitz und Hennigsdorf bei Berlin.
Der Schienenfahrzeughersteller Alstom sieht sich zu einem weiteren grossen Stellenabbau in seinem Montagewerk im waadtländischen Villeneuve gezwungen. Geplant ist, den Personalbestand von zurzeit noch 418 Mitarbeitern um weitere bis zu 150 Beschäftigte zu reduzieren. In Deutschland sollen 900 bis 1300 Stellen wegfallen.
Keine neuen Grossaufträge in SichtDas französische Unternehmen begründet die Restrukturierung in Villeneuve mit einer Unterauslastung, die sich ab kommendem April abzeichne. Die Mitarbeiter in der Fabrik sind zurzeit noch damit beschäftigt, die letzten der insgesamt 68 neuen Doppelstockzüge vom Typ FV-Dosto an die Schweizerischen Bundesbahnen (SBB) auszuliefern. Neue Grossaufträge sind nicht in Sicht.
Ein harter Schlag für Alstom war der Entscheid der SBB vom vergangenen Oktober, den bis anhin grössten Auftrag in der Schweizer Bahngeschichte an den Konkurrenten Stadler Rail zu vergeben. Die Bestellung, an der auch die beiden Bahnbetreiber Thurbo und Region Alps beteiligt sind, umfasst zunächst 286 einstöckige Triebzüge für den Regionalverkehr mit einem Gesamtwert von 2 Mrd. Fr.
Künftig nur noch ServicearbeitenAlstom hat zwar gegen die Auftragsvergabe an Stadler Rekurs eingelegt, erwartet offenbar aber nicht, doch noch berücksichtigt zu werden. Villeneuve soll künftig als Standort für Servicearbeiten dienen. Das traditionsreiche Werk war 1948 durch die Firma Vevey Technologies für die Fertigung von Güterwagen gegründet worden und gelangte 1998 in den Besitz des kanadischen Industriekonzerns Bombardier.
Die Nachfrage nach solchen Service-Tätigkeiten dürfte sich indes in Grenzen halten, da die Alstom-Gruppe, die Ende Januar 2021 das Eisenbahngeschäft von Bombardier erwarb, im Werk wohl hauptsächlich Züge der eigenen Marke und nur solche aus der Schweiz warten dürfte. Mit Rollmaterial anderer Hersteller sowie Aufträgen aus dem Ausland sei realistischerweise nicht zu rechnen, sagte ein Unternehmenssprecher auf Anfrage.
Das Werk in Villeneuve zählte in den Spitzenzeiten vor fünf Jahren rund 800 Mitarbeiter. Damals hatten die Beschäftigten bei der Auftragsabwicklung für den FV-Dosto alle Hände voll zu tun, auch weil Verspätungen bei den Auslieferungen aufgeholt werden mussten. Wegen der Verzögerungen sorgte der FV-Dosto in den vergangenen Jahren immer wieder für Kritik.
Verzicht auf WerkschliessungenInnerhalb des Produktionsnetzes von Alstom müssen auch die deutschen Standorte Hennigsdorf bei Berlin sowie Bautzen und Görlitz in Sachsen bluten. Die Fabriken sind laut Alstom von einer «strukturellen Unterauslastung» betroffen. Zugleich seien keine Werkschliessungen geplant, man wolle vielmehr in die Modernisierung der Werke investieren.
In Braunschweig, Mannheim und Berlin will Alstom insgesamt 600 bis 700 neue Stellen schaffen, allerdings nicht für Produktionsarbeiter, sondern primär für Softwarespezialisten. Die Digitalisierung ist auch im deutschen Bahnverkehr noch vergleichsweise wenig fortgeschritten. Sie soll in den kommenden Jahren aber vorab im Zusammenhang mit dem nationalen Grossprojekt «Digitale Schiene Deutschland» vorangetrieben werden.
Dominik Feldges
10.12.2021, 17.48 Uhr
Quelle:
https://www.nzz.ch/wirtschaft/alstom-großer-stellenabbau-in-der-schweiz-und-in-deutschland-ld.1659680