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Straßenbahn Wien => Allgemeines => Thema gestartet von: E2 am 27. Mai 2013, 08:54:31

Titel: Bei Grün von Bim erfasst - 2:1 Verschuldensteilung
Beitrag von: E2 am 27. Mai 2013, 08:54:31
Bei Grün von Bim erfasst: Selbst schuld

26.05.2013 | 18:19 |  BENEDIKT KOMMENDA (Die Presse)

Gefährliche Kreuzung. Straßenbahn gegen Fußgängerin am Ring: Die eine hatte beim Losfahren noch, die andere beim Losgehen schon Grün. OGH teilt Schaden 2:1 zulasten der Frau.

Wien. Wenigstens „bimmeln“ hätte die Straßenbahn der Linie 2 können, als sie an einem Novembertag 2008 in der Früh vom Schubertring kommend über die Schwarzenbergstraße Richtung Oper fuhr. Genau genommen hätte die Fahrerin sogar bimmeln sollen, ja müssen. Wahrscheinlich hätte sie damit einen Unfall verhindert, der einer Fußgängerin schmerzhafte Verletzungen und Juristen Kopfzerbrechen bereitete. Das bittere Ende vorweg: Obwohl die Passantin bei Grün losgegangen war, bevor sie von der querenden Straßenbahn niedergestoßen wurde, ist sie überwiegend an der Kollision schuld.

Die Kreuzung am Wiener Schwarzenbergplatz ist schon wegen ihrer Größe gefährlich: Autos auf Haupt- und Nebenfahrbahnen, Straßenbahnen aus drei Richtungen, Radfahrer und eben Fußgänger kommen hier mehr oder weniger schmerzhaft zusammen. Der Fußgängerübergang vor dem Café Schwarzenberg stadtauswärts über den Ring ist berüchtigt wegen seiner kurzen Grünphase.

Genau dort ereignete sich der Zusammenstoß. Die Frau war gerade erst aus der Straßenbahn ausgestiegen, hatte die Schwarzenbergstraße überquert und wollte nun über den Ring gehen. Kaum zeigte die Ampel Grün, ging sie los. In dem Moment wurde sie vom Bug jener Garnitur erfasst, mit der sie gekommen war: Mit einer Rissquetschwunde am Kopf, Serienrippenbrüchen, einer Nackenzerrung und Hautabschürfungen landete sie im Fangkorbbereich.

Aber wieso war sie schuld und nicht die Straßenbahnfahrerin? Nicht nur ein Strafverfahren, das mit einem Freispruch endete, sondern auch der Zivilprozess über Schmerzengeld und Verdienstentgang der Verletzten exkulpierten die Fahrerin. Sie war nämlich losgefahren, als ihre Ampel „frei“ gezeigt hatte, und nur wegen der großen Distanz zwischen Haltestelle und Schutzweg – Fahrzeit circa 14 Sekunden – hatten die Fußgänger bereits Grün, als die Bim noch anrollte. Die Fahrerin konnte trotz sofortiger Vollbremsung nicht mehr rechtzeitig stehen bleiben.


Drei divergierende Urteile

Die drei Instanzen, die der Streit mit den Wiener Linien durchlief, kamen zu drei verschiedenen Ergebnissen: Das Landesgericht für Zivilrechtssachen sah bei der Fahrerin ein schwereres Fehlverhalten als bei der Fußgängerin, das Oberlandesgericht fand den Fehler allein bei dieser. Der Oberste Gerichtshof (OGH) schließlich machte der Passantin zwar den größeren Vorwurf, ließ aber auch die Wiener Linien nicht ungeschoren. Der Fehler der Frau: Sie hätte sich, wie ein Autofahrer, vor dem Start vergewissern müssen, dass nach dem Phasenwechsel nicht noch Querverkehr auf der Kreuzung war. Ein paar andere Fußgänger, die links neben ihr gewartet hatten, machten gerade noch rechtzeitig kehrt.

Und der Fehler der Fahrerin? Ein echtes Verschulden verneinte angesichts der sofortigen Bremsung schon das Erstgericht, und in der zweiten Instanz war davon gar nicht mehr die Rede. Aber: Es gibt eine Haftung nach dem Eisenbahn- und Kraftfahrzeughaftpflichtgesetz, die schon dann einsetzt, wenn der Fahrer nicht die „äußerste Sorgfalt“ aufbringt. Und dazu hätte gehört, die Fußgänger zu warnen: Die Fahrerin hätte „bei äußerster Sorgfalt ,bimmeln‘ können und müssen“, so der OGH (2 Ob 68/13h), und zwar „nicht erst bei Ansicht der losgehenden Klägerin, sondern in Annäherung an den Schutzweg früh genug, um die dort stehenden Fußgänger rechtzeitig zu warnen“. Das Verschulden der Fußgängerin und die Vernachlässigung der nötigen Sorgfalt der Fahrerin ergaben eine Schadensteilung von 2:1 zulasten der Passantin. Sie erhält 1900 Euro und muss den Wiener Linien 500 Euro an Schaden ersetzen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.05.2013)

Quelle: Presse (http://diepresse.com/home/recht/rechtallgemein/1411069/Bei-Gruen-von-Bim-erfasst_Selbst-schuld?_vl_backlink=/home/index.do)

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Hm.
14 Sekunden Fahrt bei Grün, und dann hat der Fußgänger auch schon grün.

Da haperts ja schon mal an der Schaltung (Räumzeit) würd ich meinen.
Titel: Re: Bei Grün von Bim erfasst - 2:1 Verschuldensteilung
Beitrag von: hema am 27. Mai 2013, 09:09:33

Da haperts ja schon mal an der Schaltung (Räumzeit) würd ich meinen.
Wieso? Von 'grad noch frei' für die Fahrzeuge bis 'schon frei' für die querenden Fußgänger dauert doch nur ein paar Sekunden (abhängig von der zurückzulegenden Strecke)!
Titel: Re: Bei Grün von Bim erfasst - 2:1 Verschuldensteilung
Beitrag von: E2 am 27. Mai 2013, 09:11:09
Eben. Das mein ich ja. Da wird überall so lang gedreht bis es passt, aber hier passts eben nicht. Dabei ist die Geschwindigkeit der Bim definiert (15 km/h), also sollt sich das schon machen lassen.
Titel: Re: Bei Grün von Bim erfasst - 2:1 Verschuldensteilung
Beitrag von: hema am 27. Mai 2013, 09:13:50
Die Bim wird vermutlich durch ein abbiegendes Auto an der zügigen Querung der Kreuzung gehindert worden sein. Sonst bräuchte sie keine 14 Sekunden für die höchstens 15 Meter Fahrt.
Titel: Re: Bei Grün von Bim erfasst - 2:1 Verschuldensteilung
Beitrag von: E2 am 27. Mai 2013, 09:20:09
Ich bin von den genannten 14 Sekunden im Bericht ausgegangen - das klingt nach Sachverständigen, und von einer Behinderung durch einen Abbieger ist nirgends die Rede, bzw. von einer Verlängerung der Fahrtdauer dadurch.

Edit: und wenns so war, was hat sie dann auf der Kreuzung verloren?

Ergo: Dauergebimmel und am besten auf die Darec. Dann passts auch wieder *sfg*
Titel: Re: Bei Grün von Bim erfasst - 2:1 Verschuldensteilung
Beitrag von: hema am 27. Mai 2013, 09:52:51
Wieso sollte die Bim dann 14 Sekunden vom Anfahren bis zum Zebrastreifen brauchen? Das wäre weniger als Schrittgeschwindigkeit!
Titel: Re: Bei Grün von Bim erfasst - 2:1 Verschuldensteilung
Beitrag von: haidi am 27. Mai 2013, 09:54:59
Ich bin von den genannten 14 Sekunden im Bericht ausgegangen - das klingt nach Sachverständigen, und von einer Behinderung durch einen Abbieger ist nirgends die Rede, bzw. von einer Verlängerung der Fahrtdauer dadurch.

Die 14 Sekunden wird die Zeit von Halt für die Straßenbahn bis Frei für Fußgänger sein.

Der Krampf an dieser und vielen anderen Kreuzungen ist, dass die Fußgänger den Autofahrern untergeordnet werden und die Übergangszeiten selten und kurz sind. Natürlich versuchen dann die Fußgänger einen Schnellstart, damit sie noch bei Grün drüben ankommen, wenn es unterwegs rot wird, sind viele verunsichert bzw. haben ein mulmiges Gefühl. Eigentlich hätten die Verantwortlichen für diese Schaltung ebenfalls vor Gericht gehört.

Hannes
Titel: Re: Bei Grün von Bim erfasst - 2:1 Verschuldensteilung
Beitrag von: skytree am 27. Mai 2013, 09:58:14
Zitat
Der Fehler der Frau: Sie hätte sich, wie ein Autofahrer, vor dem Start vergewissern müssen, dass nach dem Phasenwechsel nicht noch Querverkehr auf der Kreuzung war.
Muss ein Autofahrer nicht dafür sorgen, dass der Kreuzungsbereich verlassen wird, bevor der Phasenwechsel erfolgt? Warum muss sich ein Fußgänger "wie ein Autofahrer" verhalten?
Das müsste sich auch eigentlich ausgehen, außer es wird bei Tieforange gefahren, was verboten ist.

Natürlich schaut man sicherheitshalber auch bei Grün. Aber da sollte eigentlich kein Querverkehr, sei es Auto, Straßenbahn oder Fahrrad, mehr kommen.
Titel: Re: Bei Grün von Bim erfasst - 2:1 Verschuldensteilung
Beitrag von: E2 am 27. Mai 2013, 09:58:45
Wieso sollte die Bim dann 14 Sekunden vom Anfahren bis zum Zebrastreifen brauchen? Das wäre weniger als Schrittgeschwindigkeit!


Drum:

...und wenns so war, was hat sie dann auf der Kreuzung verloren?

18/3 StVO lässt grüßen.

Muss ein Autofahrer nicht dafür sorgen, dass der Kreuzungsbereich verlassen wird, bevor der Phasenwechsel erfolgt?

Straßenbahn aber auch  :lamp:

Titel: Re: Bei Grün von Bim erfasst - 2:1 Verschuldensteilung
Beitrag von: hema am 27. Mai 2013, 10:15:11

18/3 StVO lässt grüßen.

Hä?  ???


Zitat
(3) Müssen die Lenker hintereinanderfahrender Fahrzeuge anhalten und reicht die Reihe der
anhaltenden Fahrzeuge auf dem betreffenden Fahrstreifen bis zu einer Querstraße, einem Schutzweg,
einer Radfahrerüberfahrt oder einer die Fahrbahn querenden Gleisanlage zurück, so haben die Lenker
weiterer auf demselben Fahrstreifen herannahender Fahrzeuge so anzuhalten, daß der Verkehr auf der
Querstraße, dem Schutzweg, der Radfahrerüberfahrt oder Gleisanlage nicht behindert wird.




Warum muss sich ein Fußgänger "wie ein Autofahrer" verhalten?

Weil auch er schauen muss und nicht wie das sprichwörtliche blinde Hendl durch die Gegend rennen darf/soll!
Titel: Re: Bei Grün von Bim erfasst - 2:1 Verschuldensteilung
Beitrag von: Linie 41 am 27. Mai 2013, 10:16:32
Wenn der Schaden zu Lasten der Passantin 2:1 geteilt wird, warum bekommt sie dann 1900 und muß 500 hergeben? Da steigt sie ja mit Gewinn aus?!
Titel: Re: Bei Grün von Bim erfasst - 2:1 Verschuldensteilung
Beitrag von: hema am 27. Mai 2013, 10:20:03
Wenn der Schaden zu Lasten der Passantin 2:1 geteilt wird, warum bekommt sie dann 1900 und muß 500 hergeben? Da steigt sie ja mit Gewinn aus?!
Sie bekommt ein Drittel ihrer vom Gericht anerkannten Forderungen, die WiLi zwei Drittel.
Titel: Re: Bei Grün von Bim erfasst - 2:1 Verschuldensteilung
Beitrag von: coolharry am 27. Mai 2013, 10:20:57
Wenn der Schaden zu Lasten der Passantin 2:1 geteilt wird, warum bekommt sie dann 1900 und muß 500 hergeben? Da steigt sie ja mit Gewinn aus?!

Mehr Schaden. Sprich Krankheits und Kurkosten, die WL haben dahingegen "nur" Phsychologenkosten. Schaden an der Tramway wird die Frau ja keinen verursacht haben.
Titel: Re: Bei Grün von Bim erfasst - 2:1 Verschuldensteilung
Beitrag von: Linie 41 am 27. Mai 2013, 10:48:32
Sie bekommt ein Drittel ihrer vom Gericht anerkannten Forderungen, die WiLi zwei Drittel.
Und Juristen nennen das dann den Schaden 2:1 zu teilen? Bei Juristen scheint zwischen Mathematik und Deutsch eine nicht unwesentliche Diskrepanz zu bestehen.
Titel: Re: Bei Grün von Bim erfasst - 2:1 Verschuldensteilung
Beitrag von: 95B am 27. Mai 2013, 10:53:13
Und Juristen nennen das dann den Schaden 2:1 zu teilen? Bei Juristen scheint zwischen Mathematik und Deutsch eine nicht unwesentliche Diskrepanz zu bestehen.
Wahrscheinlich wirkt sich dieser Schlüssel im Endeffekt juristenfreundlich auf die Berechnung des Honorars aus. ;) Hättest du das bei den Suppen auch so gemacht, wärst du jetzt reich. :P
Titel: Re: Bei Grün von Bim erfasst - 2:1 Verschuldensteilung
Beitrag von: 13er am 27. Mai 2013, 11:03:42
Bei Juristen scheint zwischen Mathematik und Deutsch eine nicht unwesentliche Diskrepanz zu bestehen.
Wie hieß es schon im alten Rom: Iudex non calculat :)
Titel: Re: Bei Grün von Bim erfasst - 2:1 Verschuldensteilung
Beitrag von: hema am 27. Mai 2013, 11:19:26

Und Juristen nennen das dann den Schaden 2:1 zu teilen? Bei Juristen scheint zwischen Mathematik und Deutsch eine nicht unwesentliche Diskrepanz zu bestehen.
Die Forderungen sind ja unterschiedlich hoch.


Die Verfahrenskosten selber werden sicher 2:1 geteilt worden sein, also zwei Drittel zahlt die Frau bzw. ihre Rechtsschutzversicherung. Die Kosten des Verfahrens waren sicher um etliches höher als die Beträge um die gestritten wurde.




P.S.: Für alle, die es noch nicht gecheckt haben, hier ging es um Forderungen in einem Zivilprozess. Im Strafverfahren nach dem Unfall wurde die Straßenbahnfahrerin freigesprochen.
Titel: Re: Bei Grün von Bim erfasst - 2:1 Verschuldensteilung
Beitrag von: haidi am 27. Mai 2013, 12:26:52
Warum muss sich ein Fußgänger "wie ein Autofahrer" verhalten?

Ich denke, da wurde der § 38 (4) subsidiär herangezogen, weil es für Fußgänger keinen entsprechende Vorschrift gibt:
Zitat
(4) Grünes Licht gilt als Zeichen für “Freie Fahrt”. Bei diesem Zeichen haben die Lenker von Fahrzeugen, wenn es die Verkehrslage zuläßt, weiterzufahren oder einzubiegen.
Sie bekommt ein Drittel ihrer vom Gericht anerkannten Forderungen, die WiLi zwei Drittel.
Und Juristen nennen das dann den Schaden 2:1 zu teilen? Bei Juristen scheint zwischen Mathematik und Deutsch eine nicht unwesentliche Diskrepanz zu bestehen.

Ich weiß ja nicht, wie es im Urteil ausschaut, ich denke, das wird so drinnen stehen, dass die richtige Interpretation lautet "Die jeweiligen Schäden werden 2:1 zu Gunsten von ... geteilt", aber das ist so wie "mit der Schneiderin verschwunden".

Hannes
Titel: Re: Bei Grün von Bim erfasst - 2:1 Verschuldensteilung
Beitrag von: ThomasS am 30. Mai 2013, 17:47:23
Wenn der Schaden zu Lasten der Passantin 2:1 geteilt wird, warum bekommt sie dann 1900 und muß 500 hergeben? Da steigt sie ja mit Gewinn aus?!

 Schaden an der Tramway wird die Frau ja keinen verursacht haben.

Wenns ein Ulf war ?  8) Locker