Autor Thema: [MA 18] Kleinräumige Analyse der KFZ-Statistik  (Gelesen 3718 mal)

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moszkva tér

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[MA 18] Kleinräumige Analyse der KFZ-Statistik
« am: 10. August 2011, 09:07:26 »
Passt es in dieses Unterforum? Wenn nein, bitte verschieben.
Die MA 18 hat ihren Newsletter Nr. 28 über die Kleinräumige Analyse der KFZ-Statistik veröffentlicht. Da das auch etwas mit dem ÖV in Wien zu tun hat, und in der Auswertung auch darauf Bezug genommen wird, stelle ich ihn einmal hier hinein:
Gesamter Bericht befindet sich hier: http://www.wien.gv.at/stadtentwicklung/studien/pdf/b008179.pdf

Ein paar Auszüge:
Zitat
Die Wiener Verkehrspolitik (festgelegt im Masterplan Verkehr 2003) fördert den „Umweltverbund“:
Ziel aller Maßnahmen ist, dass die Wienerinnen und Wiener ihre Wege zunehmend mit öffentlichen
Verkehrsmitteln, zu Fuß oder mit dem Rad zurücklegen und der Anteil des Autoverkehrs
zurückgeht.
Ach ja, dieser zahnlose Masterplan wieder einmal... 8 Jahre alt und noch nichts davon annähernd umgesetzt. ::)

Zitat
Ein Rückgang des Motorisierungsgrades zählt nicht zu den verkehrspolitischen Zielen, denn die Häufigkeit der Autobenützung kann auch bei gleichbleibendem oder sogar zunehmendem Autobesitz zurückgehen.
Ja super, es ist also offiziell, dass die Stadt Wien es nicht stört, dass Autos den öffentlichen Raum weiter okkupieren. Solange sie nur abgestellt sind und nicht bewegt werden, sind Autos also ok.  :o

Zitat
Seit 2002 war der Motorisierungsgrad in Wien (sowie in Graz und Innsbruck) sogar rückläufig. Seit Jahresende 2008 gibt es allerdings überall wieder eine verstärkte Zunahme des Motorisierungsgrades (Knick im Diagramm), die daher mit bundesweiten Änderungen der Rahmenbedingungen zusammenhängen dürfte (z. B. Benzinpreis, Verschrottungsprämie, Fahrplan- und Tarifänderungen im Bahnverkehr).
Das gibt mir doch zu denken, dass der eingeschlagene gute Weg scheinbar wieder verlassen wurde. Die Rahmenbedingungen dazu verstehe ich aber nicht ganz... Spritpreis ist eher ein Argument gegen das Auto. Die Schrottprämie hat wiederum nur die PKW 1:1 ersetzt und keine zusätzlichen bewirkt. Fahrplan- und Tarifänderungen im Bahnverkehr lasse ich mir schon eher einreden, denn da hat sich viel zum Schlechteren gewendet, sodass Pendler nun eher doch ein Auto nutzen.

Zitat
... der Motorisierungsgrad [ist] in den parkraumbewirtschafteten zentralen Bezirken unterdurchschnittlich (mit Ausnahme des hochpreisigen
1. Bezirks, der mit ca. 500 privaten Pkw/1000 EW den höchsten Motorisierungsgrad von ganz Wien aufweist) und nimmt dort auch am stärksten ab. Am untersten Ende der Skala sind der 2., 5., 15. und 20. Bezirk zu finden (siehe Abb. 2, Bezirksgruppe A), in den sozioökonomisch stärkeren Innenbezirken (B: 3., 4. und 6. bis 9.) gibt es etwas mehr Pkw pro Kopf.
Scheint logisch, aber jetzt kommts...
Zitat
Bei dieser Berechnung sind Firmen-Pkw, ..., nicht berücksichtigt. Diese machen in Wien etwa 14% aller Pkw aus (im 1. Bezirk jedoch über 60%) und haben in den letzten Jahren stärker zugenommen als die auf natürliche Personen zugelassenen Pkw.
D.h. erstens, der 1. Bezirk hat eh schon viele private PKW und auch noch extrem viele Firmen-PKW. Hier gehts übrigens nur um PKW, nicht um Nutzfahrzeuge wie LKW & co.
Scheinbar werden immer mehr Privat-PKW aus Steuergründen "verwirtschaftet". Da tun sich Selbständige natürlich leichter... der Architekt meldet sein Auto (oder das der Kinder) nicht mehr auf sich an, sondern auf die Firma.
Umgekehrt passierts aber manchmal auch... das sind die Selbständigen, die ein Schrottauto haben, die fahren natürlich besser, wenn sie ihrer eigenen Firma Kilometergeld verrechnen, als das Auto auf die Firma anzumelden.
Dazu ein Zitat aus dem letzten Absatz:
Zitat
... die Firmen-Pkw [haben] in Wien zuletzt ca. 6-mal so rasch zugenommen .. (+7,64 % in 3 Jahren) wie die privaten Pkw (+1,18 %)!

Nun eine kleinräumigere Analyse:
Zitat
In den gründerzeitlich dicht bebauten Bezirken außerhalb des Gürtels ... hat sich der Motorisierungsgrad zuletzt kaum mehr verändert. Einer moderaten Abnahme ... stand zuletzt wieder ein leichter Anstieg gegenüber. Dies kann teilweise auch als Indiz für Aufwertungsprozesse
und einen Zuzug wohlhabenderer Bevölkerungsgruppen und Familien interpretiert werden, sollte aber zugleich Anlass sein, das Verkehrsverhalten in diesen Bezirken aufmerksam zu beobachten und evt. weitere Maßnahmen zu setzen (z. B. Ausweitung der Parkraumbewirtschaftung und Beschleunigung der Bus- und Straßenbahnlinien).
Also... wenig Potential, hier was massiv zu verändern, und wieder die Mär, dass Autos gleich Wohlstand sind. Offensichtlich hat ein Referent noch eine tatsächliche Handlungsempfehlung unterbringen dürfen, wenn auch sehr abgeschwächt.

Die Bombe tickt aber in den dünner besiedelten Außenbezirken:
Zitat
Die locker bebauten Stadtrandbezirke – also 13., 14., 19. und 21. bis 23. Bezirk ... – weisen den höchsten Motorisierungsgrad
auf und seit 2009 auch einen deutlichen Anstieg. Somit hat in Wien insgesamt die Zahl der Pkw pro Einwohner seit
2002 erstmals wieder zugenommen. Da in den genannten Bezirken diese Zunahme auch nicht mit Aufwertungseffekten erklärt werden
kann, ist begründet zu vermuten, dass sich dort auch das Verkehrsverhalten in Richtung Autoverkehr verlagert. Den höchsten Zuwachs (von 400,9 auf 407 Pkw/1000 EW seit 2008) gab es im 22. Bezirk, in dem die U1 ... und U2 ... verlängert und somit erhebliche Anreize geschaffen wurden, um hier das Verkehrsverhalten zu verbessern. ...
... die Stadtrandbezirke [sind] sowohl die bevölkerungsreichsten .. als auch jene, wo aufgrund der Baulandreserven auch die größten Bevölkerungszunahmen stattfinden. Das Verkehrsverhalten der Bewohner dieser Bezirke geht daher mit einem zunehmend großen Gewicht
in den Wiener Durchschnittswert ein.
Also die Stadterweiterungsgebiete reißen die Stadt rein, weil das sind auch die Leute, die eher mit dem Auto in die Innenstadt fahren. Und deren relativen Zunahme wirkt sich noch dramatischer aus, da diese Bezirke auch bevölkerungsmäßig am stärksten und schnellsten wachsen, d.h. die absolute Zahl der Autos noch deutlicher steigt als es der Relativwert vermuten lässt. Interessant finde ich noch die leise Kritik (lauter darf man wohl nicht), dass die U-Bahnen auch nicht wirklich den erwarteten / erhofften / erträumten Lenkungseffekt erbracht haben. Obwohl, wie wäre es ohne U-Bahn gewesen, werden manche nun sagen.

13er

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Re: [MA 18] Kleinräumige Analyse der KFZ-Statistik
« Antwort #1 am: 10. August 2011, 09:43:15 »
In Wien darf man sich über gar nichts wundern. Ex-Stadtrat Schicker hat ja eh, vielleicht aus Versehen, deutlich ausgedrückt, in welche Richtung der Zug (bzw. eher das Auto) fährt (und musste dafür zwar gehen, aber nur weil er es laut gesagt hat und nicht der eigentlichen Sache wegen). Andere Großstädte ergreifen seit wenigen Jahren vergleichsweise enorme Maßnahmen, um den IV einzuschränken, nur in Wien leben wir noch wie in den 60ern und opfern dem Gott Auto. Kein Wunder, dass langsam auch die Kongress- und Touristenzahlen zurückgehen.

Mit uns kommst du sicher... zu spät.

coolharry

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Re: [MA 18] Kleinräumige Analyse der KFZ-Statistik
« Antwort #2 am: 10. August 2011, 10:50:22 »
... Kein Wunder, dass langsam auch die Kongress- und Touristenzahlen zurückgehen.

Das hat aber so richtig überhaupt nix mit dem MIV zu tun.


Zitat
Ein Rückgang des Motorisierungsgrades zählt nicht zu den verkehrspolitischen Zielen, denn die Häufigkeit der Autobenützung kann auch bei gleichbleibendem oder sogar zunehmendem Autobesitz zurückgehen.
Ja super, es ist also offiziell, dass die Stadt Wien es nicht stört, dass Autos den öffentlichen Raum weiter okkupieren. Solange sie nur abgestellt sind und nicht bewegt werden, sind Autos also ok.  :o

Klar. Beim Auto kauf zahlt man einen Haufen Steuern und Abgaben. Dann Parkpickerl und Versicherungssteuer und zu guter letzt die diversen Versicherungen in deren Aufsichtsräten viele Ex-Politiker sitzen. Da kommen schon schöne Summen zusammen.


Zitat
Zitat
Die locker bebauten Stadtrandbezirke – also 13., 14., 19. und 21. bis 23. Bezirk ... – weisen den höchsten Motorisierungsgrad
auf und seit 2009 auch einen deutlichen Anstieg. Somit hat in Wien insgesamt die Zahl der Pkw pro Einwohner seit
2002 erstmals wieder zugenommen. Da in den genannten Bezirken diese Zunahme auch nicht mit Aufwertungseffekten erklärt werden
kann, ist begründet zu vermuten, dass sich dort auch das Verkehrsverhalten in Richtung Autoverkehr verlagert. Den höchsten Zuwachs (von 400,9 auf 407 Pkw/1000 EW seit 2008) gab es im 22. Bezirk, in dem die U1 ... und U2 ... verlängert und somit erhebliche Anreize geschaffen wurden, um hier das Verkehrsverhalten zu verbessern. ...
... die Stadtrandbezirke [sind] sowohl die bevölkerungsreichsten .. als auch jene, wo aufgrund der Baulandreserven auch die größten Bevölkerungszunahmen stattfinden. Das Verkehrsverhalten der Bewohner dieser Bezirke geht daher mit einem zunehmend großen Gewicht
in den Wiener Durchschnittswert ein.
Also die Stadterweiterungsgebiete reißen die Stadt rein, weil das sind auch die Leute, die eher mit dem Auto in die Innenstadt fahren. Und deren relativen Zunahme wirkt sich noch dramatischer aus, da diese Bezirke auch bevölkerungsmäßig am stärksten und schnellsten wachsen, d.h. die absolute Zahl der Autos noch deutlicher steigt als es der Relativwert vermuten lässt. Interessant finde ich noch die leise Kritik (lauter darf man wohl nicht), dass die U-Bahnen auch nicht wirklich den erwarteten / erhofften / erträumten Lenkungseffekt erbracht haben. Obwohl, wie wäre es ohne U-Bahn gewesen, werden manche nun sagen.

Das kommt davon wenn man zuerst die Häuser in die Pampa stellt und erst Jahre manchmal auch Jahrzehnte später den dazu gehörigen Schnellverkehr schafft.
 Mit dem Ausbau der U2 wurde ein richtiger Schritt gesetzt. Er ist zwar die denkbar dümmste Ausführung gekommen aber zumindest war es für ein riesen Gebiet im 22. eine Verbesserung (Ein Stadtbahnsystem oder Schnellstraßenbahnsystem welches sich z.B. beim SMZ Ost in mehrere Äste aufteilt wäre besser).
 Dagegen konnte die U1 Verlängerung kein Riesen Erfolg werden, da ja eigentlich nur der 25er unter die Erde verbannt worden ist. Es gibt dadurch keine neuen Relationen die schneller bedient werden. Blöd wenns die Verantwortlichen nicht merken.
Weil ein menschlicher Hühnerstall nicht der Weisheit letzter Schluß sein kann.

haidi

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Re: [MA 18] Kleinräumige Analyse der KFZ-Statistik
« Antwort #3 am: 10. August 2011, 14:17:52 »
Ich hab vor mehreren Jahren von einer Studie des deutschen Fraunhofer-Institutes gelesen, wonach die komplette Einstellung des MIV mehr Arbeitsplätze schaffe als "vernichtet" werden.

Seitdem suche ich immer wieder danach, hab da aber nichts mehr gefunden.

Hannes
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