Tramway-Fans der Generation 2.0Tramways auf Postkarten sind out. Junge Bimfreaks wie Gerardo Valido Gonzalez sind technikaffin und im Web zu Hause.
Gerardo Valido Gonzalez bei der Haltestation Schottentor. „Im Kopf hat man sein eigenes Stellwerk“
Gerardo Valido Gonzalez passt so gar nicht ins gängige Klischee eines Straßenbahn-Fans. Er ist weder im Ruhestand, noch sammelt er historische Postkarten oder Requisiten aus alten Garnituren. Gerardo Valido Gonzalez gehört einer neuen Generation in der Fangemeinschaft an. "Die Alten trauern der guten alten Bim nach", sagt der 22-jährige Informatikstudent. "Mir geht es um die Zukunft der Straßenbahn und das Kundenservice."
Virtueller Sammler
Im Straßenbahnmuseum sucht man Valido Gonzalez vergebens. Er übt sein Hobby lieber virtuell aus - auf seiner "Fanpage der Wiener Linien" (siehe Link unten). Derzeit sind 900 Gleichgesinnte registriert; 22.000 Fotos und Konstruktionspläne sind online; und sein Diskussionsforum zählt bereits 239.000 Beiträge. Eine eigene Fotografentruppe beliefert die Seite mit Aufnahmen.
Das Forum ist längst zum Selbstläufer geworden. Fällt eine Linie aus, wird das im Forum gepostet. "Natürlich können wir aber nicht vollständig informieren." Hinter dem Hobby steckt eine große Portion Detailwissen. Valido schüttelt die Daten der Wiener Straßenbahnen spielerisch aus dem Ärmel: "Es sind 28 Straßenbahnlinien"; "Das Netz ist das fünftgrößte der Welt". Akribisch genau hat er Fahrzeugtypen auf seiner Seite aufgelistet, die technischen Daten teilweise telefonisch bei den Wiener Linien recherchiert.
Aber was fasziniert einen 22-Jährigen an einer Straßenbahn? "Ein Bild von der Straßenbahn ist einfach interessant", sagt Valido Gonzalez. Dabei ist er gar nicht so weit weg von jenen Nostalgikern, von denen er sich abgrenzen will. "Es gibt so etwas wie eine Wiener Schule der Straßenbahnfotografie." Der Stromabnehmer darf auf einem Sammlerfoto nie fehlen, ebenso wie die Beleuchtung stimmig sein muss.
Motiviert hat ihn nicht nur sein Kindheitswunsch, U-Bahn-Fahrer zu werden. "Es ist auch der Umweltgedanke dabei. Ich fahre nur öffentlich." Eine Straßenbahnfahrt verleitet einen echten Fan gerne zum Fantasieren. "Im Kopf hat man sein eigenes Stellwerk und überlegt sich, wie man das selbst machen würde." Obwohl er zu den größten Fans der Wiener Linien gehört, hat er kaum Berührungspunkte mit dem Betrieb. "Abstand ist nicht schlecht. Im Forum gibt es Sachdiskussionen, aber auch Kritik." Der "Ausfall von Anzeigentafeln" ist ein Kritikpunkt. "Die Wiener sind aber verwöhnt. Das Netz gehört weltweit zu den besten", fügt Valido Gonzalez hinzu. Er will im Verkehrsbereich arbeiten. Vielleicht schafft es der Informatiker, die Anzeigentafeln zu verbessern.
Quelle:
http://kurier.at/nachrichten/wien/2077790.php=================