Endlich nimmt sich wer dieses Themas an: Quelle Falter newsletter
In letzter Zeit vermehren sich diese gelben Dreiecke in der Stadt auffallend schnell. Von den 28 Straßenbahnlinien in Wien gibt es keine Strecke ohne Langsamfahrstellen. Die gelben Dreiecke hängen in der Favoritner Quellenstraße ebenso wie am Floridsdorfer Franz-Jonas-Platz. Manchmal gilt das Tempolimit nur für ein paar Meter, über eine Weiche oder eine Kreuzung. Manchmal aber auch für fast einen ganzen Straßenzug. Zum Beispiel auf der Rauscherstraße für die Linie 5. Und meistens rumpelt es dann in den Züge ganz fürchterlich. Dennoch gelten die drastischen Tempolimits monate-, manchmal jahrelang.
Deshalb sind die gelben Dreiecke nicht nur Anweisungen für die Fahrerinnen und Fahrer, die Geschwindigkeit zu reduzieren. Sie sind auch Warnsignale für die Stadtregierung: Das Wiener Straßenbahnnetz ist in katastrophal schlechtem Zustand. Die Problemstellen werden nicht weniger. Eine Fachzeitung hat errechnet, dass 2020 zusätzlich zu schon länger bestehenden Geschwindigkeitsreduktionen auf 14,2 Kilometer des Wiener Straßenbahnnetzes wegen des schlechten Gleiszustandes Tempolimits von 25, 15, oder 10 km/h eingeführt wurden. Im selben Zeitraum seien nur 6,7 Kilometer kaputte Gleise repariert worden. Das zeige, „wie das Gleisnetz stetig verfällt”.
Mittlerweile müssen auch auf allen fünf U-Bahn-Linien die Züge wegen desolater Schienen und Weichen auf freier Strecke bremsen. Das wirkt sich auf die Fahrzeiten aus: Die U4 braucht von Hütteldorf bis Heiligenstadt mindestens drei Minuten länger als in den Fahrplänen angegeben. Spürbare Verzögerungen gibt es auch bei der U3. Die Wiener Linien werden noch dieses Jahr mehrere Kilometer Schienen austauschen, verspricht Wiener-Linien-Geschäftsführer Günter Steinbauer.
Der Öffentliche Verkehr in Wien liegt im weltweiten Vergleich zweifellos im Spitzenfeld. Das Liniennetz ist dicht, vor allem innerhalb des Gürtels. U-Bahnen, Trams und Busse fahren bis spät in die Nacht, die Intervalle sind kurz. Bloß zeigten Stadtregierung und Wiener Linien in den vergangenen Jahren wenig Engagement, das Gute noch besser zu machen. Im Gegenteil: Beschleunigungsprogramme verschwanden in Schubladen, Ausbauvorhaben für die Tram wurden auf Eis gelegt, notwendige Sanierungen auf die lange Bank geschoben. Der Anteil der Öffis am Gesamtverkehr in Wien war mit 38 Prozent im internationalen Vergleich auf hohem Niveau. Aber er blieb seit Jahren gleich. Im Corona-Jahr 2020 sank er auf 27 Prozent.
Nun will die Rot-pinke Stadtregierung bis 2030 den Anteil des Autoverkehrs in der Stadt von 27 auf 15 Prozent senken und vor allem die motorisierten Pendler aus dem Umland zum Umsteigen bewegen. Die Öffis müssten also attraktiver werden, schneller und verlässlicher. Tatsächlich droht gerade das Gegenteil: Während Stadt und Bund über zwei Milliarden Euro in die Verlängerung von zwei U-Bahn-Linien investieren, fehlt das Geld für den Erhalt des bestehenden Schienennetzes.
Die vielen gelben Dreiecke in der Stadt zeigen es deutlich: Tram und U-Bahn werden langsamer und durch den Verfall der Infrastruktur auch unzuverlässiger. In den nächsten Tagen wird der Falter erklären, warum das so ist, welche Linien besonders betroffen sind und wie die Wiener Öffis wieder fit gemacht werden könnten.
Morgen: Die Problemstrecken der Straßenbahn – und was der Geschäftsführer der Wiener Linien zu den defekten Gleisanlagen sagt.