Du siehst, Erfahrungen können divergieren.
Deshalb habe ich ja auch bewusst dazugesagt, dass es mein Eindruck war (der sich aber nahezu bei jeder Fahrt dorthin bestätigt hat, hatte ich etwa jedesmal "Glück"
?).
Oder eine andere Wahrnehmung.
Eine U-Bahn mit nur 50 Personen würde ich jedenfalls als quasi leer bezeichnen, bei 100 wäre relativ leer angebracht, von gut gefüllt, aber bei weitem nicht voll kann man reden, wenn es mehr Sitzplätze als Passagiere gibt.
Dabei muß man ja noch Glück haben, wenn es zu manchen Tageszeiten überhaupt 50 Personen sind.
Naja, ich finde, die Zahl der Personen in einer U-Bahn sagt relativ wenig über Sinn und Zweck einer U-Bahn-Strecke aus, insofern ist es müßig darüber zu diskutieren, wann sie nun leer ist. Zum einen ignoriert sie komplett die Tageszeit und den Wochentag - nach diesem Anspruch müsste man wahrscheinlich das gesamte U-Bahn-Netz stilllegen. Zum anderen ignoriert sie natürlich auch, dass man je nach Baukosten andere Ansprüche an den Füllungsgrad der U-Bahn haben sollte - das aufwendig zu errichtende Linienkreuz U2xU5 muss natürlich besser ausgelastet sein als die oberirdische U6 zwischen Siebenhirten und Perfektastraße.
Dazu kommt, dass die U2 in die Seestadt eben eine Vorleistung war, also mittel- und längerfristig mit höheren Fahrgastzahlen zu rechnen war/ist. Und auch, dass stadtauswärtige Endabschnitte von Linien fast immer schwächer ausgelastet sind, vor allem, wenn sie nicht gerade an einem Knotenpunkt enden (und selbst das ist keine Garantie). Die genannten 50 Fahrgäste pro Zug dürften sicher an vielen Linienende außerhalb der Hauptverkehrszeiten kaum erreicht werden, z.B. auch auf der U3 zwischen Enkplatz und Simmering.
Ich bleibe dabei: Solange man eine Autobuslinie parallel zur U-Bahn zwischen Seestadt und Aspernstraße führt, diese noch dazu rein aus Bequemlichkeitsgründen der Fahrgäste, anstatt einen für die U-Bahn fahrgastbringenden Querverkehr zu schaffen, nur da man der Meinung ist, damit Wählerstimmen lukrieren zu können, wird sich an der Lage nichts ändern.
Das ist natürlich absolut furchtbar, dass man das Öffi-Netz nach Bequemlichkeit der Fahrgäste plant. Pfui, der Pöbel soll die autofahrende Elite gefälligst nicht beim Vorankommen stören und seine Wege grundsätzlich mit U-Bahnen zurücklegen!
Das Gegenteil ist der Fall: Bus- und auch Straßenbahnlinien haben mehr Aufgaben als bloße Zubringer zur heiligen U-Bahn zu sein. Leider sind sie das in Wien (und gerade in Transdanubien) zu häufig, mit dem Ergebnis, dass man für mittlere und kurze Strecken z.T. absurd lange braucht.
Außerdem hab' ich ebenfalls noch die großmundigen Worte von Nevrivy im Ohr: ohne den Lobautunnel wird es keine Seestadt, keine Stadtstraße geben.
Das halte ich für einen Sturm im Wasserglas, um das Lieblingsprojekt von den regierenden Teilen der SPÖ durchzubekommen. Sie werden es kaum durchbekommen, die Seestadt komplett zu stoppen, zumal die Ausrede mit der UVP ja längst widerlegt ist. Im Zweifelsfall erstellt man eben eine neue, bei der nicht von Anfang an feststeht, was raus kommt.
Und was ist heute die Lage:
Man hat in Aspern Nord drei AL, bei der Seestadt zwei AL, keine fährt direkt in den Kern der Seestadt hinein sondern es wird z.B. manch lange Ausgleichszeit vor der leeren Station Aspern Nord gehalten anstatt weiter in der Seestadt zu zirkulieren. Würde man derzeit am Nachmittag von der Stadt kommend bei Aspern Nord auf den 84A umsteigen wollen, fährt einem dieser vor der Nase davon. Wartezeit: 10 Minuten. Grund: Schlechte Anschluß-Fahrplangestaltung mit dem Effekt, daß der 84A vor dem Stationsgebäude Seestadt immer eine kurze Ausgleichszeit von 2-3 Minuten hält. Also warum fährt man in Aspern Nord dem Fahrgast davon?
Um an der Aspernstraße kurze Anschlüsse zu bieten. Sinnvollerweise.
Es würden vielleicht mehr Fahrgäste diesen neuen Linienast in Anspruch nehmen. Für all das braucht es aber explizit nicht den 84A...
Dumm nur, wenn es dann einigen Fahrgästen zu blöd ist und sie aufs Auto umsteigen und am besten die Zeitkarte kündigen. Der ÖV funktioniert nur als System, und die Fahrgäste bezahlen im Übrigen auch für die Nutzung des Systems und nicht für die einzelne Fahrt. Ich halte Dein Denken, Fahrgästen Umwege und längere Fahrzeiten aufzuzwingen, um eine U-Bahn-Linie auszulasten, für ziemlich gefährlich für die Attraktivität des ÖV.
Wenn man nur zwei oder drei Linien mit dem Kern der Seestadt verbinden würde, würde die Wertigkeit der Station Aspern Nord deutlich gehoben und man hätte wesentlich mehr Fahrgäste in der U-Bahn und auch so nebenbei vermutlich für die S80, gleiches gilt für/ab der Station Seestadt.
Immerhin wird ja zwischenzeitlich der 84A zur Station Aspern Nord geführt, und mit der voranschreitenden Stadtentwicklung wird es sicher auch mehr Verbindungen zwischen Aspern Nord und der Seestadt geben. Nur ob die angekündigte Straßenbahn kommt, wissen nur die Sterne, aber zumindest mehr Buslinien wird es geben.
So fahren sowohl die U2 bzw. der 84A ab ca. 19:30 Uhr trotz tollem Angebot ab Station Aspernstraße bis nach 00:00 Uhr in einem verstecktem 7,5-Min.-Intervall (der 84A bis 01:17 Uhr) fast leer durch die Gegend bis in die Seestadt und das nicht nur zur Pandemie-Zeit, sondern das ist Alltag. Das ist eigentlich als Luxus zu bezeichnen. Die Seestadt ist bis Heute eigentlich nur eine Schlafstadt geblieben, eigentlich völlig Überbewertet und nur als Prestige-Projekt zu bezeichnen.
Zum einen finde ich, dass in der Seestadt ziemlich viel vorangegangen ist: so um 2016 war es tatsächlich eine reine Schlafstadt, inzwischen bin ich erstaunt, wie belebt die öffentlichen Räume vielfach sind (dass bei deren Gestaltungsqualität z.T. noch viel Luft nach oben ist, ist ein anderes Thema). Zum anderen ist sie eben noch nicht fertig. Und da gilt:
Die Öffi-Anbindung muss attraktiv sein, BEVOR die ersten Menschen oder Firmen hinziehen. Denn Mobilitätswende hat sehr viel mit zu ändernden Gewohnheit zu tun, und nichts ist so schwer zu ändern wie Gewohnheiten. Wenn man umzieht (oder der Arbeitgeber), muss man zwangsläufig Gewohnheiten ändern, also ist das
die Gelegenheit, Menschen für umweltfreundliche Verkehrsträger zu gewinnen. Das klappt halt nicht, wenn man erstmal nach rein betriebswirtschaftlichen Kriterien denkt - und wer sich mit dem Auto erstmal ein- und sein Leben daraus ausgerichtet hat, ist auch mit einem guten Angebot schwieriger in die Öffis zu bewegen.
Das heißt aber auch: gerade in der Anfangszeit werden viele Fahrzeuge leer durch die Gegend fahren. Aber das ist dann eben so.
Eigentlich ist die Seestadt in Wien die löbliche Ausnahme. Die Regel ist die Entwicklung dicht bebauter Gebiete wie an der Wildgartenallee oder beim Gaswerk Leopoldau mit einer absolut miserablen ÖV-Anbindung. Und selbst dort, wo man zumindest Bim-Linien gebaut hat (Nordbahn- und Sonnenwendviertel), kamen sie um Jahre zu spät und sind ein absolutes Stückwerk, weil sie im Nirgendwo enden, statt zu den nächsten Knotenpunkten und Stadtteilzentren weiterzufahren.