Ich denke man kann durchaus froh sein, dass sich das U-Bahn-Netz anders entwickelt hat. Ich bin mir ziemlich sicher, dass die Aufteilung fast aller Linien in mehrere Äste heute ziemlich problematisch wäre und außerdem eine Störungsquelle darstellen würde.
Prinzipiell kann das schon sinnvoll sein, um ein größeres Fahrgastpotenzial für die innerstädtischen Strecken abzugreifen. Über den konkreten Fall kann man natürlich streiten, die U1B zum Beispiel.
Ich bin auch nicht prinzipiell gegen Linienäste bei der U-Bahn, aber wie Nulltarif schreibt sollten die Verzweigungspunkte weiter außerhalb des Stadtzentrums liegen und idealerweise sollten die beiden Äste ein vergleichbares Fahrgastaufkommen haben. Bei der U1B wäre das abgesehen vom Stadion- und Messeverkehr nicht gegeben gewesen, da wäre die Donauquerung Richtung Kagran deutlich stärker nachgefragt. Ich verstehe nicht ganz, warum man für das nicht besonders dicht besiedelte Gebiet zwischen Donau und Prater überhaupt einen Ast der U1 vorgesehen hat. Der 21er war nicht gerade die am stärksten ausgelastete Straßenbahnlinie und für den Stadionverkehr hätte man in diesem Netzentwurf ja ohnehin die U3 gehabt.
Die U1A hätte für mich auch keinen hohen Mehrwert, da sie ziemlich nahe an der U1-Strecke in der Favoritenstraße verläuft. In der Wiedner Hauptstraße gibt es einen sehr dichten Straßenbahnverkehr und durch die WLB-Doppelgarnituren eine besonders hohe Kapazität. Die laut Netzentwurf M geplante Station Waaggasse wäre relativ nahe an der Station Taubstummengasse gelegen. So wie es am Plan eingezeichnet ist wäre der nächste Halt der U1A dann bereits die Station Laurenzgasse gewesen, womit zwei dazwischen liegende Straßenbahnhaltestellen (Mayerhofgasse und Johann-Strauß-Gasse) und der Umstieg zum 13A entfallen wären.
Der Ast U1B hätte mit seinem Ende im 2. Bezirk im Vergleich zum wichtigeren Ast nach Leopoldau eine deutlich geringere Auslastung. Die Aufteilung hätte aber zur Folge, dass ab dem Praterstern nur jeder zweite Zug nach Leopoldau fahren könnte. Das halbe Intervall wäre hier aber heutzutage zu wenig für die vorhandene Fahrgastnachfrage. Außerdem hätte die Verästelung aufgrund der unterschiedlichen Nachfrage auf den einzelnen Linienästen auch bei regelmäßigen Intervallen eine ungleichmäßige Auslastung der Züge im Bereich der Stammstrecke zwischen Praterstern und Karlsplatz zur Folge.
Auch wenn ich Dir für den konkreten Fall recht gebe: die Aufteilung der Züge auf die Außenäste muss ja nicht 50/50 sein, möglich wäre auch auch im Innenstadtbereich z.B. ein 3/3/4-min- und auf den Außenästen ein 6/4- und ein 10-min-Takt.
Krumme Takte machen die Sache aber nicht besser, das fördert aufgrund der unterschiedlichen Auslastung der einzelnen Züge dann noch unregelmäßigere Intervalle.
Die U1 fährt derzeit in der Morgenspitze laut Fahrplan alle 2,3 Minuten (26 Züge pro Stunde). In der HVZ nur alle 4-5 Minuten einen Zug zwischen Karlsplatz und Hauptbahnhof bzw. über die Donau zu haben wäre meiner Einschätzung nach für das heutige Fahrgastaufkommen zu wenig.
Bei so dichten Intervallen müssten die von Süden kommenden Züge sicher sehr oft auf die Einfahrt in die Station Karlsplatz im Tunnel warten. Durch das Anfahren und Bremsen geht dann erst recht wieder Kapazität verloren.
Noch eher vorstellen könnte ich mir die Gabelung am Schottenring, da hier eine großzügig dimensionierte Station mit vier Bahnsteigen gebaut wurde und die U4 Nord nach Heiligenstadt nicht so stark nachgefragt ist wie die U1. Betrieblich wäre das am Schottenring aber auch nichts Anderes als die U2/U4 gewesen, die ja offenbar nicht so toll funktioniert hat. Möglicherweise hätte man da mit der Zeit noch einen stabileren Betrieb hinbekommen.
Vergleichsweise unproblematisch schätze ich im Netzentwurf M die geplanten Gabelungen der U2 bei der Volksoper und in Simmering sowie der U6 bei der Philadelphiabrücke ein.
Mit der geplanten U1-Strecke nach Rothneusiedl wird das Wiener U-Bahn-Netz in Zukunft wahrscheinlich doch noch eine Gabelung einer Linie bekommen. Wobei das eher unbeabsichtigt entstanden ist, denn wenn das Stadtentwicklungsgebiet Rothneusiedl vor 15 Jahren konkreter gewesen wäre, hätte man die U1 einfach gleich wie ursprünglich geplant nach Rothneusiedl gebaut. In dem Fall wäre sicher niemand auf die Idee gekommen, für die schwach frequentierte Strecke nach Oberlaa einen eigenen Ast der U1 zu errichten.
Ich bin einigermaßen zuversichtlich, dass die Gabelung der U1 nach Oberlaa und Rothneusiedl betrieblich zufriedenstellend funktionieren wird, da ja die beiden Äste nur jeweils zwei Stationen haben und damit das Potenzial für Unregelmäßigkeiten und Verzögerungen auf der kurzen Strecke bis zur Alaudagasse vergleichsweise gering ist. Bei der Station Alaudagasse wäre aber eine dreigleisige Ausführung vorteilhaft gewesen (ähnliche Konfiguration wie die U2-Station Stadion), um parallele Einfahrten aus Oberlaa und Rothneusiedl zu ermöglichen. Dadurch könnte man zu gewissen Uhrzeiten auch mit einem Pendelzug Alaudagasse-Oberlaa fahren, der bei der Alaudagasse bahnsteiggleichen Anschluss hat.
Jedenfalls haben wir auch beim gerade abgesagten Parallelbetrieb der U2 und der U5 zwischen Rathaus und Karlsplatz die Schwierigkeiten einer Liniengabelung im innerstädtischen Bereich gesehen. Ich glaube das hat man sich bei der Ankündigung des Parallelbetriebs nicht wirklich zu Ende überlegt, wie das praktisch funktionieren soll. Ich halte es jedenfalls für die richtige Entscheidung, die Betriebsstabilität der U2 nicht für den äußerst geringen Mehrwert der einen U5-Station Frankhplatz zu gefährden. Trotzdem hätte ich es spannend gefunden, wie das in der Praxis funktioniert hätte.