Am zweiten Tag in Posen war die Sonne hinter den Wolken weg – doch in meiner Verkehrsplanungsseele ging die Sonne auf. Wir befinden uns hier im Stadtteil Grunwald in der danach benannten Straße; hier, eine Station vor der Endstation Junikowo, kreuzt die Straßenbahntrasse die Magistrale der Grunwaldzka, um von Mittel- auf Seitenlage zu wechseln. Eine nicht ganz unkomplizierte Kreuzung. Und, kaum hält man es für möglich: Nullwartezeit für den größten Teil der Straßenbahnen hier. Ganz kurze Phasen, anlassbezogen, für die Straßenbahn, und man macht es völlig richtig: Nicht lange brauchen die Trams grün, das aber sofort. In Summe weniger Straßenbahngrünzeit als an unbeeinflussten Kreuzungen; diese Zeit aber, wann es notwendig ist.
Schon zuvor fiel es auf, etwa in der schon gezeigten ulica Winogrady: Nicht unbedingt Ampelfreiheit, aber im Vergleich zu Wien Ampelarmut; darüber hinaus nochmals französisch anmutendes Fahrgefühl, wenn man die Ampeln voraus sieht, die anfangs allesamt Halt anzeigen, dann leuchtet kurz ein rotes «czekać» (warten!) auf, das die Beeinflussungsanmeldung signalisiert, und dann kommt umgehend, wenngleich manchmal zugegebenermaßen knapp, die freie Fahrt. Hach, ist das schön und ungewohnt in Polen – überhaupt hatte ich den Eindruck, das in den Straßenbahnstädten Polens, die ich bisher besuchen durfte, die Straßenbahn überall liebevoll wohlgesehen wird; aber erst in Posen scheint es mir, dass der Straßenbahn eine zeitgemäße, umfassende Vorreiterrolle in den städtischen Verkehrsaufgaben mit allen Konsequenzen zugestanden wird.
Nicht überall flutscht das schon reibungslos; an den komplexen Riesenrondos steht man nach wie vor ein Zeiterl herum. Aber, und genau das wünschte ich mir in Wien auch: An einfachen Kreuzungen kann man davon ausgehen, nicht sinnlos herumzustehen. Und so fährt man in Posen zwar nicht noch schneller als in Łódź, wo ich davor war – aber das Schnellfahren ist nicht der wirkungsvollste Hebel zur kurzen Fahrzeit. Das ist die kluge Bevorrangung; und eine Fahrt mit dem Posener 7er von Endstation zu Endstation war das beeindruckendste Erlebnis zügigen Vorwärtskommens, das ich straßenbahntechnisch außerhalb Frankreichs, Südwestdeutschlands und Linzens seit langem erleben durfte.
Wagen 458 am 22. September 2017 nächst der Haltestelle Cmentarna.