Brăila hat ein kleines Netz mit fünf Linien (21-25). Die Linie 21 fährt quer durch die Stadt, ebenso die Linie 22. Die Linie 23 bedient eine Stichstrecke im Nordwesten. Die Linien 24 und 25 führen auf einer Überlandstrecke bis Lacu Sărat (Salzsee) bzw., wie es sich für eine real existierende Ostblockstadt gehört, natürlich zum Kombinat. Dort wurde einst real existierende Zellulose verarbeitet, heute steht es leer und beherbergt maximal eine Hand voll Arbeitsplätze, wenn überhaupt.
Interessanterweise sind die Linien 22 und 23 offiziell aufgrund von Bauarbeiten eingestellt. Derartige Bauarbeiten sind jedoch nirgends sichtbar. Der 23er ist in verheerendem Zustand, dort dürfte schon sehr, sehr lang keine Straßenbahn mehr gefahren sein. Der 22er ist gut in Schuss, wird aber trotzdem wie der 23er im SEV mit Midibussen betrieben. Angeblich, so habe ich es auf irgendeiner mit Google Translate übersetzten rumänischen Seite gefunden, seien dies Kanalarbeiten. Ob man nun solche Arbeiten plant und daher in vorauseilendem Gehorsam die Straßenbahn eingestellt hat, oder ob die Strecke wegen desolater Kanäle stillgelegt werden musste und nun kommender Kanalsanierungsmaßnahmen harrt, die zur Wiederinbetriebnahme führen – wer weiß das schon und überhaupt, wer will es so genau wissen? Auf Fragen bekommt man in Rumänien nur selten exakte Antworten. Es ist halt, wie es ist – und im Bedarfsfall kann man sich ja als einer, von dem eine Antwort erwartet wird, immer noch dumm stellen und behaupten, man verstehe nichts. Das alles freilich sehr, sehr höflich und immer von einem (mitunter ordentlich falschen) Lächeln begleitet.
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Die (im Gegensatz zu Craiova tatsächlich real existierenden!) Haltestellenschilder haben freilich bessere Zeiten gesehen. Seit sie im Rahmen eines Fünf-Jahres-Plans beschafft wurden, werden sie aber immerhin rudimentärst instandgehalten. Der darunter befindliche Fahrplanauszug stimmt logischerweise nicht, da es ja keinen 22er gibt. Der 21er fährt halt ein bisserl öfter, aber auch nicht immer – und wenn ein Zug nach der Früh-HVZ einzieht, gibt es halt bis zu seinem Wiederausrücken am Nachmittag ein Intervallloch. Wurscht, weil es ja eh keinen Aushangfahrplan gibt* und die Leute eh merken, wenn der Zug kommt.
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Auch die Haltestellenhütterln, sofern es solche gibt, werden liebevoll gepflegt und angemalt. Sind sie windschief, ist es so. Fehlen Teile, weil sie irgendwann heruntergefallen sind, ist es so. Man malt aber trotzdem liebevoll. Die kleinen Kassahäuschen sind schon lang nicht mehr besetzt, es gibt allerdings an manchen Stationen Fahrscheinautomaten, wo man Einheitsfahrscheine kaufen kann: Es gibt nur Einzelfahrscheine zu kaufen. Drückt man A oder C, bekommt man einen Fahrschein, drückt man B oder D, bekommt man zwei Fahrscheine. Die Fahrscheine sind mit den typischen osteuropäischen Lochentwertern zu markieren. Man kann also theoretisch den ganzen Tag mit demselben Fahrzeug spazierenfahren, sofern man in diesem Fahrzeug einmal einen Fahrschein gelocht hat.
Ob die einheimischen Fahrgäste alle Zeitkarten haben oder schwarzfahren, weiß ich nicht – entwertet haben jedenfalls die allerwenigsten.
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Die Grazer 260er sind am Linienbündel 24/25 im Einsatz, wo sie die Tatrawägen abgelöst haben. Hier sehen wir Wagen 268 vor dem Depou Radu Negru (Radu Negru bzw. Radu der Schwarze war ein walachischer Fürst). Der 24er fährt weiter hinaus als der 25er. Der Auslauf beider Linien wird von einem einzigen Wagen bestritten. Der Fahrzeit nach könnte jeder Kurs als 24er bis zum Kombinat fahren, die Kurzführungen als Linie 25 zum Lacu Sărat wären technisch nicht nötig. Aber das war wohl schon immer so und warum sollte man es daher ändern, wenn einem das doch niemand angeschafft hat ...
*) Einzige Ausnahme: Für den 24er und 25er (beide zusammen völlig grundlos unregelmäßig im 60- bis 120-Minuten-Takt) gibt es bei der stadtnäheren Schleife einen Aushang.