Danke für die Erinnerung. Bin leider im Moment beruflich sehr beschäftigt und hatte vor, mit der Auflösung auch einen etwas erweiterten Hintergrundbericht unter Historisches zu bringen, der leider noch nicht fertig ist. Den werde ich wohl ein wenig später bringen müssen, wenn mich meine beruflichen Verpflichtungen wieder etwas lockerer lassen. Hoffe, das im Laufe des Sommers zu schaffen.
Nun aber zur Auflösung:
Es handelt sich um den alten Bielitzer Bahnhof der Kaiser-Ferdinands-Nordbahn.
Am 1. Mai 1847 wurde der 77 km lange Abschnitt Leipnik (Lipník nad Bečvou / an der Bečva) - Mährisch Weißkirchen (Hranice) - Schönbrunn-Witkowitz (Ostrava-Svinov) - Mährisch Ostrau (Ostrava) - Oderberg (Bohumin) eröffnet und damit das mährisch-schlesische Industrie- und Kohlerevier im Raume Ostrau erreicht. Ab 1. September 1848 bestand dann über den ersten Eisenbahngrenzübergang Österreichs aus Richtung Wien, Oderberg - Annaberg (Chałupki), eine Verbindung zum preußischen Netz, über welches man dann einerseits über Breslau und Berlin bis nach Paris, andererseits aber auch nach Warschau (Warschau-Wiener Eisenbahn / Kolej Warszawsko-Wiedeńska 1848) und Krakau (über den Grenzübergang Mysłowice - Szczakowa mit der Krakau-Oberschlesischen Eisenbahn / Kolej Krakowsko-Górnośląska, der ersten Eisenbahn Galiziens, ab 13. Oktober 1847) fahren konnte:
http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/9/9f/Bahnkarte_Deutschland_1849.jpgErwähnenswert ist vielleicht, daß die Verbindung von Krakau nach Berlin und weiter in den Westen bereits ab 13. Oktober 1847, also bereits etwa ein Jahr früher als von Wien aus, möglich war. Auch die Krakauer Universität ist um ein Jahr älter als die Wiener (1364 und 1365).
Da die Schienenverbindung von Wien nach Krakau damals nur über preußisches Territorium (Oderberg/Annaberg - Mysłowice/Szczakowa) führte, trachtete man danach, eine innerösterreichsiche Schienenverbindung zu errichten. Diese verlief dann ab Oderberg (Bohumin) knapp südlich der österreichischen Staatsgrenze im Kronland Schlesien über Dzieditz (Czechowice-Dziedzice) und Auschwitz nach Trzebinia, wo der Anschluß an die Krakau-Oberschlesische Eisenbahn nach Kraukau hergestellt wurde.
Zwei wichtige Städte in dieser Region lagen allerdings nicht an der Nordbahn selbst, sondern nur wenige Kilometer südlich: Teschen (Cieszyn) und Bielitz (Bielsko-Biała):
Der Anschluß von Teschen an das Eisenbahnnetz erfolgte erst am 5. Mai 1869 durch die Kaschau-Oderberger Eisenbahn, die das östliche Oberungarn (heutige Slowakei) mit Oderberg und damit mit dem preußischen und österreichischen Eisenbahnnetz verband.
Bielitz wurde mit der Inbetriebnahme des ersten innerösterreichischen Streckenabschnitts der noch fehlenden 98 km langen Lücke zwischen Oderberg und Trzebinia am 17. Dezember 1855, also etwa 7 Jahre, nachdem die Verbindung nach Krakau über preußisches Territorium eröffnet worden war, durch die Kaiser-Ferdinands-Nordbahn erreicht. An diesem Tag wurde einerseits der 51 km lange Abschnitt Oderberg (Bohumin) - Dzieditz (Czechowice-Dziedzice) der Strecke nach Trzebinia und weiter nach Krakau, andererseits die 11 km lange, von Dzieditz in südlicher Richtung nach Bielitz führende Stichbahn eröffnet. Bielitz erhielt damals seinen ersten Bahnhof, einen Kopfbahnhof.
Der nach Krakau noch fehlende innerösterreichische, 47 km lange Abschnitt von Dzieditz (Czechowice-Dziedzice) über Auschwitz nach Trzebinia wurde erst am 1. März 1856 durch die Kaiser-Ferdinands-Nordbahn eröffnet. Ab Trzebinia bis Krakau (39 km) fuhr dann die bereits am 30. Mai 1850 durch den österreichischen Staat gekaufte ehm. Krakau-Oberschlesische Eisenbahn (Mysłowice - Szczakowa - Trzebinia - Krakau), jetzt k.k. östliche Staatsbahn, die bis zum Anschluß an die Kaiser-Ferdinands-Nordbahn in Galizien einen nur über preußisches Territorium erreichbaren Inselbetrieb führte. Am 26. Juni 1858 wurden die Strecken der k.k. östlichen Staatsbahn westlich von Krakau jedoch der Kaiser-Ferdinands-Nordbahn übertragen, womit diese nun eine durchgehende Strecke von Wien nach Krakau hatte.
Bielitz wurde schließlich auch ein Bahnknoten. Am 18. August 1878 wurde die 21 km lange Verlängerung der Stichbahn nach Süden bis Saybusch (Żywiec) eröffnet. Dazu wurde der ehm. Bielitzer Kopfbahnhof etwas nach Norden verlegt, dort neu errichtet, und das Stadtzentrum mit einem neu errichteten Eisenbahntunnel unterfahren. In Saybusch, dem nun südlichsten Ende dieser Stichbahn der Kaiser-Ferdinands-Nordbahn, gibt es eine berühmte Brauerei und ein Habsburgerschloß, das heute noch (wieder) vom polnischen Zweig der Habsburger bewohnt wird.
Ab 1884 bestand in Saybusch dann Anschluß an die Transwersalbahn, die südlichste in Polen (ehm. Galizien) in west-/östliche Richtung verlaufende Eisenbahnlinie von Čadca an der Kaschau-Oderberger-Bahn über Zwardoń (Grenze Oberungarn/Galizien bzw. heute Slowakei/Polen) - Saybusch (Żywiec) - Sucha Beskidzka - Nowy Sącz - Chyrów (Хирів) - Stryj (Стрий) - Stanisławów (Івано-Франківськ) nach Husiatyn (Гусятин).
Und am 1. Juni 1888 wurde die zweite Hauptlinie der Kaiser-Ferdinands-Nordbahn, die 180 km lange Städtebahn, von Kojetein über Teschen (dort Kreuzung mit der Kaschau-Oderberger-Bahn) und dann in östlicher Richtung weiter nach Bielitz, und von dort weiter in östlicher Richtung die 59 km lange Lokalbahn über Wadowice (Geburtsort des Hl. Vaters Papst Johannes Paul II.) nach Kalwarya, wo Anschluß an die Transwersalbahn bestand, eröffnet.
Damit gingen nun von Bielitz in alle 4 Himmelsrichtungen Bahnen aus. Ab 1895, also noch vor Wien, gab es in Bielitz bereits eine elektrische Straßenbahn, die am Bahnhofsvorplatz ihren Ausgang nahm und in südlicher Richtung durch das Stadtzentrum und dann noch weit nach Süden bis in das Erholungsgebiet Zigeunerwald führte. Die Remise und das alte E-Werk stehen heute noch. Auch von der Teschener Straßenbahn, der leider keine so lange Lebenszeit beschieden war, existiert heute noch die alte Remise. Letztere Straßenbahn verband aber nur das Stadtzentrum mit dem Bahnhof.
Der im Rätsel abgebildete Bahnhofsbau stammt aus dem Jahre 1890 und wurde in den letzten Jahren vorbildlich renoviert. Ganz ähnlich verhält es sich mit dem Teschener Bahnhof, der dem Bielitzer Bahnhof sehr ähnlich sieht. Während das heutige Österreich bewußt seine Geschichte von vor 1918 zu verleugnen scheint, ist das bei unseren nördlichen Nachbarn ganz anders. Ich frage mich, ob unsere heutigen Bahnhofsneubauten überhaupt das Alter des in den 1950er Jahren errichteten, einstmaligen Wiener Südbahnhofs erreichen werden.
Der Bielitzer Bahnhof ist nach einem Projekt des Bielitzer Architekten Karl Schulz durch die Baufirma Karl Korn errichtet worden. Die repräsentative Bahnhofshalle ist durch die Wiener Firma Wild & Weygand verziert worden.
Hier einige aktuelle Bilder des Bielitzer Bahnhofs vom Februar 2012:
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Hier die repräsentative Bahnhofshalle mit dem Bielitzer Stadtwappen:
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Und hier das Wappen des Kronlandes Schlesien mit dem schlesischen Adler:
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Bielitz mit seiner bis zum zweiten Weltkrieg überwiegend deutschsprachigen Bevölkerung (Sprachinsel) und besten Kontakten zu Wien liegt an der alten Kaiserstraße von Wien nach Krakau und bildet den Grenzübergang des einstmaligen Kronlandes Schlesien nach Galizien am Westufer des Grenzflusses Biała. Am östlichen Ufer bereits in Galizien lag die Stadt Biala. Beide Städte wurden nach dem 2. Weltkrieg zur Doppelstadt Bielsko-Biała vereinigt. Bielsko-Biała liegt heute zur Gänze in der Wojewodschaft Schlesien. Die schlesische Wojewodschaftsgrenze verläuft heute einige Kilometer östlich von Bielsko-Biała. Bis zur ersten polnischen Teilung 1772 verlief am Fluß Biała auch die Staatsgrenze zum Königreich Polen, und Bielitz war schlesische Grenzstadt der habsburgischen Erblande, während Biała bereits zum Königreich Polen gehörte.
Ich hoffe, im Sommer hinreichend Zeit zu finden, mehr über die Bahnen und Straßenbahnen dieser Region berichten zu können.