Um auf die Ausgangsfrage zurückzukommen - die Antwort lautet eindeutig "ja". Es geht mir hier weniger um die direkten Auswirkungen wie kürzere Bremswege, sondern um das Problem, das sich in den letzten Jahren immer weiter verschärft hat: In Wien fahren viel zu viele Autos. Das ist ökonomischer wie ökologischer Wahnsinn und hat das Potential, die Lebensqualität auf Dauer massiv zu beschädigen.
Wenn man sich das "Warum" ansieht, kommt man zu dem Schluss, dass Autofahren in Wien einfach viel zu angenehm ist. Dazu eine persönliche Anekdote: Ich bin vor etwa zwei Jahren aus beruflichen Gründen (und ohne Führerschein) nach Deutschland gezogen, habe dann aber bald gemerkt, dass es an meinem Arbeitsort nicht ohne Auto geht, bzw. die Kosten auf Dauer zu hoch geworden wären. Also habe ich mich bei einer Fahrschule angemeldet und den Führerschein in einer kleineren Großstadt in Deutschland gemacht. Als Fahranfänger war ich stets nervös und gestresst, viele Dinge galt es gleichzeitig zu beachten.
Meinen Führerscheinprüfung hatte ich wenige Tage vor Weihnachten, kam also schon mit dem Führerschein im Gepäck zu Weihnachten zur Familie. Natürlich habe ich die Gelegenheit genutzt, mit dem Auto der Eltern ein wenig Fahrpraxis zu sammeln. Schnell stellte ich fest, dass in Wien Autofahren kinderleicht ist und fast nebenbei erledigt werden konnte, während in Deutschland meine volle Aufmerksamkeit gefragt war.
Zum Teil liegt das an den Bestimmungen der StVO. In Deutschland gelten zwei wichtige Regelungen, die eine Entschleunigung des Verkehrs insbesondere in Wohngebieten bedeuten und den Autofahrer zu höherer Vorsicht nötigen. Erstens muss man beim Abbiegen Fußgänger auf der Straße, in die man abbiegt, durchlassen - und zwar nicht nur, wenn sie schon auf der Straße stehen, sondern auch, wenn sie noch auf dem Gehsteig warten, zweitens gilt, dass man grundsätzlich auf beiden Seiten der Straße parken darf, solange noch mindestens eine drei Meter breite Fahrbahn bleibt - und das auch in einer Straße, die für beide Richtungen freigegeben ist. Das heißt, dass man gegebenenfalls ständig zwischen den Fahrbahnseiten wechseln muss, oder in eine Parklücke oder Grundstückseinfahrt fahren muss, um den Gegenverkehr durchzulassen.
Ein weiterer Faktor, den Wien allerdings eigenständig ändern könnte, ist die Verampelung auch kleiner Kreuzungen. Mir fällt in Wien keine Kreuzung zwischen zwei vierspurigen Straßen mit je zwei Radwegen ein, die ausschließlich durch "Vorfahrtstraße" auf der einen und "Vorfahrt beachten" auf der anderen Straße gesichert ist, oder eine Stelle, wo die Vorfahrt für die Straßenbahn einfach durch solche Schilder gegeben wird - sowohl auf einer normalen Kreuzung als auch in einem Kreisverkehr, den die Straßenbahn durchquert.
Dazu kommt in Deutschland noch, dass zwar kleinere (Geschwindigkeits-)Übertretungen häufig sind und nur mit kleinen Verwarnungsgeldern sanktioniert werden, aber bei gefährlichen Situationen der große Hammer herausgeholt wird: Wer zum Beispiel eine rote Ampel außerhalb der Toleranzzeit (eine Sekunde) überfährt - auch um drei Uhr früh, wenn kein anderer Verkehr herrscht! - bekommt automatisch neben der Strafe (200 €) einen Monat Fahrverbot, im Wiederholungsfall gerne auch mehr. Außerdem sind besonders gefährliche Manöver, wie rücksichtslose Fahrweise, Fahren ohne Führerschein, Fahren unter Alkohol- oder Drogeneinfluss nicht nur Verwaltungsübertretungen, sondern Straftaten, für die man im Extremfall bis zu fünf Jahre Gefängnis kassieren kann.
Insofern: Ich habe kein Problem damit, ganz offen zu sagen, dass Wien mehr Schikanen für Autofahrer braucht. Mit dem Stress beim Autofahren wächst auch die Bereitschaft, auf die öffentlichen Verkehrsmittel umzusteigen. Und dass die Straßenbahn weiter 50 fährt, lässt sich einfach bewerkstelligen. Das Zauberwort heißt Trennung der Verkehrsarten, und das geht sogar in den engen Straßen der Innenbezirke. Notfalls muss eben eine Parkspur weichen, oder eine Straße muss in gegenläufige Einbahnen aufgeteilt werden, um den Durchgangsverkehr zu vermeiden.