Autor Thema: Bärenmühlhaus  (Gelesen 6164 mal)

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N1

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Bärenmühlhaus
« am: 06. August 2012, 19:36:20 »
Heute siehts dort so aus:
–- Bild –-
Das unscheinbare Haus, das dem Café den Garaus gemacht hat, wurde 1935/36 errichtet. Sein Architekt, Hermann Aichinger, zeichnete u.a. auch für das Verkehrsbüro, den Rabenhof, das Funkhaus und das Wohnhaus "Zur Bärenmühle" verantwortlich.
"Der Raum, wo das stattfand, ist ziemlich groß."
Hans Rauscher

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Re: Bärenmühlhaus
« Antwort #1 am: 06. August 2012, 20:40:27 »
Sein Architekt, Hermann Aichinger, zeichnete u.a. auch für das Verkehrsbüro, den Rabenhof, das Funkhaus und das Wohnhaus "Zur Bärenmühle" verantwortlich.
:o Das Bärenmühlhaus habe ich ob seiner Scheußlichkeit immer für einen 50er-Jahre-Nachkriegsbau gehalten...
Es ist nichts so fein gesponnen, es kommt doch ans Licht der Sonnen!
... brrrr, Klumpert!
Entklumpertung des Referats West am 02.02.2024 um 19.45 Uhr planmäßig abgeschlossen!

Laiseka

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Re: Bärenmühlhaus
« Antwort #2 am: 06. August 2012, 21:06:15 »
Off-topic Bärenmühle: Als Architekten werden angeführt: Heinrich Schmid und Hermann Aichinger sen. (beides Schüler Wagners). Assanierungsbau. "Ein Prestigeobjekt der christlichsozialen Propaganda, das gewissermaßen die "fortschrittlichen", angeblich metropolitanen Wirtschaftsinteressen des Ständestaates widerspiegeln sollte." Eigentlich hätte das Haus als Orientierungspunkt für weitere architektonische Maßnahmen am Karlsplatz dienen sollen. Dort, wo heute das Wettcafe ist war wohl lange Zeit ein "Café im Zeitstil".

Nachzulesen in "Das Rote Wien": http://www.amazon.com/Das-Rote-Wien-Helmut-Weihsmann/dp/3853711812.

N1

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Re: Bärenmühlhaus
« Antwort #3 am: 06. August 2012, 22:13:17 »
OT, Fortsetzung:


Quelle: Wien im Aufbau, Assanierungsfonds, 1937, S. 53


Quelle: Österreichische Kunst 1938/3, S. 17
"Der Raum, wo das stattfand, ist ziemlich groß."
Hans Rauscher

Laiseka

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Re: Bärenmühlhaus
« Antwort #4 am: 06. August 2012, 22:23:51 »
Dieses Haus ist per se nicht unbedingt häßlich. Wirklich häßlich wird es durch die katastrophale Lage bzw. durch den vielen Autoverkehr in dieser Gegend... . Auf der einen Seite erschlägt einem ein grauer Wohnblock, auf der anderen Seite der Autoverkehr. Schade, denn gerade dort halten sich z.B. sehr viele Touristinnen und Touristen bzw. Fußgängerinnen und Fußgänger auf.


p.s. vielleicht kann man das Thema hier abtrennen und woanders hinzufügen?

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Re: Bärenmühlhaus
« Antwort #5 am: 06. August 2012, 22:46:38 »
Die alte Bärenmühle mit der Gaststätte schaut ja richtig einladend aus. Macht mir Lust auf ein kühles Krügerl Bier. Abgeschottet von der Verkehrshölle.

Die neue Bärenmühle habe ich eigentlich nie wirklich beachtet. Habe sie immer als ein Hindernis empfunden, das in das heimelige Gasserlwerk rund um das alte Freihaus nicht hineinpaßt und dort wie ein Fremdkörper wirkt.

Zur alten Bärenmühle aber eine Frage: weiß jemand, von wo genau und in welche Richtung das Photo aufgenommen worden ist? Die Straße im Vordergrund mit dem Geländer wird ja wohl nicht die Rechte Wienzeile sein, denn dann müßten dort ja Gleise der WT bzw. des 63ers liegen.

N1

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Re: Bärenmühlhaus
« Antwort #6 am: 06. August 2012, 23:17:04 »
Im Vordergrund sieht man die Operngasse, deren Verlängerung mitten durch das alte Freihaus führte, dessen Reste auf der linken Bildhälfte im Hintergrund festgehalten sind. Das schmale, ungefähr in der Bildmitte auszumachende Gässchen ist die Mühlgasse. Ganz rechts müsste die Rechte Wienzeile verlaufen. Vgl. auch hier.

P.S.: Danke für's Abtrennen der Beiträge. Leider gingen aber beim Umzug die Punkterl über dem ersten "a" verloren. :D
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Hans Rauscher

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Re: Bärenmühlhaus
« Antwort #7 am: 08. August 2012, 00:09:51 »
@N1: Danke für die Erklärungen. D.h. die (verlängerte) Operngasse war in diesem Bereich erhöht und der die Operngasse verstellende Altbestand des Freihauses bereits demoliert, sodaß sich die (verlängerte) Operngasse so wie heute schon bis zur Margaretenstraße hinzog. Die mit Reklame versehene Feuermauer in der linken Bildhälfte stellt also die Abbruchstelle des damals noch bestehenden zum bereits demolierten Freihaustrakt für den Operngassendurchbruch dar. Das war mir so nicht bewußt, daß eine so urzeitlich aussehende Straßenkonstruktion doch erst neueren Datums war.

Auch war mir nicht bewußt, daß damals die Mühlgasse bis zur Friedrichstraße durchging, denn heute beginnt diese ja erst bei der Faulmanngasse. Nach dem Abriß des auf dem Photo noch sichtbaren Westflügels des Freihauses zu einem späteren Zeitpunkt und dem Neubau der westlichen Häuserzeile der (verlängerten) Operngasse muß offenbar die Mühlgasse Richtung Stadt abgesperrt, sukzessive gekürzt und zur Sackgasse degradiert worden sein. Heute scheinen nicht einmal mehr die Reste der Sackgasse übriggeblieben zu sein, denn der ganze Bereich bis zur Faulmanngasse ist offenbar schon verbaut.

Die alte Bärenmühle scheint in rechtwinkeliger Form parallel zur Rechten Wienzeile ausgerichtet gewesen zu sein, was den spitzen Winkel zum übriggebliebenen Freihaustrakt erklärt. Den von Dir referenzierten Plänen zufolge muß also diese Bärenmühle noch vor den sichtbaren Resten des Freihauses demoliert und neu errichtet worden sein.

Das Photo mit der alten Bärenmühle muß also zwischen 1912 (Operngassendurchbruch noch nicht vorhanden) und 1937 (neue Bärenmühle bereits vorhanden) entstanden sein.

Ein Datum drängt sich mir in diesem Zusammenhang aber auf: Am 30. September 1924 wurde die Gleisanlage Verlängerter Getreidemarkt – Rechte Wienzeile – südlicher Karlsplatz bis Akademiestraße für die Zweierlinie (statt Linke Wienzeile - Friedrichstraße - nördlicher Karlsplatz bis Akademiestraße) in Betrieb genommen, nachdem der Naschmarkt dort durchbrochen und verkürzt und das Verkehrsbüro errichtet und am 30. August 1923 eröffnet worden war.  Das legt die Vermutung nahe, daß in diesem Zusammenhang auch der Freihausdurchbruch und die verlängerte Operngasse angelegt wurden.


N1

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Re: Bärenmühlhaus
« Antwort #8 am: 08. August 2012, 01:50:23 »
Zitat
Der letzte Besitzer aus dem Starhemberg'schen Geschlecht, Fürst Kamillo, verkaufte 1872 den Besitz [gemeint sind die Freihausgründe samt Freihaus, Anm.] an die Franco-österreichische Bank, die ihn ein Jahr später an die Wienerberger Ziegelwerksgesellschaft und an den Freiherrn von Drasche weiter verkaufte. 1913 erwarb ihn die Union-Baugesellschaft zur Demolierung und Neuverbauung. Der Ausbruch des Weltkrieges verhinderte die Durchführung, es blieb bei dem Umbau einiger Häuser Ecke Schleifmühlgasse und Mühlgasse in den Jahren 1914 und 1915 und der Errichtung der Krankenkasse der Gastwirtschaftlichen Gehilfen und des Porrhauses auf den ehemaligen Naschmarktgründen nach dem Kriege.

Erst der Initiative des Bürgermeisters Richard Schmitz* war es zu danken, daß im Jahre 1936 unter Opfern für die Stadt Wien die verlängerte Operngasse bis zur Margaretenstraße durchgebrochen und der privaten Bautätigkeit Gelegenheit geboten wurde mit Hilfe des Wiener Assanierungsfonds moderne Wohnhäuser auf den neugeschaffenen Baustellen nicht nur dieser Straße, sondern auch an der Rechten Wienzeile und der Faulmanngasse zu errichten.
Quelle: Wien im Aufbau, Assanierungsfonds, 1937, S. 44

Wenn der Wunsch besteht, scanne ich bei Gelegenheit die die Bautätigkeiten auf den Gründen des ehemaligen Freihauses betreffenden Seiten des angegebenen Heftes ein und stell die Scans dann ins Forum.
_____

*) Im Original gesperrt.
"Der Raum, wo das stattfand, ist ziemlich groß."
Hans Rauscher

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Re: Bärenmühlhaus
« Antwort #9 am: 08. August 2012, 08:09:37 »
@N1: Herzlichen Dank. Das ist sehr interessant. Ich habe mich schon lange gefragt, wann und wie sich dieses Eck eigentlich entwickelt hat. Über dieses Eck kenne ich auch kaum Photos.

Jetzt ist aber auch klar, daß der Durchbruch des Freihauses mit der Operngasse nichts unmittelbar mit dem Verlegen der Zweierlinie auf den südlichen Karlsplatz, der Verkleinerung des Naschmarktes und der Errichtung des Verkehrsbüros zu tun hat. Von der Zweierlinie in diesem Bereich existieren ja wahrscheinlin auch kaum Photos. Ich jedenfalls kenne keine, z.B. einen Tramwayzug mit dem alten Bärenmühlenhaus bzw. dem Freihaus im Hintergrund. Noch vor der Verlegung der Zweierlinie müßte es dort ja auch bereits die Gleise des 63ers bzw. Vorgängers (WT) gegeben haben. Davon sind mir auch keine Photos bekannt.

Interessant ist auch das niedrigere Niveau der alten Bärenmühle. Vermutlich hat sich dort das Niveau bereits Richtung (offenen) Wienfluß abgesenkt.

Der von Dir zitierte Artikel wäre sicher sehr interessant.

moszkva tér

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Re: Bärenmühlhaus
« Antwort #10 am: 08. August 2012, 08:38:20 »
@N1: Danke für die Erklärungen. D.h. die (verlängerte) Operngasse war in diesem Bereich erhöht ...
Im Zuge der Wienflussregulierung wurde auch das flussnahe Gelände um gute 2 Meter aufgeschüttet. Man kann das alte Geländeniveau immer noch bei vereinzelten Gebäuden an der Rechten und Linken  Wienzeile sehen:
Linke Wienzeile 46 (das Haus neben der Versicherungsanstalt der Eisenbahner) hat beispielsweise einen tiefergelegten Vorgarten, genau aus dem Grund. Das gegenüberliegende Eckhaus in der Stiegengasse wiederum hat einen Eingang, der im Mezzanin liegt. Offensichtlich wurde es nach der Regulierung errichtet und es wurde geplant, noch weiter aufzuschütten.

Man erkennt auch, dass die Straßen aus dem 6. Bezirk zum Wienfluss zuerst hinunterlaufen und dann nach einer Kompression wieder eine kleine Steigung zum Fluss hin haben. Diese Kuhle hätte wohl langfristig entfernt werden sollen, und das erhöhte Haus, bei dem der Keller praktisch oberirdisch liegt, war schon dafür ausgelegt.

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Und wenn man etwas sucht, findet man mehrere solche Häuser.
Auch am Heumarkt gibts eine Häuserzeile, deren Erdgeschoß deutlich unter dem Straßenniveau liegt: Hinter dem Eislaufverein, da wo das tolle Café am Heumarkt ist und auch der Gmoakeller.

So ist auch die Dammschüttung der neuen Operngasse zu sehen. Das gesamte Freihausviertel als Altbestand lag ja tiefer als die Geländeoberkante nach der Wienflussregulierung.


coolharry

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Re: Bärenmühlhaus
« Antwort #11 am: 08. August 2012, 09:00:17 »
@N1: Danke für die Erklärungen. D.h. die (verlängerte) Operngasse war in diesem Bereich erhöht ...
Im Zuge der Wienflussregulierung wurde auch das flussnahe Gelände um gute 2 Meter aufgeschüttet. Man kann das alte Geländeniveau immer noch bei vereinzelten Gebäuden an der Rechten und Linken  Wienzeile sehen:
Linke Wienzeile 46 (das Haus neben der Versicherungsanstalt der Eisenbahner) hat beispielsweise einen tiefergelegten Vorgarten, genau aus dem Grund. Das gegenüberliegende Eckhaus in der Stiegengasse wiederum hat einen Eingang, der im Mezzanin liegt. Offensichtlich wurde es nach der Regulierung errichtet und es wurde geplant, noch weiter aufzuschütten.

Man erkennt auch, dass die Straßen aus dem 6. Bezirk zum Wienfluss zuerst hinunterlaufen und dann nach einer Kompression wieder eine kleine Steigung zum Fluss hin haben. Diese Kuhle hätte wohl langfristig entfernt werden sollen, und das erhöhte Haus, bei dem der Keller praktisch oberirdisch liegt, war schon dafür ausgelegt.

(Dateianhang Link)

Und wenn man etwas sucht, findet man mehrere solche Häuser.
Auch am Heumarkt gibts eine Häuserzeile, deren Erdgeschoß deutlich unter dem Straßenniveau liegt: Hinter dem Eislaufverein, da wo das tolle Café am Heumarkt ist und auch der Gmoakeller.

So ist auch die Dammschüttung der neuen Operngasse zu sehen. Das gesamte Freihausviertel als Altbestand lag ja tiefer als die Geländeoberkante nach der Wienflussregulierung.



Darf ich hier mal kurz den Geodatenviewer der Stadt ansprechen. Dort kann man sich, neben einem Luftbild aus 1956 und 1938 auch die Höhenlinien anzeigen alssen.
http://www.wien.gv.at/ma41datenviewer/public/start.aspx
Weil ein menschlicher Hühnerstall nicht der Weisheit letzter Schluß sein kann.