Autor Thema: [PM] Streitgespräch zu Wiener Verkehr: "Autofahren ist wie eine Droge"  (Gelesen 13233 mal)

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Der eine will die Citymaut, der andere ein Ende von Hitlers Garagenbauverpflichtung: Verkehrspolitik funktioniere zum Teil nach dem Henne-Ei-Prinzip, meinen Verkehrsplaner Harald Frey und der Grüne Rüdiger Maresch

STANDARD: Die Wiener Linien feiern jedes Jahr neue Fahrgastrekorde. Muss die Stadt eigentlich aufpassen, dass nicht zu viele Leute auf einmal auf die Öffis umsteigen?

Maresch: Wir haben, wie viele andere Großstädte, Probleme in der Hauptverkehrszeit, weil die Busse, die Straßenbahnen in unregelmäßigen Abständen daherkommen. Der Bus 13A ist ein Paradebeispiel: Er wird von Autos behindert, man wartet zum Teil 20 Minuten auf ihn, und dann kommen vier hintereinander.

STANDARD: Welcher Paradigmenwechsel ist zwingend notwendig?

Frey: Dass Stadterweiterung nicht nur U-Bahn-Bau bedeutet: Ein Kilometer kostet 200 Millionen Euro. Straßenbahn ist das wichtigste Zukunftsprojekt der Stadt.

STANDARD: Ist es dann klug, nach Oberlaa eine U-Bahn zu bauen?

Maresch: Das war so schon vor der Koalition ausgemacht. Jetzt ist es wichtig, auch den Oberflächenverkehr zu verdichten.

Frey: Man hat vier Jahrzehnte lang U-Bahnen gebaut und war damit relativ erfolgreich. Jetzt aber schießt man übers Ziel hinaus. Meiner Meinung nach ist mit der Verlängerung der U1 und der U2 die Geschichte vorläufig abgeschlossen.

Maresch: Jetzt geht es um Beschleunigungsmaßnahmen. In Zürich etwa schalten Ampeln auf Grün für die Straßenbahn. Wir prüfen das für den 43-er. Es kann nicht sein, dass eine Straßenbahn bei jeder Ampel steht.

STANDARD: Kommt Wien an der Citymaut überhaupt vorbei?

Maresch: Meiner Meinung nach nein.

Frey: Ich sag Ja.

Maresch: Du glaubst, wir brauchen sie nicht?

Frey: Die Entwicklung der letzten Jahre zeigt, wie wirksam andere Maßnahmen sein können.

Maresch: Es gibt Spielraum bei der Parkraumbewirtschaftung. Aber ich glaube nach wie vor, dass die Citymaut langfristig was bringt.

Frey: Ein großes Problem bei der Reduktion der Autos in Wien ist die Stellplatzverpflichtung: Es ist gesetzlich vorgeschrieben, für jede neue Wohnung einen Parkplatz mitzubauen.

STANDARD: Die wurde auf 0,7 Parkplätze pro Wohnung reduziert.

Frey: Für einzelne Projekte und nur mit Gemeinderatsbeschluss. Die Reichsgaragenordnung wurde noch von Hitler installiert. Die Politik ist hier nicht sehr flexibel.

Maresch: Da hast du recht. Wer an der Oberfläche billig parken kann, wird keine Garage mieten.

Frey: Mit dem Parkpickerl garantiert ihr den Leuten einen Parkplatz um wenig Geld, deswegen parken alle oben, und wir bauen Garagen, die wir nicht brauchen.

STANDARD: Wie wichtig ist der Ausbau der Schnellbahn?

Maresch: Der wäre sehr sinnvoll. Allerdings gibt es für manche Strecken keine Einigung über die Finanzierung zwischen Wien und Niederösterreich.

STANDARD: Ist die Jahreskarte zu 365 Euro denn haltbar?

Frey: Die Frage ist: Woher kommt das Geld, und entstehen für die Politik Abhängigkeiten?

Maresch: Wir müssen Mittel aus der Parkraumbewirtschaftung verwenden, um die Öffis auszubauen und aufzuwerten. Man muss sich daran gewöhnen, dass Autofahren etwas kostet.

STANDARD: Viele Menschen sind aber auf ihr Auto angewiesen.

Maresch: Das ist ein Henne-Ei-Prinzip: In Wiener Neudorf etwa gibt es einen Bus, der fährt nicht nach 21 Uhr. Wenn ich nachfrage, warum, heißt es, dass keiner damit fahren würde. Also müssen alle das Auto nehmen. Und deswegen gibt es nachts keinen Bus.

Frey: Ich glaube, dass nicht mehr als fünf bis zehn Prozent des Autoverkehrs notwendig sind.

Maresch: Innerhalb des Gürtels braucht man so gut wie nie ein Auto, außer man hat ein Gebrechen oder muss etwas transportieren.

STANDARD: Wie sieht es mit Verbesserungen für Radfahrer aus?

Maresch: Es muss Strecken geben, wo man schnell fahren kann. Auf der Mariahilfer Straße etwa wird es nicht gehen, hier müssen Radfahrer auf Fußgänger Rücksicht nehmen. Aber auch die Fußgänger müssen sich emanzipieren.

Frey: Es braucht eine neue Planung von Rad- und Fußwegen. Man ist dazu übergegangen, die Reglements vom Autoverkehr auf den Radverkehr zu übertragen. Diese Überreglementierung verursacht eine Pseudosicherheit.

Maresch: Wir haben in Wien 1200 Ampeln, die Frage ist, ob wir alle brauchen.

STANDARD: Wie erklären Sie sich die Emotionalität beim Thema Auto?

Frey: Weil das Auto auf ganz tiefe evolutionäre Schichten bei uns anspricht. Es ermöglicht Fortbewegung im Sitzen mit enorm hohen Geschwindigkeiten. Das erzeugt emotionale Bindung.

Maresch: Da wird medial die angebliche letzte Freiheit verteidigt.

Frey: Autofahren ist wie eine Droge. Wenn man etwas wegnimmt, entstehen Entzugserscheinungen. Aber die Leute sind nicht böse – sie verhalten sich so, wie die Verkehrsplanung es ihnen vorgibt. (Julia Herrnböck, DER STANDARD, 23./24.2.2013)

RÜDIGER MARESCH (60) ist Grüner Verkehrssprecher im Landtag. HARALD FREY (34) ist Verkehrsplaner an der Technischen Uni Wien.

Quelle: http://derstandard.at/1361240859760/Streitgespraech-Autofahren-ist-wie-eine-Droge
Ich verstehe das Konzept dahinter nicht und bin generell dagegen.

158er

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Re: [PM] Streitgespräch zu Wiener Verkehr: "Autofahren ist wie eine Droge"
« Antwort #1 am: 24. Februar 2013, 11:51:23 »
Wow. Da sind ganz viele Dinge drinnen, von denen wir jahrelang sprechen. Hoffentlich wird auch was davon umgesetzt, die 43er-Beschleunigung wärs zum Beispiel  :up:

B. S. Agrippa

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Re: [PM] Streitgespräch zu Wiener Verkehr: "Autofahren ist wie eine Droge"
« Antwort #2 am: 24. Februar 2013, 12:48:05 »
Das Thema Ampeln ist auch ganz wesentlich, an großen Kreuzungen sind sie vertretbar, aber gerade in der Peripherie oder an unbedeutenden innerstädtischen Kreuzungen würden sich Kreisverkehre bzw. das Shared Space-Modell weitaus besser anbieten.

Edit: ein nicht unwichtiger Punkt wurde ausgelassen, nämlich der von Öffis in Fußgängerzonen, aber das scheint nach wie vor ein Tabuthema zu sein. Wird das Dogma "Keine Bim in der FuZo" erst einmal fallen gelassen, dann ist die Verkehrsberuhigung der Mariahilfer Straße erst der Anfang, mark my words.

HLS

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Re: [PM] Streitgespräch zu Wiener Verkehr: "Autofahren ist wie eine Droge"
« Antwort #3 am: 24. Februar 2013, 13:07:59 »
Auch wäre es an vielen Ampelkreuzungen, mit dem einfach Rechts vor Links, sch erledigt und man spart unmengen an CO2.
"Grüß Gott"

Ich fühle mich nicht zu dem Glauben verpflichtet, dass derselbe Gott, der uns mit Sinnen, Vernunft und Verstand ausgestattet hat, von uns verlangt, dieselben nicht zu benutzen. Dieter Nuhr

Linie 41

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Re: [PM] Streitgespräch zu Wiener Verkehr: "Autofahren ist wie eine Droge"
« Antwort #4 am: 24. Februar 2013, 13:28:12 »
Auch wäre es an vielen Ampelkreuzungen, mit dem einfach Rechts vor Links, sch erledigt und man spart unmengen an CO2.
Das wäre auch an vielen Kreuzungen ohne Ampel wesentlich sinnvoller als die Übertafelung mit Stopschildern und Nachrangdreiecken.
Ich verstehe das Konzept dahinter nicht und bin generell dagegen.

Bus

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Re: [PM] Streitgespräch zu Wiener Verkehr: "Autofahren ist wie eine Droge"
« Antwort #5 am: 24. Februar 2013, 13:46:06 »
"Man prüft das für den 43er". Na hoffentlich braucht man nicht wieder eine Studie.

HLS

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Re: [PM] Streitgespräch zu Wiener Verkehr: "Autofahren ist wie eine Droge"
« Antwort #6 am: 24. Februar 2013, 14:57:57 »
Auch wäre es an vielen Ampelkreuzungen, mit dem einfach Rechts vor Links, sch erledigt und man spart unmengen an CO2.
Das wäre auch an vielen Kreuzungen ohne Ampel wesentlich sinnvoller als die Übertafelung mit Stopschildern und Nachrangdreiecken.
Bist du den des Wahnsinns? Das ergebe dann einen Stau bis zum Pluto, weil sich keiner mehr auskennt. :))
Außerdem sind diese schönen Schildchen, der Wald einer Stadt. Warum willst du somit die CO2 fresser auch nocht sterben lassen?  ;D

So wieder mal ernsthaft. Klar es wäre viele Schilder die man ohne weiteres entfernen kann, weil sie praktisch zwecklos sind, außerdem senkt, das einfach Rechts vor Links, das Unfallrisiko, weil alle ein wenig mehr Rücksicht nehmen müssen.
"Grüß Gott"

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raifort1

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Re: [PM] Streitgespräch zu Wiener Verkehr: "Autofahren ist wie eine Droge"
« Antwort #7 am: 24. Februar 2013, 17:18:20 »
Ja, wäre logisch, wenn in Österreich nicht zwei Arten von Rechtsvorrang gebe, einmal rechts vor links, aber dann gibt es noch mit Vorranggeben-Zeichen abgesicherte Rechtskommende. Die Stoptafel erwähne ich garnicht. Sollte im Verlauf einer Gasse/Straße eine von rechtskommende Kreuzung/Einmündung nur schwer zu erkennen sein, wird in Frankreich das Verkehrszeichen 'Kreuzung' verwendet. Diese vernünftige Handhabung reduziert die Zahl der Verkehrszeichen erheblich.

haidi

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Re: [PM] Streitgespräch zu Wiener Verkehr: "Autofahren ist wie eine Droge"
« Antwort #8 am: 24. Februar 2013, 17:22:15 »
Mit der Reichgsgaragenordnung von Hitler ist Maresch Frey aber am falschen Dampfer - möge er sich doch die vielen Wohnbauten aus den Fünfzigern, Sechzigern und auch noch Siebzigern anschauen, die ohne Garagen gebaut wurden. Die Garagenverpflichtung ist Gemeindeangelegenheit und fußt in den Bauordnungen der Bundesländer. Was die einen der EU unberchtigter Weise in die Schuhe schieben, schieben die Gründen dem Hitler in die Schuhe.
Hannes

Edit: Korrigiert auf Grund des Hinweises von T1 im folgenden Posting
Microsoft is not the answer. It's the question and the answer is NO.

T1

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Re: [PM] Streitgespräch zu Wiener Verkehr: "Autofahren ist wie eine Droge"
« Antwort #9 am: 24. Februar 2013, 18:02:02 »
Also ein Streitgespräch kann ich hier nirgendwo erkennen… ??? Aber immerhin – wiedermal – einige durchaus positive Äußerungen.

Was die einen der EU unberchtigter Weise in die Schuhe schieben, schieben die Gründen dem Hitler in die Schuhe.
Und du schiebst dem Maresch was in die Schuhe, was der Frey gesagt hat. ::) :P

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Re: [PM] Streitgespräch zu Wiener Verkehr: "Autofahren ist wie eine Droge"
« Antwort #10 am: 24. Februar 2013, 19:09:55 »
Die Grünen sind ein Glücksfall für Wien (YMMV), denn sie reißen die SP aus ihrer selbstauferlegten Lethargie, was halbwegs moderne und intelligente Verkehrspolitik betrifft.
Mit uns kommst du sicher... zu spät.

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Re: [PM] Streitgespräch zu Wiener Verkehr: "Autofahren ist wie eine Droge"
« Antwort #11 am: 24. Februar 2013, 19:17:20 »
ja, siehe U1 nach Oberlaa  ;D

13er

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Re: [PM] Streitgespräch zu Wiener Verkehr: "Autofahren ist wie eine Droge"
« Antwort #12 am: 24. Februar 2013, 19:18:55 »
ja, siehe U1 nach Oberlaa  ;D
Ein Verbrechen, das uns allen finanziell leider noch gehörig auf den Kopf fallen wird, aber das halt schon lange vor den Grünen beschlossen wurde.
Mit uns kommst du sicher... zu spät.

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Re: [PM] Streitgespräch zu Wiener Verkehr: "Autofahren ist wie eine Droge"
« Antwort #13 am: 24. Februar 2013, 19:51:29 »
Sollte im Verlauf einer Gasse/Straße eine von rechtskommende Kreuzung/Einmündung nur schwer zu erkennen sein,
... muss der Autolenker die Geschwindigkeit reduzieren, da er ja auf Sicht fährt. :lamp:

Im Übrigen ist es Sache einer funktionierenden Verkehrs-, Stadt- und Raumplanung, Situationen mit schlechten Sichtbeziehungen so zu adaptieren, dass diese Sichtbeziehungen verbessert werden oder der Verkehr zu erheblicher Temporeduktion gezwungen wird. Sollten sich die Sichtbeziehungen dann immer noch nicht als adäquat darstellen, muss man einen Schritt weiter (!) gehen und das Tempo des Individualverkehrs auf Null senken, sprich, man passt die Verkehrsführung so an, dass die Gefahrenstelle durch Verkehrsentfernung entschärft ist. Nirgends steht, dass auf jeder Straße Platz für Autos sein muss.
Es ist nichts so fein gesponnen, es kommt doch ans Licht der Sonnen!
... brrrr, Klumpert!
Entklumpertung des Referats West am 02.02.2024 um 19.45 Uhr planmäßig abgeschlossen!

B. S. Agrippa

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Re: [PM] Streitgespräch zu Wiener Verkehr: "Autofahren ist wie eine Droge"
« Antwort #14 am: 24. Februar 2013, 23:16:53 »
ja, siehe U1 nach Oberlaa  ;D
Ein Verbrechen, das uns allen finanziell leider noch gehörig auf den Kopf fallen wird, aber das halt schon lange vor den Grünen beschlossen wurde.
Eine U1 auf den Rothneusiedler Erdäpfelacker wäre ein noch viel größeres Verbrechen gewesen, und killen konnte man das gesamte U1-Süd-Projekt auch nicht mehr weil zumindest die Verlängerung zur Alaudagasse längst beschlossene Sache war, somit ging es nur mehr darum, wohin die U1 künftig fährt, und da ist die Führung nach Oberlaa sicherlich einer Endstelle bei der Alaudagasse vorzuziehen.

Zu den Ampeln: die Bevölkerung verdummt, ist leider so. Wir bekommen mittlerweile überall gesagt was wir zu tun haben, das gilt gleichermaßen für den Öffentlichen ("Infoterror") wie auch für den Individualverkehr (Ampeln, Schilder, Navi etc.). Das führt unweigerlich dazu, dass sich die Leute nicht mehr so viel merken müssen wie einst und mit der Zeit viele obsolet gewordene Details vergessen. Man erkennt das besonders gut bei Kreisverkehren, wo die wenigsten Kfz-Lenker tatsächlich exakt wissen, wie man sich an einem solchen zu 100% richtig verhält. Wenn man jetzt auch noch Ampeln und Schilder entfernt und nur nach den primitivsten Verkehrsregeln (das inkludiert natürlich genauso jegliche Spezial- bzw. Ausnahmeregelungen) fahren lässt, die ein signifikanter Teil der Autofahrer vielleicht nicht mehr ganz intus hat - und gleichzeitig zu faul ist diese nachzuschlagen - dann schepperts pausenlos...