Autor Thema: [PM] Die U6 hat ein Drogenproblem  (Gelesen 4492 mal)

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[PM] Die U6 hat ein Drogenproblem
« am: 06. Februar 2015, 10:31:12 »
Wien. Es ist Montagmittag in der U-Bahnstation Josefstädter Straße. In einer Ecke dösen zwei Suchtkranke zwischen gebrauchten Spritzen und Bierdosen auf dem Boden, zwei Schritte weiter beflegeln sich zwei Betrunkene, einer davon zeigt dem anderen sein nacktes Hinterteil. Die vorbeigehenden Fahrgäste der U6 und der Straßenbahnlinie 2 verziehen angeekelt das Gesicht und entfernen sich so schnell wie möglich.

Szenen wie diese sind für den Verkehrsknotenpunkt nicht unüblich. Bereits seit einigen Jahren entwickelt sich dort ein sozialer Brennpunkt. Täglich halten sich mehrere Dutzend Personen um die Station auf. Dabei kommt es immer wieder zu Pöbeleien, hie und da geht man als Passant an einer Blutlacke vorbei. Es wäre einfach, die Schuld beim nebenanliegenden Tageszentrum für Obdachlose, genannt "Josi", zu suchen. Doch die Einrichtung der Stadt Wien befindet sich bereits seit 25 Jahren dort, während sich die örtliche Drogenproblematik erst in den vergangenen Jahren verstärkt hat.

Der Josi-Betreiber, der Fonds Soziales Wien, weist diesen Vorwurf zurück. Die Josi sei für Menschen in schwierigen Situationen, die meisten akut obdachlos. "Rund um die U6-Station Josefstädter Straße gibt es aber auch noch andere Personen, die sich dort aufhalten, etwa Suchtkranke, die die Josi kaum nutzen. Für Anwohner und Passanten sind diese Gruppen auf den ersten Blick oft nicht zu unterscheiden, sehr wohl aber für geübte Sozialarbeiter", so ein Sprecher des Fonds.

Eine Einschätzung, die auch von den anliegenden Bezirken und der Polizei geteilt wird. Was viel mehr als Grund gesehen wird, ist eine teilweise Verlagerung der ehemaligen Karlsplatz-Szene und die zentrale Lage der Station zwischen der Suchtberatungsstelle "Change" in der Nußdorfer Straße und der Beratungsstelle "jedmayer" am Gumpendorfer Gürtel.

Hannes Schindler, Bereichsleiter für mobile soziale Arbeit bei der Suchthilfe Wien kann das nicht bestätigen. "Hauptsächlich halten sich alkoholkranke Menschen länger im öffentlichen Raum auf, kurzfristig sind auch suchtkranke Menschen am Platz", so Schindler. Das Maßnahmenpaket "Karlsplatz 2010" habe dafür gesorgt, dass suchtkranke Menschen vermehrt die niederschwelligen Suchthilfeeinrichtungen nützen. Der Sozialarbeiter spricht von einer wahrnehmbaren Entspannung der Situation durch den Einsatz von Streetworkern und von der sozialen Verantwortung, die die Stadt Wien habe, für das Wohl aller sozialen Gruppen zu sorgen.

Dass auch Suchtberatungsstellen irgendwohin müssten sei klar, doch man achte darauf, diese dem "solidarischen Prinzip" gemäß über alle Wiener Bezirke zu verteilen. Nutzer der Station, die mit der Suchtgiftszene nichts zu tun haben, zeigen sich dennoch zunehmend entnervt. Besonders betroffen sind die Lokaleigentümer rund um die Station. Thomas Ploner, Chef des Café Carina, das sich im Gebäude der U-Bahnstation befindet, schickt voraus, dass die Problematik auch seiner Ansicht nach nichts mit der Josi zu tun hat, sondern ein eigenständiges Problem sei, das sich etwa 2010 entwickelt hätte.

Null Prozent unsicherer als woanders

Die beiden Suchthilfezentren hätten die dazwischen liegenden U6-Stationen "zu einem Dealer- und Junkiegetto" gemacht. "Die Situation wird sich also kaum ändern, solange städteplanerisch alles getan wird, um diesen U6-Abschnitt für Drogenkonsumenten und Händler attraktiv zu machen", wettert Ploner. Die Situation beeinträchtige das Carina, man habe enorme Umsatzverluste und verliere immer mehr Laufkundschaft. Ploner erzählt auch von Polizei- und Rettungseinsätzen mehrmals täglich wegen Schlägereien, Drogendelikten, Diebstahl und Vandalismus. Die Vorfälle würden sich oft auch ins Lokal ziehen, wenn Täter flüchten oder Opfer Zuflucht suchen würden.

Die Bezirksvertretungen von Ottakring und der Josefstadt erzählen eine andere Geschichte. Seit zwei, drei Jahren beschäftige man sich mit der Entlastung der Station. Die Bezirke teilen sich eine Sonderstreife der Polizei und finanzieren unter Beteiligung der Stadt Wien gemeinsam die mobile Sozialarbeit und Drogen- und Suchtkoordination "sam", die täglich vor Ort ist. Dies koste jeden der beiden Bezirke 40.000 Euro im Jahr, so die Bezirksvorsteherin der Josefstadt, Veronika Mickel (ÖVP). Man wolle das Problem keineswegs herunterspielen, heißt es auch vonseiten der stellvertretenden Bezirksvorsteherin von Ottakring, Eva Weißmann (SPÖ). "Es geht um Streitereien innerhalb der Szene, aber es ist um null Prozent unsicherer als andere Örtlichkeiten. Wenn Sie oder ich dort in die U-Bahn einsteigen, passiert genau gar nichts", gibt sie zu bedenken. Ihre Sicht wird auch von der Polizei bekräftigt.

Neugestaltung des Platzes soll Problem lösen

Geplant ist nun eine Neugestaltung des Platzes um die U6-Station Josefstädter Straße. Man wolle vor allem die beiden Kioske, um die sich die Suchtkranken zumeist scharen, aus dem Weg haben. "Die sind einfach im Weg. Durch die Kioske bildet sich für die Fußgänger ein Nadelöhr, was natürlich zusätzlich unangenehm ist", sagt Veronika Mickel. Gleichzeitig möchte man wieder eine Toilettenanlage in der Station haben und den Gehsteig um die Station durch neue Pflasterung und Begrünung attraktiver machen, wie dies auf der anderen Straßenseite vor dem neuen Hochhaus bereits passiert sei. Alles solle heller, transparenter und besser einsichtig werden.

Das Projekt wird teuer für beide Bezirke. Allein auf Josefstädter-Seite belaufen sich die Kosten nach gegenwärtiger Planung auf eine Million Euro. Das ist beinahe die Hälfte des Betrags, der dem Bezirk jährlich als Gesamtbudget zur Verfügung steht. Man bemühe sich nun, die Stadt Wien als Finanzierungspartner zu gewinnen und bewerbe sich um eine EU-Förderung.

Weißmann betont aber, dass sich alle dort aufhalten dürfen. "Da stehen wir dazu. Es ist zum Teil nicht schön anzuschauen, aber es ist ein Faktum, dass es Drogenkranke und alkoholkranke Menschen in dieser Großstadt gibt und aus."


Q: http://www.wienerzeitung.at/nachrichten/wien/stadtleben/732986_Die-U6-hat-ein-Drogenproblem.html
Es ist nichts so fein gesponnen, es kommt doch ans Licht der Sonnen!
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moszkva tér

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Re: [PM] Die U6 hat ein Drogenproblem
« Antwort #1 am: 06. Februar 2015, 21:07:54 »
Weißmann betont aber, dass sich alle dort aufhalten dürfen. "Da stehen wir dazu. Es ist zum Teil nicht schön anzuschauen, aber es ist ein Faktum, dass es Drogenkranke und alkoholkranke Menschen in dieser Großstadt gibt und aus."[/color]
:up: :up: :up:

Es mag vielen nicht gefallen, ist aber Fakt! Besser, die Probleme sind sichtbar und kratzen jeden, als sie sind unter der Oberfläche und eruptieren eines Tages wie ein Vulkan!

Petersil

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Re: [PM] Die U6 hat ein Drogenproblem
« Antwort #2 am: 07. Februar 2015, 11:19:16 »
Im Sinne einer nachhaltigen Verkehrspolitik ist das allerdings nicht. Die Verkehrsmittelwahl der Leute richtet sich nach einer ganzen Menge von subjektiven Faktoren. Eine Station, in deren Umkreis lauter Junkies und Alkoholiker herumkugeln, kann für ängstlichere Leute ein Grund sein, nicht mehr der U- bzw. Straßenbahn zu fahren, sondern mit ihrem geliebten 4-rädrigen Untersatz (siehe die Diskussion mit dem User Ferry in einem anderen Thread). Im Autoverkehr spielen Junkies ja unfairerweise keine große Rolle, obwohl ja lt. Modalsplit ein nicht zu vernachlässigender Teil der Wege damit zurückgelegt wird.

Im übrigen wäre ich dafür, als Sofortmaßnahme rund um die Gürtelstationen öfter zu reinigen. Das betrifft ja nicht nur die Josefstädter Straße, sondern auch den Urban-Loritz-Platz mit seinem Flugdach, das zwar irgendwann modern war, aber leider dafür sorgt, dass der Regen nicht mehr auf den Boden trifft.

Als nächstes wäre es sinnvoll, die Fressstandln rund um die Gürtelstationen abzubauen, aber das ist laut Artikel ja eh geplant. Generell gibt es in Wien zu viele von denen, während gleichzeitig die Erdgeschoße veröden.

Linie 41

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Re: [PM] Die U6 hat ein Drogenproblem
« Antwort #3 am: 07. Februar 2015, 11:31:27 »
Das Problem ist, daß dort, wo früher nur ein Würschtler war, heute ein Würschtler, ein Kebab-Standl und ein Asia-Nudl-Stand herumstehen. Das ist eindeutig zu viel. Die Stadt könnte mit ihren Konzessionen etwas sorgsamer umgehen.
Ich verstehe das Konzept dahinter nicht und bin generell dagegen.

moszkva tér

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Re: [PM] Die U6 hat ein Drogenproblem
« Antwort #4 am: 07. Februar 2015, 13:14:42 »
Im Sinne einer nachhaltigen Verkehrspolitik ist das allerdings nicht. Die Verkehrsmittelwahl der Leute richtet sich nach einer ganzen Menge von subjektiven Faktoren. Eine Station, in deren Umkreis lauter Junkies und Alkoholiker herumkugeln, kann für ängstlichere Leute ein Grund sein, nicht mehr der U- bzw. Straßenbahn zu fahren, sondern mit ihrem geliebten 4-rädrigen Untersatz (siehe die Diskussion mit dem User Ferry in einem anderen Thread).
Ich meinte natürlich nicht, jetzt die sozialen Brennpunkte bei den U-Bahn-Stationen beizubehalten. Ich meinte nur, dass es gut ist, wenn allgemein sichtbar ist, dass soziale Probleme wie Alkohol-, Drogen-, Spielsucht, Obdachlosigkeit, Armut usw. einfach zu einer Stadt gehören, um so das Bewusstsein unter der Mehrheitsbevölkerung zu schärfen, dass hier soziale Maßnahmen gesetzt werden müssen.
Es gibt nichts Schlimmeres, als kleine Probleme immer zu verstecken ("wegen der Touristen"), bis irgendwann das Ganze explodiert. Das kann man auch im Kleinen in den heilen gutbürgerlichen Familien beobachten. Da ist immer demonstrativ alles super, bis plötzlich das Teenagerkind heroinsüchtig ist. Und keiner kann sich erklären, wie es soweit kam.

Zitat
Im Autoverkehr spielen Junkies ja unfairerweise keine große Rolle, obwohl ja lt. Modalsplit ein nicht zu vernachlässigender Teil der Wege damit zurückgelegt wird.
Drogen fahren besser als Autos. Drogen im Auto fahren am besten!  >:D :P
Ernsthaft: Mir sind 100 Junkies bei der U-Bahn-Station lieber als ein einziger Junkie hinter dem Lenkrad eines fahrenden Autos  :lamp:

Zitat
Im übrigen wäre ich dafür, als Sofortmaßnahme rund um die Gürtelstationen öfter zu reinigen.... Als nächstes wäre es sinnvoll, die Fressstandln rund um die Gürtelstationen abzubauen, ...
Das Problem ist, dass der Mittelbereich vom Gürtel nie eine Wohlfühlregion mit Aufenthaltsqualität werden wird. Um da was zu verbessern, muss man sich einfach mit Soft-Maßnahmen helfen: Reinigen, besser beleuchten, usw. So schlecht ist es ja am Westgürtel eh nicht, weil dank der Gürtellokale die Bögen und Stationen praktisch 24 Stunden belebt sind.
Man müsste auch mehr Platz schaffen, um Angsträume zu unterbinden. Das betrifft aber nicht nur die Fressstandln. Man könnte auch (Sakrileg!) je eine Fahrspur vom Gürtel entfernen und sie dem Mittelbereich zuschlagen. Dann wäre mehr Platz und man kann weniger in die Ecke gedrängt werden.  Gerade bei der Josefstädter ist die Situation wegen der 33er-Schleife ganz besonders beengt.

Linie 41

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Re: [PM] Die U6 hat ein Drogenproblem
« Antwort #5 am: 07. Februar 2015, 14:27:05 »
Zur Gegend mit Wohlfühlqualität wird der Gürtel wohl erst frühstens dann werden, wenn man die Anzahl der Spuren pro Fahrtrichtung auf maximal zwei reduziert.
Ich verstehe das Konzept dahinter nicht und bin generell dagegen.

Paulchen

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Re: [PM] Die U6 hat ein Drogenproblem
« Antwort #6 am: 07. Februar 2015, 14:31:49 »
Thomas Ploner, Chef des Café Carina, das sich im Gebäude der U-Bahnstation befindet, schickt voraus, dass die Problematik auch seiner Ansicht nach nichts mit der Josi zu tun hat, sondern ein eigenständiges Problem sei, das sich etwa 2010 entwickelt hätte.

Das passt zeitlich ganz gut zur Sanierung der Karlsplatzpassage, wo nach dem Florianiprinzip die Junkies verjagt wurden. Dass sich die nicht einfach in Luft auflösen, war ja abzusehen.

68er

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Re: [PM] Die U6 hat ein Drogenproblem
« Antwort #7 am: 07. Februar 2015, 14:34:15 »
Die Umgestaltung des Vorplatzes wird nicht viel bringen, obwohl es natürlich nicht schaden kann, die Standln zu entfernen.
Wirklich helfen würden breitere Eingangstüren des Stationsgebäudes, weil man momentan dank der mit ca. 1,5m außerordenlich schmalen Türen so richtig schön durch ein Junkie-Spalier schreiten muss. Für die Optik wäre es zwar nicht so toll, wenn jetztige Türen und die fixen Holzteile außen durch eine breitere Tür ersetzt würden, aber es ist ja kein Otto-Wagner-Museum, sondern eine U-Bahn-Linie.
Klarerweise ist es völlig ausgeschlossen, das auch nur anzudenken, weil die Damen und Herren des Denkmalamts in ihrer Dienstlimousine ja schon Alpträume bekommen, wenn die Stationen mit einer Farbe gestrichen würden, die nicht schon nach zwei Wochen wieder völlig verdreckt ist.