Poznań (dt. Posen), ungefähr auf halber Strecke zwischen Berlin und Warschau gelegen, ist ein Paradies für Straßenbahnfreunde. Nicht nur aufgrund der enormen Typenvielfalt - derzeit verkehren 12 Typen im Fahrgastverkehr - sondern auch aufgrund des ausgedehnten Gleisnetzes und einiger historischer Fahrzeugtypen westlichen Ursprungs, die sonst nur mehr selten im Planverkehr zu finden sind.
Die
Straßenbahngeschichte Poznańs begann 1880 mit der Einrichtung einer Pferdetramway nach deutschem Vorbild. 1898 waren daraus schon vier elektrifizierte Linien entstanden. Das Netz erreichte kurz vor dem Ersten Weltkrieg seine größte Ausdehnung. Die durch zahlreiche enge Gassen führenden Innenstadtlinien wurden in den 1930er-Jahren stillgelegt, Strecken in die Außenbezirke hingegen neu eröffnet. Das Netz und der Fuhrpark wiesen nach der "Schlacht um Posen" 1945 wie die Stadt selbst schwere Schäden auf, erst 1949 gab es wieder ausgedehnteren Personenverkehr. Während der Zeit des Kommunismus wurden zahlreiche Strecken in die neuen Satellitenstädte errichtet. Die bevölkerungsreichen nördlichen Bezirke der Stadt werden seit 1997 von einer Schnellstraßenbahnstrecke bedient, die als Alternative zu einer teureren U-Bahn ausgewählt worden war (ja, so gehts auch!). Wichtigen Anteil daran hatte der Stadtentwicklungsplan für Poznań 1994, der die Straßenbahn als tragenden Bestandteil des öffentlichen Verkehrsnetz festlegte und sich neben dem Netzausbau auch der Modernisierung des Fuhrparks und Beschleunigungsmaßnahmen verschrieb. 2007 wurde ein weiteres kurzes Schnellstraßenbahnstück eröffnet.
Für eine Stadt mit vergleichsweise geringer Einwohnerzahl (556.000) besitzt Poznań ein sehr ausgedehntes
Gleisnetz, das 2008 eine Länge von knapp 215 Kilometern erreichte (Vergleich Wien: 1,7 Millionen EW, 172 Kilometer). Es gibt 22 Linien, wovon 20 regulär untertags, eine des Nachts und eine als Touristenlinie mit Nostalgiefahrzeugen verkehren. Nahezu jeder Streckenabschnitt wird von drei oder mehr Linien befahren, daher muß man trotz durchschnittlicher Intervalle von 10 bis 15 Minuten nie lang auf einen Zug warten.
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Bild 1: Linienplan des Poznańer Straßenbahnnetzes. Im Norden befahren die Linien 12, 14, 15, 16 und 26 die Schnellstraßenbahnstrecke.
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Bild 2: Weniger erfreulich ist der Gleiszustand der meisten Streckenabschnitte. Solche Bilder sind leider mehr die Regel als die Ausnahme. Der schlechte Gleiszustand hindert die Fahrer allerdings nicht, auch höhere Geschwindigkeiten auszureizen. Manche Fahrzeugtypen, etwa der Combino, schaukeln dann schon recht kräftig hin und her.
Der
Fuhrpark der Straßenbahn Poznań ist sehr umfangreich. Insgesamt sind 331 Fahrzeuge von 12 verschiedenen Typen im Regelverkehr anzutreffen. Der Niederfluranteil beträgt derzeit magere 8%, durch Fahrzeugneuanschaffungen soll er in den nächsten Jahren sukzessive erhöht werden, auch die Typenvielfalt an Hochflurern wird dann wohl Geschichte sein.
Durch die folgende
Collage soll ein Überblick über die Typen erleichtert werden. Leider sah ich nicht alle Typen, bzw. war von manchen Gesehenen so begeistert, daß ich keine oder nur schlechte Fotos schoß. Die Bilder 1, 4, 9, 11 und 12 sind daher nicht von mir, sondern aus Wikipedia, der Vollständigkeit halber wollte ich Bilder von allen Typen hier unterbringen.
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Bild 3: 1: Konstal 102Na: Bj. 1970, im Stand: 1 Fahrzeug. Offiziell Museumsfahrzeug, aber regelmäßig im Fahrgasteinsatz. War bei unserem Besuch allerdings nicht unterwegs.
2: Konstal 105N: Bj. 1975, im Stand: 2 Fahrzeuge. Ebenfalls Museumsfahrzeuge, die Tandemgarnitur kommt allerdings regelmäßig in den Fahrgasteinsatz, so durften sie auch wir bewundern.
3: Konstal 105Na: im Stand: 204 Fahrzeuge. Polnisches Universalfahrzeug,
fast in jeder polnischen Stadt anzutreffen. 105Nas wurden von 1979 bis 1992 von der polnischen Firma Konstal erzeugt, die sich seit 2004 im Besitz von Alstom befindet. Gegenüber der Vorgängerserie 105N besitzen sie eine neu angeordnete Elektrik und Verbesserungen im Führerstand.
4: Düwag GT6: Bj. 1956-65, in Poznań seit 1996, im Stand: 2 Fahrzeuge. Neben Timișoara in Rumänien ist Poznań die letzte Stadt, in der die Wagen zum Einsatz kommen, die das Düsseldorfer Stadtbild jahrzehntelang prägten. Zwei der formschönen Fahrzeuge sind noch auf den Straßen Poznańs unterwegs, ich sah sie, habe aber leider kein Photo eines Wagens.
5: Düwag GT8: Bj. 1957-76, in Poznań seit 1998, im Stand: 48 Fahrzeuge. Weiterentwicklung des GT6-Triebwagens durch Verlängerung um einen Mittelteil, es existieren viele Abwandlungen. Auch in Polen verkehren unterschiedliche Versionen des Typs, die Wagen stammen aus Frankfurt und Düsseldorf. Für mich sind sie die eindeutig formschönsten und elegantesten Fahrzeuge, die in Poznań in zahlreichen gefälligen Lackierungsvarianten unterwegs sind.
6: Beijnes 3G: Bj. 1961, in Poznań seit 2003, im Stand: 7 Fahrzeuge. Achtachsige Ex-Amsterdamer Wagen, die von der holländischen Firma Bejines erzeugt wurden.
7: Tatra RT6N1: Bj. 1993-1996, im Stand: 10 Fahrzeuge. Poznań orderte zehn Fahrzeuge dieser nur 19 Fahrzeuge zählenden Kleinserie des tschechischen Herstellers ČKD Tatra. Es waren die ersten Tatra-Niederflurwagen und die ersten Niederflurwagen in Poznań (früher als in Wien, nicht schlecht).
8: Siemens Combino: Bj. 2003, im Stand: 14 Fahrzeuge. Die zweite Riege an Niederflurfahrzeugen bestellte Poznań bei Siemens, ein Jahr vor dem großen Combino-Skandal 2004 wurden sie ausgeliefert. Aktuell stellen die Wagen noch den Löwenanteil an Niederflurfahrzeugen, vermutlich wird sich das noch dieses Jahr ändern.
9: FPS 118N: Bj. 2007, im Stand: 1 Fahrzeug. Der dritte Niederflurversuch, diesmal hergestellt von der örtlichen Firma H. Cegielski - Poznań. Scheint nicht sehr beliebt gewesen zu sein, von einer Serienbestellung wurde abgesehen. War bei unserem Besuch nicht unterwegs.
10: Moderus Alfa HF04 AC: Bj. 2008, im Stand: 40 Fahrzeuge. Die Umbauten aus Konstal 105Na-Fahrzeugen wurden durch die Firma Modertrans Poznań durchgeführt, die Ursprungsfahrzeuge sind nicht wiederzuerkennen.
11: Solaris Tramino: Bj. 2011, im Stand: derzeit 1 Prototyp, 44 weitere Fahrzeuge bestellt. Bis zur Europameisterschaft 2012 sollen alle 45 Fahrzeuge der neuen Niederflurgeneration ausgeliefert sein. Seit 23. Jänner 2011 ist der Prototyp auf Poznańs Straßen unterwegs, gesehen haben wir ihn schon, allerdings hatte ich leider keine Zeit für ein Foto.
12: Moderus Beta MF 02 AC: Bj. 2011, im Stand: derzeit 2 Fahrzeuge, 22 weitere bestellt. Die ersten Fahrzeuge der Konstal 105Na-Umbauten mit eingefügtem Niederflurmittelteil (im Gegensatz zu den Moderus Alfa) sind seit 17. Mai 2011 auf Poznańs Straßen unterwegs. Federführend beim Umbau war wiederum Modertrans Poznań. Diese Wagen sahen wir Anfang Mai natürlich noch nicht im Planeinsatz.
Groß zum Fotografieren kamen wir nicht, war Poznań für uns eher Nächtigungsort als Hauptziel (das war das ca. 75 km südwestlich gelegene Wolsztyn, wo auch 2011 noch Planverkehr mit Dampflokomotiven stattfindet - sehr zu empfehlen!). Somit kann ich aus der Stadt nur Fotos von nach 18:00 bzw. vor 08:00 anbieten. Zumindest während dieser Zeiten gefiel mir Poznań - abgesehen vom Straßenbahnverkehr - aber sehr gut, allen Unkenrufen in diversen Reiseführern zum Trotz. Die Altstadt ist schön renoviert, die Kulturmeile auf der Wartheinsel nett hergerichtet und auch der Bahnhof wird gerade umfangreich modernisiert. Auch die Einwohner waren überaus freundlich, das zeigte sich für uns vor allem bei den Straßenbahnfahrern. Nahezu jeder grüßte uns nett, winkte in die Kamera oder lächelte uns zu. Insgesamt waren wir von der Stadt ausgenommen positiv beeindruckt - Straßenbahn(insbesondere Hochflur-)interessierte sollten sich allerdings tummeln, denn schon Ende 2011 oder spätestens zur Fußball-EM 2012 wirds mit der Typenvielfalt wohl vorbei sein und Poznań vor allem von Moderus Alfas und Betas, Traminos und Konstal-Zügen dominiert werden. Aber mit einigen Tricks bei der Fahrkartenbuchung kann man mit flexiblen Tickets für nur ca. 90 Euro im Nachtzug liegend hin- und im Tagzug (mit ausgezeichnetem polnischen Speisewagen!) zurückfahren, inklusive 3-tägigem Interrail-Paß für Polen.
Nun aber die Bilder im Großformat - leider nicht immer mit genauen Ortsangaben, die möge man sich aus dem Linienplan ungefähr zusammenreimen:
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Bild 4: Die Konstal 105N-Tandemgarnitur "begrüßte" uns in Poznań gleich bei der Ankunft. Später sahen wir sie leider nicht mehr.
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Bild 5: Vor einer markanten Kirche wird ein Konstal 105Na-Tandem abgelichtet. Unmittelbar dahinter kommen bereits die nächsten Garnituren...
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Bild 6: ... gleich die nächste ist ein in edlem Smaragdgrün gehaltener GT8. Offenbar frische, spiegelnde Lackierung und ein originaler Scherenstromabnehmer sind Beweise dafür, wie man auch Altbaufahrzeugen ein gefälliges Aussehen geben kann.
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Bild 7: Immer näher kommen wir der Kirche und nun wird auch das dritte Fahrzeug des Konvois eingefangen: es ist ein Moderus Alfa. So wie die beiden Konstal 105Na hat dieser Wagen auch einmal ausgesehen, aber die Polen sind ja Meister im Verwandeln von Fahrzeugen, wie wir spätestens seit der Causa EU8N wissen!
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Bild 8: Jetzt wars genug mit dieser Fotostelle, also sprangen wir schnell in den gerade herbeikommenden GT8 Richtung Innenstadt. Der spontane Fahrkartenkauf ist in Poznań allerdings ein Glücksspiel, da es nur an manchen Stationen Automaten gibt. Die sprechen dafür Deutsch - ein 15-Minuten-Ticket kommt auf 50 Cent, für eine Stunde ist 1 Euro zu bezahlen. Damit können die Zonen A und B - also eh praktisch alles - genutzt werden. Der GT8 verrät innen noch, wessen Kind er einst war.
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Bilder 9 und 10: Nach einiger Herumhatscherei und manch mißlungener Aufnahme fanden wir schließlich die nächste Photostelle - leider war die Sonne schon stark im Untergehen. Und noch dazu kamen ausschließlich Konstals daher, derer wir mittlerweile schon mehr als genug im Kasten hatten (abgesehen davon, daß ich die Fahrzeuge optisch nicht sonderlich ansprechend finde, aber darüber lassen sich ja Glaubenskriegeführen
).
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Bild 11: Vor diesem stattlichen Bürgerhaus hat dieser GT8 nach Überfahren der Weiche gerade wieder Fahrt aufgenommen. Grün-gelb ist die traditionelle Farbgebung des Poznań'schen Transportunternehmens MPK, jedoch sind zum Glück nur recht wenige GT8 in dieser Farbe unterwegs. Vom eben gesehenen smaragdgrün über orange bis hin zu beige reicht das Farbspektrum, einen GT8 mit Totalwerbung haben wir nicht gesehen. Die Polen wissen eben, welche Fahrzeuge zu schön zum Verschandeln sind.
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Bild 12: In Poznań wird - gerade in Hinblick auf die EM 2012 - viel gebaut. Vor einem Neubau mit Baukran kommt dem Betrachter diese Konstal-Tandemgarnitur der Linie 10 entlang eines Wochenmarktes entgegen.
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Bild 13: Sonntags standen wir schon im 5:30 auf, in unmittelbarer Nähe unserer Unterkunft hatten wir nämlich einen Betriebsbahnhof lokalisiert. Da wollten wir natürlich den morgendlichen Auslauf ablichten. Doch leider entpuppte sich das riesige Areal des Betriebsbahnhofes als gänzlich aufgelassen - einzig die Touristentramway hat dort am Wochenende ihre Kuppelstelle.
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Bild 14: Ein nicht-milchiges Fenster eröffnete uns einen Blick in eine aufgelassene Wagenhalle, die uns aber arg schmal erschien - entweder die Züge standen zur Hälfte im Freien oder die Halle war nur für Zweiachser konzipiert worden (das würde die Auflassung des Betriebsbahnhofes erklären).
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Bild 15: Naja, nachdem beim Betriebsbahnhof nicht viel zu holen war, wanderten wir eben so durch das verschlafene Poznań. Die Sonne war erst im Aufgehen, als uns einer der ersten Züge der Linie 16 in Gestalt eines Combinos entgegenkam.
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Bild 16: Poznań hat zwar eine Grande Union, aber die lag am Morgen noch völlig im Schatten. Doch wir fanden eine andere große Kreuzung, quasi einen überdimensioniertes Altes Landgut mit Kreisverkehr rundherum. Da gelangen nun einige schöne Aufnahmen, zunächst ein Tatra RT6N1.
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Bild 17: Von der anderen Seite kam in rascher Fahrt ein "bimby" (die ortsübliche Bezeichnung für die Straßenbahn und die Konstal-Züge im Speziellen). Ihr Ziel verkünden die Konstals auch auf unterschiedliche Weise, einmal mit konventionellem Zielschild, dann wieder mittels moderner LCD-Anzeige.
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Bild 18: Ah, ein Objekt der Begierde: ein GT8 in orange-beiger Frankfurter Originallackierung. Die Achtachser sind einfach schön anzusehen!
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Bild 19: Wiederum Standortwechsel: flink den Hügel hinab gerollt ist soeben ein Moderus Alfa, jetzt muß er sich auf der Kreuzung etwas einbremsen.
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Bild 20: Auch sonntags morgens ist auf dieser Strecke viel Verkehr. Gleich nach dem Moderus Alfa legt dieser Bejines 3G (nein, MPK produziert noch keine Handys
) eine scharfe Linkskurve hin.
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Bild 21: Auch ein kurzer Abstecher auf die Schnellstraßenbahnstrecke ("Poznański Szybki Tramwaj") mußte noch sein. Genug Zeit um lange nach Fotostellen zu suchen, hatten wir aber leider nicht. Daher gibt es nur ein Bild einer typischen Haltestelle (die Haltestellen liegen alle unter Brücken, zu beiden Seiten befinden sich Plattenbauten).
Das wars auch schon wieder mit einer kurzen Übersicht über die Tramway-Show, die sich in Poznań noch immer tagtäglich abspielt. Bitte mich nicht wegen der Qualität der Bilder zu steinigen, die Kamera ist recht neu und ich bin gerade erst in der Entdeckungsphase.
Das Resümee aus der ganzen Sache ist jedenfalls: Leute, fahrt nach Poznań!