Im letzten Jahrzehnt begann ich mich alt und bis zu einem gewissen Grad mieselsüchtig zu fühlen. Weder körperlich noch geistig, sondern fototechnisch. Letzte noch fahrende Wägen alter Generationen – der Generationen meiner Kindheit und Jugend – waren die Objekte der Begierde, und die Niederflurwägen hielten mich eher vom Fotografieren ab als dass sie mich anzogen; insbesondere die frühen 100%-Typen. Was hat das mit alt werden zu tun? Nun, wir erinnern uns, wie sehr die seinerzeit etablierte und wohl eingeschworene Fotografenclique die damals neuen und heute als die heute legendären E und E
1 mied, als sie das Stadtbild Wiens zu bereichern begannen. Werd' ich auch so ein Miesepeter wie die Fotografen damals?
Doch die allerletzte Zeit ist ein Jungbrunnen
Das ist eine blumige Umschreibung dafür, wie erleichtert ich bin, dass mein Desinteresse an neuen Straßenbahnen weniger mit deren Neuheit, sondern viel mehr mit der Formensprache und dem Fahrgefühl der ersten 100%-Niederflurwagengeneration zu tun hatte. Niederflur, auch 100%, ist nun im Mainstream angekommen, und die Designs etablieren sich. Nicht jeder dieser ganz neuen Wagen ist eine optische Offenbarung, aber die meisten sind allemal um Größenordnungen gefälliger als das Ulf-Brrrrr-Klumpert oder etwa die
Rhein-Neckar-6MGT, um nur ein weiteres Beispiel von vielen zu nennen. Während in Wien die Flexity mit ihrer schlank-eleganten Front nicht nur mich, sondern auch meine Familie erfreuen («Boah, haben wir schöne neue Straßenbahnen am 49er!»), gelten ähnliche Überlegungen in Frankfurt. Der R-Wagen sieht, auf die Spitze und darüber hinaus formuliert, aus wie ein in der Mitte aufgerissener und nur mangelhaft wieder zusammengepickter Verpackungskarton.
So ist es eine Freude, die ersten T-Wägen fahren zu sehen, auch wenn sie die von mir so geschätzten P(t)-Wägen nun wohl endgültig (no pun intended
) Zug um Zug ablösen. Am 31. August kam mir unter anderem der Wagen 310 unter, der zumindest Ende Juli noch der neueste in Betrieb befindliche T-Wagen gewesen ist. Das Design ist weiß Gott nicht so spektakulär wie bei den innovativsten französischen Betrieben, doch so gefällig, dass ich mich freu', wenn ein T-Wagen auf einer Fototour daherkommt, womit sich der Kreis zur Einleitung wieder schließt: Der T-Wagen ist keine Ausnahme, auch die neuesten Straßenbahnen in so manch anderer Stadt
erfreuen des Autors fotografisches Gemüt.
Auf der Aufnahme ist ein 16er gerade die Gartenstraße westwärts gerollt, um an der Haltestelle Stresemannallee/Gartenstraße nach rechts gen Friedensbrücke abzubiegen. Auf der Zielanzeige verschwinden natürlich die Via-Stationen nach deren Passage – ich hab' nicht einmal das geringste Verständnis für diejenigen Betreiber, wo das trotz elektronischer Anzeigen immer noch nicht so ist. Viel Spaß mit dem ganz aktuellen T-Wagen-Einblick!