Die Wiener Linien gaben bekannt, nach den positiven Erfahrungen mit den Bahnsteigtüren auf der Linie U2 auch ausgewählte Straßenbahnhaltestellen mit dieser technischen Neuerung aufzurüsten. Die Einführung von Bahnsteigtüren im U-Bahn-Bereich ist den Vorarbeiten für die Linie U5 geschuldet. Diese soll ab dem Jahr 2026 zwischen Karlsplatz und Frankhplatz in Betrieb gehen und als erste Wiener U-Bahn-Linie fahrerlos betrieben werden. Dafür ist es notwendig sicherzustellen, dass weder Personen noch Gegenstände in den Gleisbereich geraten. Dies kann nur mit Bahnsteigtüren verhindert werden. "Die Nachteile von U-Bahn-Systemen mit fahrerlosem Betrieb, aber ohne Bahnsteigtüren, liegen auf der Hand", erklärte Projektleiterin Maria Vastapcik aus dem U5-Kompetenzzentrum Hernals. Man könne sich hierzu beliebig in technische Details vertiefen, jedoch sei es von Anfang an keine Option gewesen, zu einer anderen Lösung zu greifen.
Straßenbahn-Problemhaltestellen
Im Gegensatz zur U-Bahn fährt die Straßenbahn an der Oberfläche und teilt sich den Verkehrsraum mit Autos, Fußgängern, Fahrrädern und Co. Daher ist es in diesem Betriebsbereich noch Zukunftsmusik, von fahrerlosem Betrieb zu sprechen. "Wir haben unsere ULF-Straßenbahnen mit Fahrerassistenzsystemen ausgerüstet", erklärt Vastapcik, "diese können unser Fahrpersonal jedoch nur mit Hinweisen unterstützen, aber nicht aktiv ins Fahrgeschehen eingreifen." Die neuralgischen Punkte bei einigen Straßenbahnlinien lägen jedoch ohnehin nicht auf der Strecke zwischen den Haltestellen – hier sei Wien bekanntlich international in einer Vorreiterrolle, was die Beeinflussung von Ampelanlagen durch herannahende Straßenbahnen betrifft, "denn so wie bei uns hat das garantiert keine andere Stadt der Welt umgesetzt" –, sondern bei stark frequentierten Haltestellen in Linkskurven.
Das Besondere an Haltestellen in Linkskurven ist das Handicap, dass das Fahrpersonal keine Möglichkeit hat, alle Türen des Zuges zu überblicken. Maria Vastapcik: "In solchen Fällen muss das Fahrpersonal warten, bis alle Türen von selbst schließen. Das Zwangsschließen darf in solchen Situationen keinesfalls eingesetzt werden." Gerade in stark frequentierten Stationen kann das zum Problem werden und verlängert den Aufenthalt des Zuges. Da die Straßenbahn immer nur in eine Richtung fährt, benötigt sie zum Wenden an den Endstationen Gleisschleifen. Diese liegen meist in genau so einem Linksbogen, und weil es sich dabei um Endstationen handelt, haben sie naturgemäß auch stärkeren Fahrgastandrang.
Bahnsteigtüren als optimale Problemlösung
"Nachdem die Bahnsteigtüren auf unserer U2 schon monatelang ohne Probleme im Echtbetrieb funktionieren, haben wir angedacht, dieses System auch auf die Straßenbahn auszudehnen. Das bringt aber neue Problemstellungen mit sich, etwa die unterschiedlichen Fahrzeuggenerationen", erläutert Maria Vastapcik. Anders als bei der U-Bahn, deren Türen sich stets an der gleichen Position im Fahrzeug befinden, haben die Straßenbahnen unterschiedliche Türfolgen. Man könne daher nur Linien, die typenrein betrieben werden, mit Bahnsteigtüren ausstatten. Das zielgerichtete Anhalten sei jedoch kein Problem: "Unser Fahrpersonal lernt schon in der Grundausbildung, Fahrzeuge ruck- und stoßlos zu bewegen und punktgenau anzuhalten." Sogar bei der Europameisterschaft der Straßenbahnfahrer habe man durch dieses Können schon den 1. Platz errungen.
Eingriff ins Stadtbild
Als die Pläne der Wiener Linien zum Einbau von Bahnsteigtüren bei Haltestellen an der Straßenoberfläche bekannt wurden, regte sich bald Widerstand besorgter Bürgerinitiativen, die einen negativen Einfluss auf das historische Stadtbild befürchten. Diesen Befürchtungen konnte man aber unmittelbar den Wind aus den Segeln nehmen. Vastapcik: "Auf der ganzen Welt gibt es kaum eine Stadtverwaltung, die in gemeinsamer Arbeit mit ihrem Verkehrsunternehmen so schonend mit dem Stadtbild umgeht. Denken Sie beispielsweise an die dezent-grazilen neuen Haltestellenmasten, die die plumpen ovalen Tafeln aus der Kaiserzeit abgelöst haben. Auch in der Auswahl der Betonsorten haben wir Expertise wie keine andere Stadt der Welt."
Man sei dennoch mit den besorgten Denkmalschützern in Kontakt getreten. "Der persönliche Kontakt war uns als Wiener Linien schon immer wichtig. Wir wollen den Leuten ja auch erklären, warum unser Standpunkt unverrückbar ist." In den Gesprächen mit der Denkmalschutz-Initiative konnten rasch Erfolge erzielt werden: "Wir sind uns unserer Rolle in der Stadtgeschichte bewusst. Seit 160 Jahren sind wir auf der Straße präsent und das soll auch so bleiben." Man werde sich aber mit der Konstruktion der Bahnsteigtüren an das historische Straßenbild anpassen: "Wir lackieren die Stahlkonstruktionen im typischen Otto-Wagner-Grün, so passen sie sich optimal dem Stadtbild an. Weiters bekleben wir die Glaselemente mit Abbildern der klassischen Otto-Wagner-Geländer, das ist auch gleichzeitig ein Sicherheitselement für Blinde, die die schlanke Stahl-Glas-Konstruktion sonst übersehen würden.
Prototyp-Haltestelle beim Schottentor
Im Zuge der Inbetriebnahme der U5 wird auch die oberirdische Straßenbahnschleife des 43ers mit Bahnsteigtüren ausgestattet. Die Wahl auf diese Haltestelle fiel aufgrund des Umstands, dass sie sich in der Nähe der mit Bahnsteigtüren ausgestatteten U5 befinden. "Die Fahrgäste kennen das System dann schon", führt Vastapcik aus, "und können sich schneller daran gewöhnen." Für die Fahrgäste des 43ers bedeutet das dann auch den Einsatz der neuesten Flexity-Straßenbahnen, da die Bahnsteigtüren auf dieses Modell abgestimmt sein werden. Für den 44er, der in der gleichen Schleife wendet, aber mit ULF-Straßenbahnen fährt, gäbe es aber auch eine Lösung: "Wir haben dieses Situation schon jetzt bei den Umbauarbeiten am Schottentor berücksichtigt und eine zweite Haltestelle errichtet, die sich neben der Universität vor der Einfahrt in die Kurve der Schleife befindet. Als zusätzlichen Vorteil entflechten wir dadurch auch die Fahrgastströme der Linien 43 und 44."
Der Einbau der Bahnsteigtüren ist für jenen Zeitraum geplant, wo die Linie 43 wegen der Bauarbeiten für die U5 am Elterleinplatz ohnehin nicht bis zum Schottentor fahren kann. Die Inbetriebnahme ist gemeinsam mit der U5 im Lauf des Jahres 2026 vorgesehen.
Q: wien.orf.at