Autor Thema: Lohnzettel  (Gelesen 9404 mal)

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13er

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Lohnzettel
« am: 29. März 2012, 22:22:04 »
Der Lohnzettel eines jungen Tramwayers aus 1960. Damals hat noch niemand die Beamten um ihre Privilegien beneidet. Ganz im Gegenteil: Die allermeisten verdienten einen "Dreck" und wurden von Freunden ausgelacht, warum sie überhaupt in den Staatsdienst gingen. Meinem Vater ging es ähnlich. Er konnte sich als junger Lokführer (mit etlichen Kollegen untergebracht in einem baufälligen bitterkalten Bahnhofsgebäude am Rennweg) kaum das tägliche Essen und schon gar keinen Tramwayfahrschein leisten. Heute sehen freilich alle nur mehr die frühe und gute Pension - aber dass das damals alles andere als ein Zuckerschlecken war, das unterschlägt man in der Diskussion freilich.

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moszkva tér

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Re: Lohnzettel
« Antwort #1 am: 30. März 2012, 08:21:38 »
Um da einen objektiven Vergleich zu heute zu haben, muss man den Verbraucherpreisindex heranziehen, und in heutigen Geldwert umrechnen. Ich nehme die Tabelle der Statistik Austria her und habe auf die Schnelle leider nur den VPI 1958 zur Verfügung. Rechnen wir also der Einfachheit halber damit weiter.

1090 öS im Jahre 1958 sind äquivalent zu 448,45 Euro im Februar 2011.

450 Euro im Monat netto, da würde ich doch mehr verdienen, wenn ich Pfandflaschen aus dem Mist fischen würde. :(

95B

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Re: Lohnzettel
« Antwort #2 am: 30. März 2012, 09:25:44 »
Und da hat man dem Armen noch ungeniert ATS 5,20 abgezogen (!), damit eine runde Summe zur Auszahlung gelangt. Durch Gewerkschaftsaustritt hätte er sich aber immerhin 23,60 sparen können, aber das hat sich vermutlich damals ein Junger nicht getraut, hätte dieser Schritt doch mit Sicherheit Einschnitte in seiner späteren Karriere bedeutet.
Es ist nichts so fein gesponnen, es kommt doch ans Licht der Sonnen!
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moszkva tér

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Re: Lohnzettel
« Antwort #3 am: 30. März 2012, 09:29:46 »
Und da hat man dem Armen noch ungeniert ATS 5,20 abgezogen (!), damit eine runde Summe zur Auszahlung gelangt.
Ist leichter zu rechnen  ;)
Zitat
Durch Gewerkschaftsaustritt hätte er sich aber immerhin 23,60 sparen können, aber das hat sich vermutlich damals ein Junger nicht getraut, hätte dieser Schritt doch mit Sicherheit Einschnitte in seiner späteren Karriere bedeutet.
Ist das heute sehr viel anders?

13er

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Re: Lohnzettel
« Antwort #4 am: 30. März 2012, 10:10:15 »
Ist das heute sehr viel anders?
Glücklicherweise hat sich da tatsächlich etwas geändert. Heute ist das Leben für Ex-ÖGB-Mitglieder kein Problem und kaum mit Nachteilen verbunden.

Wenn man heute als Arbeitnehmer eine ordentliche Vertretung will, dann sollte man das Geld lieber in eine Rechtsschutzversicherung investieren.
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hema

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Re: Lohnzettel
« Antwort #5 am: 30. März 2012, 10:17:45 »
Und da hat man dem Armen noch ungeniert ATS 5,20 abgezogen (!), damit eine runde Summe zur Auszahlung gelangt. Durch Gewerkschaftsaustritt hätte er sich aber immerhin 23,60 sparen können, aber das hat sich vermutlich damals ein Junger nicht getraut, hätte dieser Schritt doch mit Sicherheit Einschnitte in seiner späteren Karriere bedeutet.
Der Rundungsbetrag wurde im nächsten Monat wieder (unter Bezüge) dazugerechnet, siehe die 1,60 weiter oben. Das wurde gemacht, weil damals noch bar ausgezahlt wurde und damit man eifachere Beträge erhielt. Es ist auch nicht klar, für welche Tätigkeit und für welchen Stundenumfang der Betrag gerechnet ist, es sind z.B. keine Zulagen angeführt, die schon immer das Kraut erst fett machten (besonders im Fahrdienst). Auch wurde vieles früher wöchentlich ausbezahlt (Extrageld).


Das ganze ist auch kein Lohnzettel (damals gab es mit der Auszahlung immer den "Lohnstreifen"), sondern eine Abschrift, welche offensichtlich nur das Grundgehalt enthält, vermutlich zur Vorlage an irgend einer anderen Stelle. Dass der gesamt zur Auszahlung gekommene Betrag höher gewesen sein muss, sieht man an der Höhe des Gewerkschaftsbeitrages, der maximal ein Prozent des Bruttobezuges ausgemacht haben dürfte.
Niemand ist gezwungen meine Meinung zu teilen!

moszkva tér

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Re: Lohnzettel
« Antwort #6 am: 30. März 2012, 10:19:44 »
Ist das heute sehr viel anders?
Glücklicherweise hat sich da tatsächlich etwas geändert. Heute ist das Leben für Ex-ÖGB-Mitglieder kein Problem und kaum mit Nachteilen verbunden.
Nachteile im Status Quo vielleicht nicht. Aber wenns um eine Beförderung geht, oder die Umwandlung eines befristeten Dienstvertrages in einen unbefristeten, hat man als nicht-Gewerkschaftsmitglied aber durchaus Nachteile, zumindest im öffentlichen Dienst.

Wattman

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Re: Lohnzettel
« Antwort #7 am: 30. März 2012, 13:48:45 »
1090 öS im Jahre 1958 sind äquivalent zu 448,45 Euro im Februar 2011.

Seid Ihr sicher, dass das ein Monats- und kein Wochenlohnzettel ist? Damals erfolgt doch meist wöchentliche Lohnzahlung.

HLS

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Re: Lohnzettel
« Antwort #8 am: 30. März 2012, 16:16:56 »
Ich würd auch vermuten das es sich hier um einen Wochenlohnzettel handelt. Alles andere würde bedeuten das selbst Hilfsarbeiter in der ehemaligen DDR mehr Geld verdient hätten und das ist ein Punkt den ich mir ganz und gar nicht vorstellen kann.
"Grüß Gott"

Ich fühle mich nicht zu dem Glauben verpflichtet, dass derselbe Gott, der uns mit Sinnen, Vernunft und Verstand ausgestattet hat, von uns verlangt, dieselben nicht zu benutzen. Dieter Nuhr

moszkva tér

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Re: Lohnzettel
« Antwort #9 am: 30. März 2012, 16:17:59 »
1090 öS im Jahre 1958 sind äquivalent zu 448,45 Euro im Februar 2011.

Seid Ihr sicher, dass das ein Monats- und kein Wochenlohnzettel ist? Damals erfolgt doch meist wöchentliche Lohnzahlung.

Ein Monatsgehalt von (heutigen) 450 Euro im Jahr 1960 halte ich nicht für allzu abwegig. Das rasche Wachstum der Reallöhne in Österreich ist erst in den späteren 1960ern und 1970ern gekommen. Wäre es ein Wochenlohn, wären das fast 2000 Euro in heutigem Geldwert, das erschiene mir persönlich ziemlich hoch. Leider ist der Auszahlungszeitraum geschwärzt.

13er

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Re: Lohnzettel
« Antwort #10 am: 30. März 2012, 16:37:22 »
Leider ist der Auszahlungszeitraum geschwärzt.
Nein, da steht nur oben das Datum und drunter Dienstnummer und Name, die ich klarerweise ausgeschwärzt habe (sind ja keine Akten für den U-Ausschuss). Ich bin mir zu 99,9% sicher, dass es hier um einen Monatslohn geht.
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IbisMaster

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Re: Lohnzettel
« Antwort #11 am: 30. März 2012, 16:45:44 »
Es ist auch keine Lohnsteuer angegeben. Daher vermute ich, dass es ein Monatslohn sein muss, da er offensichtlich unter der Geringfügigkeitsgrenze ist.
Oder wurde die damals ganz anders gezahlt?

haidi

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Re: Lohnzettel
« Antwort #12 am: 30. März 2012, 16:53:55 »
So schlecht schaut der Gehaltszettel gar nicht aus, hat mein Vater als C-Beamter bei der Straßenbahn damals weniger als 500 Schilling (ich glaub 300) verdient.
Erst in den Siebzigern (unter Kreisky) begann "das große" Verdienen der Beamten, bis dahin galt: Der Beamte hat nichts, das aber sicher.

Hannes
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matchless41

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Re: Lohnzettel
« Antwort #13 am: 16. Mai 2012, 21:13:18 »
Mein Vater hat als Elektriker 1959 395 Schilling in der Woche netto verdient - da war er Spitzenverdiener - seine Freunde hatten 295 -315 Schilling. Und alle haben gepfuscht was nur möglich war.... Jeder hat geheiratet, die Frau war bei den Kindern zuhaus und Hausbauen ist sich auch noch ausgegangen.