Autor Thema: Die Geschichte der Straßenpflasterung  (Gelesen 37083 mal)

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GS6857

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Die Geschichte der Straßenpflasterung
« am: 01. Juni 2012, 12:55:47 »
Interessanter Artikel über die Straßenpflasterung in Wien:

http://www.1133.at/document/view/id/631

W_E_St

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Re: Die Geschichte der Straßenpflasterung
« Antwort #1 am: 01. Juni 2012, 13:51:03 »
Spannend!
Ab und zu wird aber durchaus noch neu gepflastert, hier im Häuserblock sind bei den beiden Eckhäusern die Gehsteige gepflastert und das wird nach jeder Aufgrabung erneuert.

Geritzte Pflastersteine sind so ziemlich das ekelhafteste was es für Radfahrer gibt, von zentimeterdickem Rollsplitt einmal abgesehen. In der Langen Gasse gibt es neben dem Gleiskörper noch welche, dort bin ich letztens hinaufgerumpelt - fürchterlich! Das Kleinsteinpflaster in der Laudongasse ist dann die reinste Wohltat.

Zum im Artikel erwähnten Argument der Flächenversiegelung ist anzumerken, dass Pflaster ebenso als Totalversiegelung anzusehen ist, wenn - wie hier üblich - mit Beton verfugt wird, zumindest bei Gehsteigen.
"Sollte dies jedoch der Parteilinie entsprechen, werden wir uns selbstverständlich bemühen, in Zukunft kleiner und viereckiger zu werden!"

(aus einer Beschwerde über viel zu weit und kurz geschnittene Pullover in "Good Bye Lenin")

Z-TW

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Re: Die Geschichte der Straßenpflasterung
« Antwort #2 am: 01. Juni 2012, 15:56:11 »

Geritzte Pflastersteine sind so ziemlich das ekelhafteste was es für Radfahrer gibt, von zentimeterdickem Rollsplitt einmal abgesehen. In der Langen Gasse gibt es neben dem Gleiskörper noch welche, dort bin ich letztens hinaufgerumpelt - fürchterlich!


Zu meiner Kindheit waren Straßen mit geritzten Pflastersteinen noch sehr häufig anzutreffen und waren damals schon des Radfahrers Albtraum.
Beispiele aus meiner unmittelbaren Heimat Ende 50er/Anfang 60er:
.) Marchfeldstraße - Kleinsteinpflaster, allerdings mit eigenem Radweg mit Betonfahrbahn. In Wien damals eine Rarität!
.) Stromstraße: geritzte Pflastersteine.
.) Leithastraße: bombiert mit buckligem Asphalt, keine Gehsteige. Gefrorene Pfützen dienten im Winter zum Rutschen nach kurzem Anlauf.
.) Universumstraße nördlicher Teil zwischen Winarsky- und Hellwagstraße: Sandstraße; ebenso der Teil der Brigittagasse zwischen Damm- und Nordwestbahnstraße
.) Dresdner Straße von Nordbahnstraße bis Höchstädtplatz: Betonfahrbahn. Der Vater eines Schulkollegen nahm mich fallweise mit dem Auto (VW-Käfer) mit und beschleunigte auf der Dresdner Straße auf 80 km/h.
.) Nordwestbahnstraße: Kleinsteinpflaster
.) Tramwaygleise waren grundsätzlich "gepflastert".

W_E_St

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Re: Die Geschichte der Straßenpflasterung
« Antwort #3 am: 01. Juni 2012, 22:37:37 »
Mir sind aus meiner Kindheit (Ende 80er, Anfang 90er) "Geritzte" noch aus der Teschnergasse und Bäckenbrünnlgasse vertraut, in letzterer dürften sie bis heute liegen. Auch in der Severingasse im 9. Bezirk gibt es sie noch (zwischen Exnergasse und Spitalgasse ein Stück, oberhalb ist über weite Strecken Kleinsteinpflaster).

Gepflasterte Gleiskörper kenne ich ebenfalls gut, die Gentzgasse zwischen Aumannplatz und Weinhauser Gasse zum Beispiel, oder die Gersthofer Straße ab ca. Erndtgasse. Die Simonygass eist teilweise noch heute gepflastert, nur zwischen und neben den Gleisen liegen Großflächenplatten.

Die letzten wirklich vollständig gepflasterten Gleise dürften in der Zahnradbahnstraße und Wittelsbachstraße liegen.
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RobertK

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Re: Die Geschichte der Straßenpflasterung
« Antwort #4 am: 01. Juni 2012, 23:24:23 »
Weil's zum Thema dazupasst: vor kurzem wurde bei den Bauarbeiten am Landstraßer Gürtel auf Höhe der Kleistgasse die dortige ursprüngliche Pflasterung freigelegt. Kann sich jemand erinnern, bis wann der Gürtel hier gepflastert war? Ich schätze mal, das dürfte schon etwas länger her sein.
Leider wurden in den letzten zwei Wochen die hier zu sehenden Pflastersteine vor der Errichtung der neuen Betondecke vollständig entfernt.

158er

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Re: Die Geschichte der Straßenpflasterung
« Antwort #5 am: 02. Juni 2012, 01:23:44 »
Die letzten wirklich vollständig gepflasterten Gleise dürften in der Zahnradbahnstraße und Wittelsbachstraße liegen.
In der Schleifenanlage Westbahnhof und den Durchfahrtsgleisen ist auch noch jede Menge gepflastert.

Der 1133-Artikel ist sehr interessant (Kompetenz aus Ober St. Veit halt  :D ), ich kenne das geritzte Pflaster am Wolfrathplatz auch aus Rad-Erfahrung recht gut. Momentan werden Straße und zwei angrenzende Häuser gerade umgebaut, hoffentlich muß das Pflaster nicht dran glauben.

W_E_St

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Re: Die Geschichte der Straßenpflasterung
« Antwort #6 am: 02. Juni 2012, 11:09:20 »
Die letzten wirklich vollständig gepflasterten Gleise dürften in der Zahnradbahnstraße und Wittelsbachstraße liegen.
In der Schleifenanlage Westbahnhof und den Durchfahrtsgleisen ist auch noch jede Menge gepflastert.
Allerdings abgesehen von der südlichen Schleife alles großzügig mit Betonplatten gemischt, deswegen habe ich das nicht mehr in die Liste genommen.
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moszkva tér

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Re: Die Geschichte der Straßenpflasterung
« Antwort #7 am: 02. Juni 2012, 12:54:11 »
Hats in Wien eigentlich jemals echtes "Cobblestone" (wie heißt das auf deutsch?) gegeben? Also natürliche Steine, meist abgerundeter Schotter. Die sind in zahlreichen Städten Südeuropas praktisch Standard. Sie machen einen katastrophalen Fahrkomfort, aber auf Steigungen angebracht, hat man sowohl mit Auto als auch als Fußgänger gute Bodenhaftung, weil das Regenwasser gut abrinnen kann und man eine natürliche Stiegenanlage hat.



Beliebt sind diese Cobblestones auch in ehemaligen Überseekolonien. Schiffe sind meist aus Europa leer gekommen, um Baumwolle / Zucker / Tee / Kaffee / Sklaven usw. zu laden. Um bei der Leerfahrt den nötigen Tiefgang zu bekommen, haben sie i.d.R. Steine als Ballast mitgenommen. Mit diesen Balastbrocken wurden dann in den Hafenstädten die Straßen gepflastert.

GS6857

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Re: Die Geschichte der Straßenpflasterung
« Antwort #8 am: 02. Juni 2012, 13:27:00 »
Ich glaube schon. Auf der Freyung ist so eine Art von Pflasterung in den Gehsteig integriert. Keine Ahnung ob das original ist.

158er

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Re: Die Geschichte der Straßenpflasterung
« Antwort #9 am: 02. Juni 2012, 13:43:37 »
Hats in Wien eigentlich jemals echtes "Cobblestone" (wie heißt das auf deutsch?)
Hm, eventuell fällt das unter Kopfsteinpflaster?

Katzenkopfpflaster gibts ja auch noch, aber das ist eher so was (auch ein Kandidat für Radfahrfreundlichkeit):
In Banska Bystrica beispielsweise war bis 2010 der Hauptplatz so gepflastert.



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Re: Die Geschichte der Straßenpflasterung
« Antwort #10 am: 02. Juni 2012, 14:30:34 »
Ich glaube schon. Auf der Freyung ist so eine Art von Pflasterung in den Gehsteig integriert. Keine Ahnung ob das original ist.

Das ist ein Stück beim Tiefgaragenbau aufgefundenes, aber neu verlegtes römisches Pflaster.
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Re: Die Geschichte der Straßenpflasterung
« Antwort #11 am: 02. Juni 2012, 14:32:15 »
In der Schleifenanlage Westbahnhof und den Durchfahrtsgleisen ist auch noch jede Menge gepflastert.

Das wurde Anfang der 1990er aus gestalterischen Gründen neu gelegt, obwohl damals bereits die Großflächenplatten Standard waren. Damals hat man gelegentlich noch auf die Optik geachtet.
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Re: Die Geschichte der Straßenpflasterung
« Antwort #12 am: 02. Juni 2012, 14:34:59 »
Spannend!
Ab und zu wird aber durchaus noch neu gepflastert, hier im Häuserblock sind bei den beiden Eckhäusern die Gehsteige gepflastert und das wird nach jeder Aufgrabung erneuert.

Geritzte Pflastersteine sind so ziemlich das ekelhafteste was es für Radfahrer gibt, von zentimeterdickem Rollsplitt einmal abgesehen. In der Langen Gasse gibt es neben dem Gleiskörper noch welche, dort bin ich letztens hinaufgerumpelt - fürchterlich! Das Kleinsteinpflaster in der Laudongasse ist dann die reinste Wohltat.

In der Schleifmühlgasse sind die Anrainer massiv für "ihr" Kleinsteinpflaster eingetreten, nachdem die Straße erneuert wurde und eigentlich hätte asphaltiert werden sollen - sie waren der Meinung, das Pflaster gehört zu ihrer Gasse.

Die geritzten Steine wurden auf "Steilstrecken" verlegt, damit die Pferde besser greifen konnten.
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Re: Die Geschichte der Straßenpflasterung
« Antwort #13 am: 02. Juni 2012, 14:36:40 »
Falls es wer noch nicht kennt, man kann mit solchen Verrücktheiten sogar ins Fernsehen kommen  :)

2007-01-13 Stadtarchäologie
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hema

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Re: Die Geschichte der Straßenpflasterung
« Antwort #14 am: 02. Juni 2012, 15:49:04 »

Die geritzten Steine wurden auf "Steilstrecken" verlegt, damit die Pferde besser greifen konnten.
Die "geritzten" Steine (komischer Ausdruck  ::) ) hießen/heißen eigentlich Stollensteine. Nach den Stollen, welche in die Hufeisen der Pferde eingeschraubt wurden. Der Nachfolger der Stollensteine war das Kleinsteinpflaster, welches später auf den steileren Straßen verlegt wurde. Nach dem Ende der Pferdewagen (Ankerbrotpferde usw.) in den früheren 60er-Jahren verlor es diesen Sinn und wurde und wird hauptsächlich aus optischen Gründen oder wegen des höheren Fahrkomforts eingesetzt.




Das wurde Anfang der 1990er aus gestalterischen Gründen neu gelegt, obwohl damals bereits die Großflächenplatten Standard waren. Damals hat man gelegentlich noch auf die Optik geachtet.
Da wurde sogar Grassamen ausgestreut, damit es zwischen den Steinen sprießt. Aber während eine Abteilung begrünte, setzte die andere Unkrautvernichtungsmittel und Graszupfer ein, weil das so ungepflegt aussah. Die Platten neben dem Gleis wurden gelegt, weil die (WiLi-)Lkws beim Befahren die Pflastersteine "herauspumpen" und sie dann ständig gerichtet werden müssen. Früher wurden die Steine (zumindest jene direkt neben den Schienen) mit Asphalt vergossen, damit sie vom Verkehr nicht herausgepumt und schräggestellt werden konnten, was dann zur Beschädigung der Bahnräumer der Straßenbahn führte. 
Niemand ist gezwungen meine Meinung zu teilen!