Autor Thema: Hauptstadtszene - Geiselnahme in der Wiener U-Bahn  (Gelesen 9427 mal)

0 Mitglieder und 1 Gast betrachten dieses Thema.

E2

  • Gast
Hauptstadtszene - Geiselnahme in der Wiener U-Bahn
« am: 21. Juni 2012, 10:07:59 »
Von Walter Hämmerle

Ein Waggon sucht einen Täter: So oder so ähnlich hat sich das kürzlich ein Zugführer vorgestellt. Er hat die Rechnung ohne die Wiener gemacht.


Ein interessantes Feldexperiment der sozialen Art ereignete sich vor einigen Tagen in der Wiener U-Bahn-Linie U1. Die Garnitur ist fertig zur Abfahrt, die Türen sind im Begriff zu schließen - und plötzlich sprintet ein junger Mann dazwischen, reißt an den Türgriffen und schlüpft so gerade noch in den Waggon.

Sportlich eine durchaus bemerkenswerte Leistung, allerdings natürlich höchst gegen sämtliche Vorschriften der Wiener Linien wie auch aller anderen Dienstleister im öffentlichen Personennahverkehr. Weil: Nach Abfertigung des Zuges ist das Zusteigen strengstens untersagt. Passieren tut es dennoch tagtäglich sonder Zahl. Der Mensch ist nun einmal so. Wenn sich vor einem die Türen zu schließen beginnen, will man unbedingt noch hineinschlüpfen. Darauf sind wir offensichtlich programmiert, stammgehirntechnisch gesprochen.

Ganz und gar nicht alltäglich war dagegen die Reaktion des Mannes im U-Bahn-Führerstand. Mit geradezu aufreizend ruhiger Stimme wandte er sich via Lautsprecher an den eben regelwidrig zugestiegenen jungen Mann und forderte ihn auf, doch bitte wieder auszusteigen. Ansonsten nämlich werde es kein Weiterfahren geben.

Interessanter Ansatz: die Weiterfahrt von geschätzten 500 Beförderungsobjekten im Gegenzug für die Sanktionierung eines regelwidrigen Verhaltens.

Würde das so bloßgestellte Individuum seinen Fehler bekennen und reumütig aus dem Waggon abziehen? Würden seine Mitpassagiere von Schicksalsgenossen zu Gegnern, den Regelbrecher zur Rechenschaft ziehen und sich also als Bürger zu bloßen Erfüllungsgehilfen der Obrigkeit degradieren lassen? Oder würden sie sich der Geiselnahme durch den Zugführer verwehren und stattdessen Solidarität mt dem Einzelnen walten lassen? Alles spannende Fragen.

Es geschah - wie in Wien nicht anders zu erwarten - vorerst nichts. Das heißt: Weder zeigte sich der inkriminierte junge Mann einsichtig, noch wurde der Ertappte von einer aufgebrachten Menge zum Aussteigen aufgefordert. Das Nichts dauerte eine kleine gefühlte Ewigkeit lang, in Echtzeit also geschätzte zwei Minuten.

Dann meldete sich wieder die Stimme des Zugführers. Erneut total entspannt und diesmal mit den Worten: "Also ich hab’ ja Zeit."

Das konnte man zwar für den Rest der Menschen in der U-Bahn-Garnitur mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausschließen, dennoch tat sich weiter nichts. Und wenn, dann begann sich die Stimmung - ansatzweise zumindest - gegen den Zugführer zu wenden. Dem Wiener an sich liegt ja das offen Revolutionäre nicht wirklich, jedenfalls nicht gegen die städtische Obrigkeit. Aber geraunzt wurde gegen den "Chef da vorn" sehr wohl, deutlich vernehmbar sogar.

An der Faktenlage änderte sich jedoch nichts: Der junge Mann blieb weiter sitzen.

Nach einer weiteren kleinen gefühlten Ewigkeit hatte der Zugführer schließlich ein Einsehen. Ohne einen weiteren Kommentar schlossen sich plötzlich die Türen, und die Fahrt ging weiter.

<<<Quelle>>>


... und die ersten Meldungen dazu >>>hier<<<

TH

  • Gast
Re: Hauptstadtszene - Geiselnahme in der Wiener U-Bahn
« Antwort #1 am: 21. Juni 2012, 10:22:31 »
Sowas kommt auf der ganzen Welt, ausser in Japan vor.
Als Fahrer muß man halt über den Dingen stehen, oder das Ganze durchziehn. Irgend ein Eisenbahnaufsichtsorgan oder die Polizei holen, Täter anzeigen Eisenbahngesetz.
Aber so hat sich der Typ nur lächerlich gemacht.  :-X

68er

  • Zugführer
  • *
  • Beiträge: 636
Re: Hauptstadtszene - Geiselnahme in der Wiener U-Bahn
« Antwort #2 am: 21. Juni 2012, 11:37:07 »
Na bringt ihm wenigstens einen schönen Fleck. Auch unbelehrbares Personal braucht hin und wieder selbst Belehrungsmaßnahmen, in diesem Fall wenigstens solche, die keine Unbeteiligten betreffen.

luki32

  • Referatsleiter
  • *
  • Beiträge: 5238
  • Bösuser
Re: Hauptstadtszene - Geiselnahme in der Wiener U-Bahn
« Antwort #3 am: 21. Juni 2012, 11:53:43 »
Na bringt ihm wenigstens einen schönen Fleck. Auch unbelehrbares Personal braucht hin und wieder selbst Belehrungsmaßnahmen, in diesem Fall wenigstens solche, die keine Unbeteiligten betreffen.

Unbelehrbar war da wohl nur der Fahrgast!!!

mfG
Luki
Vorsicht, Bösuser!
Militanter Gegner der Germanisierung der österreichischen Sprache!

13er

  • Verkehrsstadtrat
  • **
  • Beiträge: 27704
Re: Hauptstadtszene - Geiselnahme in der Wiener U-Bahn
« Antwort #4 am: 21. Juni 2012, 11:58:07 »
Aber ich habe gedacht, jetzt wo es Zurückbleiben bitte gibt, passiert so etwas gar nicht mehr? Ich bin verwirrt! ;)

Mein Fazit: Wir brauchen noch viel mehr Durchsagen, bitte.
Mit uns kommst du sicher... zu spät.

Revisor

  • Obermeister
  • *
  • Beiträge: 4954
Re: Hauptstadtszene - Geiselnahme in der Wiener U-Bahn
« Antwort #5 am: 21. Juni 2012, 12:12:03 »
Wegen solcher Vollidioten brauchen wir immer mehr Sicherheitseinrichtungen, die schweineteuer, lästig und betriebshemmend sind. Also ich bin für's Darwin-Prinzip . . .

95B

  • Verkehrsstadtrat
  • **
  • Beiträge: 36887
  • Anti-Klumpert-Beauftragter
Re: Hauptstadtszene - Geiselnahme in der Wiener U-Bahn
« Antwort #6 am: 21. Juni 2012, 12:35:11 »
Also ich bin für's Darwin-Prinzip . . .
Du schon, ich auch... aber blöderweise ist das halt nicht politisch korrekt. :P
Es ist nichts so fein gesponnen, es kommt doch ans Licht der Sonnen!
... brrrr, Klumpert!
Entklumpertung des Referats West am 02.02.2024 um 19.45 Uhr planmäßig abgeschlossen!

moszkva tér

  • Referatsleiter
  • *
  • Beiträge: 8283
Re: Hauptstadtszene - Geiselnahme in der Wiener U-Bahn
« Antwort #7 am: 21. Juni 2012, 12:56:46 »
Na bringt ihm wenigstens einen schönen Fleck. Auch unbelehrbares Personal braucht hin und wieder selbst Belehrungsmaßnahmen, in diesem Fall wenigstens solche, die keine Unbeteiligten betreffen.
Ja, da wollte jemand unbedingt seine eigenen Aufgaben crowdsourcen, nur es hat nicht funktioniert.  :-X

hema

  • Geschäftsführer
  • *
  • Beiträge: 16462
Re: Hauptstadtszene - Geiselnahme in der Wiener U-Bahn
« Antwort #8 am: 21. Juni 2012, 14:33:34 »
Also ich bin für's Darwin-Prinzip . . .
Du schon, ich auch... aber blöderweise ist das halt nicht politisch korrekt. :P
Politische Korrektheit siegt bekanntlich über alle Naturgesetze!
Niemand ist gezwungen meine Meinung zu teilen!

haidi

  • Geschäftsführer
  • *
  • Beiträge: 15328
Re: Hauptstadtszene - Geiselnahme in der Wiener U-Bahn
« Antwort #9 am: 21. Juni 2012, 22:15:06 »
Ausschluss von der Beförderung sollte in diesen Fällen von den Beförderungsbedingungen gedeckt sein. Das Durchsetzen ist natürlich ein Problem, aber der Fahrer hätte ja die Türe kontrollieren und absperren können, weil sie ja offensichtlich einen Fehler hat - oder gehört in so einem Fall, wenn sich die geschlossene oder gerade schließenden Türe an den Griffen wieder aufziehe lässt, der ganze Zug eingezogen?

Hannes
Microsoft is not the answer. It's the question and the answer is NO.

95B

  • Verkehrsstadtrat
  • **
  • Beiträge: 36887
  • Anti-Klumpert-Beauftragter
Re: Hauptstadtszene - Geiselnahme in der Wiener U-Bahn
« Antwort #10 am: 21. Juni 2012, 22:27:49 »
Ausschluss von der Beförderung sollte in diesen Fällen von den Beförderungsbedingungen gedeckt sein. Das Durchsetzen ist natürlich ein Problem, aber der Fahrer hätte ja die Türe kontrollieren und absperren können, weil sie ja offensichtlich einen Fehler hat - oder gehört in so einem Fall, wenn sich die geschlossene oder gerade schließenden Türe an den Griffen wieder aufziehe lässt, der ganze Zug eingezogen?
So einen Zwischenfall hat es vor langer Zeit auf der U6 gegeben, als noch die E6 ohne Türverriegelung fuhren: Ein zueilender Beförderungsfall fühlte sich bemüßigt, eine Tür aufzudrücken. Darauf ging der Fahrer nach hinten und erkundigte sich, wer von den Fahrgästen denn die Tür aufgedrückt habe. Niemand? Na dann müsse sie wohl von selber aufgegangen sein, das sei ein unkalkulierbares Sicherheitsrisiko, Sonderzug, bitte alle aussteigen. 8)
Es ist nichts so fein gesponnen, es kommt doch ans Licht der Sonnen!
... brrrr, Klumpert!
Entklumpertung des Referats West am 02.02.2024 um 19.45 Uhr planmäßig abgeschlossen!

B. S. Agrippa

  • Gebannt
  • Zugführer
  • *
  • Beiträge: 601
Re: Hauptstadtszene - Geiselnahme in der Wiener U-Bahn
« Antwort #11 am: 21. Juni 2012, 22:43:28 »
Wegen solcher Vollidioten brauchen wir immer mehr Sicherheitseinrichtungen, die schweineteuer, lästig und betriebshemmend sind. Also ich bin für's Darwin-Prinzip . . .
In besagter Situation bin ich mir nicht sicher, wer da der größere "Vollidiot" war.... Gerade der Fahrer darf sich zu so einer Aktion nicht hinreißen lassen, immerhin geht sowas auf Kosten von hunderten anderen Fahrgästen! Wenn alle Fahrer so reagieren würden, dann steht in der HVZ das gesamte U-Bahn-Netz!

HLS

  • Referatsleiter
  • *
  • Beiträge: 9627
Re: Hauptstadtszene - Geiselnahme in der Wiener U-Bahn
« Antwort #12 am: 22. Juni 2012, 00:27:29 »

So einen Zwischenfall hat es vor langer Zeit auf der U6 gegeben, als noch die E6 ohne Türverriegelung fuhren: Ein zueilender Beförderungsfall fühlte sich bemüßigt, eine Tür aufzudrücken. Darauf ging der Fahrer nach hinten und erkundigte sich, wer von den Fahrgästen denn die Tür aufgedrückt habe. Niemand? Na dann müsse sie wohl von selber aufgegangen sein, das sei ein unkalkulierbares Sicherheitsrisiko, Sonderzug, bitte alle aussteigen. 8)
Und dann ein zwei Haltestellen als Sonderzug und normalisieren als wäre nichts gewesen.  8)
"Grüß Gott"

Ich fühle mich nicht zu dem Glauben verpflichtet, dass derselbe Gott, der uns mit Sinnen, Vernunft und Verstand ausgestattet hat, von uns verlangt, dieselben nicht zu benutzen. Dieter Nuhr

ULF

  • Zugführer
  • *
  • Beiträge: 978
Re: Hauptstadtszene - Geiselnahme in der Wiener U-Bahn
« Antwort #13 am: 22. Juni 2012, 01:30:02 »
So einen Zwischenfall hat es vor langer Zeit auf der U6 gegeben, als noch die E6 ohne Türverriegelung fuhren: Ein zueilender Beförderungsfall fühlte sich bemüßigt, eine Tür aufzudrücken. Darauf ging der Fahrer nach hinten und erkundigte sich, wer von den Fahrgästen denn die Tür aufgedrückt habe. Niemand? Na dann müsse sie wohl von selber aufgegangen sein, das sei ein unkalkulierbares Sicherheitsrisiko, Sonderzug, bitte alle aussteigen. 8)
:up: :D

158er

  • RBL-Disponent
  • ***
  • Beiträge: 1555
Re: Hauptstadtszene - Geiselnahme in der Wiener U-Bahn
« Antwort #14 am: 23. Juni 2012, 23:45:26 »
Darauf ging der Fahrer nach hinten und erkundigte sich
Und genau daran ists hier gescheitert. Dazu war er wohl dann doch zu faul. Ergo: Blöder Fahrgast, aber auch leicht dümmliche Aktion des Fahrers...  ::)
Die U6-Aktion war im Gegensatz dazu natürlich sehr elegant.  :)