Ursprünglich wurde auch auf der Stadtbahn stehend gefahren. Selbst den Triebfahrzeugführern bei der großen Eisenbahn war das Sitzen nicht gestattet. Erst so um 1930 wurden in den Lokomotiven Sitze eingebaut, 1932 folgte dann die Wiener Stadtbahn. Ab diesem Zeitpunkt mußte bei Verlassen der Stadtbahngleise der Sitz entfernt und stehend gefahren werden. Selbst die kurze Schleifenfahrt um Michelbeuern mußte im Stehen durchgeführt werden. Aufgehoben wurde dieses Sitzverbot erst nach Einführung der deutschen BOStrab, da ab 1941 auch Straßenbahnwagen Fahrersitze erhielten.
Interessant wäre die Klärung der Frage, welche Überlegungen zu so einer Vorschrift geführt haben. Ich vermute, daß es wahrscheinlich um die Sicherheit und schnelle Erreichbarkeit der Bedieneinrichtungen für den Motorführer gegangen ist, da damals die Bedieneinrichtungen für einen stehenden Motorführer ausgelegt waren. Und das hat vermutlich wieder seinen Ursprung im stehenden (?) Kutscher der Pferdetramway.
Auf "das war immer so" konnte man sich jedenfalls nicht berufen, denn im schienenungebundenen Verkehr (Kutschen, Fiaker, Stellwagen-Omnibusse) scheinen ja Sitze für den Kutscher immer vorhanden gewesen zu sein. Jedenfalls glaube ich auf den von hema im "städtische Stellwagenunternehmung"-Faden geposteten Photos von Omnibussen aus der Zeit von etwa 1905 bis 1914 einen Sitzplatz für den Kutscher zu erkennen.
Offenbar hat man sich bei der Einführung der Pferdetramway mehr am Heizer und Lokführer von Dampflokomotiven als am Kutscher von Stellwagen, Fiakern, Kutschen und Omnibussen orientiert.
Interessant ist in diesem Zusammenhang auch, daß bei Einführung der elektrischen Straßenbahn die Verglasung der Plattformen nicht gestattet wurde, da dies nach damaliger Ansicht die Kommunikationsfähigkeit des Motorführers mit den übrigen Verkehrsteilnehmern zu stark eingeschränkt hätte und somit Sicherheitsbedenken hervorgerufen hat.