Autor Thema: [PM] Stürze: Öffis zur Haftung verurteilt  (Gelesen 14201 mal)

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13er

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[PM] Stürze: Öffis zur Haftung verurteilt
« am: 13. Mai 2013, 10:11:51 »
Schlechte Nachricht für die A1/B1 :D

Zitat
Stürze: Öffis zur Haftung verurteilt

Der Fahrgast muss sich anhalten, aber er braucht nicht mit einem plötzlichen Ruck zu rechnen.

Die öffentlichen Verkehrsbetriebe machen es sich gerne leicht, wie zwei ähnlich gelagerte Unglücksfälle in Wien und Innsbruck zeigen. Wenn ein Fahrgast stürzt, berufen sie sich auf die Allgemeinen Beförderungsbedingungen. Darin steht, dass sich die Passagiere einen „festen Halt“ verschaffen müssen.

So einfach ist das aber nicht, wie Oberlandesgericht (OLG) Wien und Oberster Gerichtshof (OGH) den Öffi-Betreibern beschieden.

Die 79-jährige Wienerin Elisabeth S. ließ ihr Ticket vom Automaten entwerten. Mit der linken Hand hielt sie sich dabei an einer Griffstange fest. In dem Moment fuhr der Tramwayfahrer mit der maximal möglichen Beschleunigung von 1,3 m/sec2 los. Der Ruck ist für einen Fahrgast, der sich in Längsrichtung abstützt, zu bewältigen. Wenn man aber quer steht, wie die rüstige alte Dame, hat man Schwierigkeiten, das Gleichgewicht zu halten. Elisabeth S. stürzte und verletzte sich schwer.

Die Wiener Linien weigerten sich, Schmerzensgeld zu leisten. Das Anfahren der Straßenbahn mit maximal möglicher Beschleunigung sei zulässig, die Frau hätte sich einen festen Halt verschaffen müssen.

Vom OLG kam ein kräftiges „Ja, aber.“ Im Urteil (zitiert in der ZVR, Manz), das den Wiener Linien die Haftung auferlegt, steht: Das Anfahren mit höchster Beschleunigung in einer Haltestelle, wo Fahrgäste typischerweise mit der Entwertung von Fahrscheinen befasst sind, ist – ohne verkehrsbedingte Notwendigkeit – ein Verstoß gegen die Sorgfalt. Das trifft den Triebwagenführer. Was die Sorgfalt der gestürzten Frau in eigenen Angelegenheiten betrifft, führte das Gericht den Konflikt des Fahrgastes vor Augen: Er muss sich fest anhalten, er muss aber auch unverzüglich seinen Fahrausweis entwerten. Im Einzelfall – z. B. vor einer Kurvenfahrt – kann es geboten sein, sich mit dem ganzen Körper Halt zu verschaffen. In diesem Fall musste Frau S. aber nicht mit so einem Anfahrtsruck rechnen und brauchte auch nicht mit dem Entwerten des Tickets abzuwarten.

In einem Innsbrucker Linienbus erhob sich eine Frau von ihrem Sitzplatz am Gang, um eine andere Frau von deren Fensterplatz aufstehen und durchschlüpfen zu lassen. Eine alltägliche Situation. Die Frau mit dem Gangplatz stürzte, weil der Busfahrer plötzlich abbremste.

Zweite Verurteilung

Die Innsbrucker Verkehrsbetriebe argumentierten, die Frau hätte nur ihre Beine zur Seite klappen brauchen, um die andere Frau vorbei zu lassen. Doch sie wurden verurteilt, die Haftung zu übernehmen. Der OGH beurteilt es als unzumutbar, sitzen zu bleiben und den Sitznachbarn „vorbeizwängen“ zu lassen. Man müsse in Öffis schon auch einmal gefahrlos aufstehen dürfen.

(kurier) Erstellt am 13.05.2013, 06:00

Quelle: http://kurier.at/chronik/wien/stuerze-oeffis-zur-haftung-verurteilt/12.181.207
Mit uns kommst du sicher... zu spät.

E2

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Re: [PM] Stürze: Öffis zur Haftung verurteilt
« Antwort #1 am: 13. Mai 2013, 10:32:57 »
Na, dann wirds halt umgedreht.

Fahrer beschleunigt - rumpel - öha, da hats an aufghaut - Notbremsung.

Schuld dann natürlich:

[  ] schwarze Katze
[  ] brauner Hund
[  ] schwarzer BMW
[  ] roter Kombi

zutreffendes bitte ankreuzen
letztere wahlweise mit unbekanntem, ausländischen Kennzeichen.  :o

95B

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Re: [PM] Stürze: Öffis zur Haftung verurteilt
« Antwort #2 am: 13. Mai 2013, 10:33:56 »
Man müsste einmal den Ruck messen, der beim Aktivieren der Haltebremse auftritt. Der ist meiner Einschätzung nach ungleich höher als bei einem "Kavalierstart".
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Re: [PM] Stürze: Öffis zur Haftung verurteilt
« Antwort #3 am: 13. Mai 2013, 10:50:20 »
Daß der OGH beim Beschleunigen die Verantwortung dem Verkehrsunternehmen zuweist, ist ja halbwegs noch zu verstehen (obwohl ich es auch lächerlich finde). Beim Bremsen ist es allerdings völlige Idiotie. Die Leute sollen die Schuld nicht immer jemandem anderen geben, mehr Eigenverantwortung.
Ich verstehe das Konzept dahinter nicht und bin generell dagegen.

E2

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Re: [PM] Stürze: Öffis zur Haftung verurteilt
« Antwort #4 am: 13. Mai 2013, 11:06:36 »
Daß der OGH beim Beschleunigen die Verantwortung dem Verkehrsunternehmen zuweist, ist ja halbwegs noch zu verstehen (obwohl ich es auch lächerlich finde). Beim Bremsen ist es allerdings völlige Idiotie. Die Leute sollen die Schuld nicht immer jemandem anderen geben, mehr Eigenverantwortung.

Tja, da gibt's ja eh die Schilder/Tafeln

"Bitte bedenken Sie die Möglichkeit einer Notbremsung und benutzen Sie die Haltegriffe"

Nur wenn das Unfallkommando in jedem Fotoakt diesbezüglich ein Bildchen davon drinhat und einen Satz in die Meldung schreibt, wird zu wenig sein.

Ich denke an Schocktherapie:

"Bedenken Sie die Möglichkeit einer Notbremsung und halten sie sich fest. Schmerzensgeld gibts nicht!"

... und dazu dann noch ein Bildchen mit blutverschmiertem Gesicht und ausgeschlagenen Zähnen (analog der Sinnlos-Anti-Raucher-Werbung)

hema

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Re: [PM] Stürze: Öffis zur Haftung verurteilt
« Antwort #5 am: 13. Mai 2013, 11:51:17 »
Meist geht es ja um den Tip aus der Verwandtschaft "Hearst, bist deppert? Da klogst anfach, dann kriagst a Göld!". Amerika lässt grüßen!  ::)
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E2

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Re: [PM] Stürze: Öffis zur Haftung verurteilt
« Antwort #6 am: 13. Mai 2013, 11:58:34 »
Ja, aber leider, leider.

Das meiste wird eingestellt, es sei denn, wirklich schwer(er) verletzt.

haidi

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Re: [PM] Stürze: Öffis zur Haftung verurteilt
« Antwort #7 am: 13. Mai 2013, 13:46:15 »
Bei der Innsbrucker Geschichte steht nicht dabei, warum der Busfahrer gebremst hat und das ist nach ein wesentlicher Punkt für das Urteil.
Hat er gebremst, weil ein anderes KFZ knapp vor ihm hineingeschnitten hat oder ein Kind zwischen den Autos rausgekommen ist, dann ists das Urteil unverständlich. (Ergänzt auf Grund dieses Postings
Hat er auf ein Fehlverhalten eines anderen Verkehrsteilnehmers zu wenig vorausschauend reagiert, dann sollte es auf Teilschuld (Bus, anderer) hinauslaufen
Hat er zu spät auf die Ampel reagiert oder auf die Haltestelle vergessen, dann ists ok.

Zur Straßenbahn: Digitales Anfahren erhöht unnötig die Gefahr des Sturzes, entsteht doch beim beschleunigen aus dem Stand der stärkste Ruck. Da muss man bei den ersten Metern entsprechend aufschalten. Aber das wird Siemens jetzt wahrscheinlich umprogrammieren und zwar für jeden Wagen extra.

Hannes
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95B

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Re: [PM] Stürze: Öffis zur Haftung verurteilt
« Antwort #8 am: 13. Mai 2013, 14:33:34 »
Zur Straßenbahn: Digitales Anfahren erhöht unnötig die Gefahr des Sturzes, entsteht doch beim beschleunigen aus dem Stand der stärkste Ruck. Da muss man bei den ersten Metern entsprechend aufschalten. Aber das wird Siemens jetzt wahrscheinlich umprogrammieren und zwar für jeden Wagen extra.
Es sollte ja eigentlich selbstverständlich sein, dass eine elektronische Motorsteuerung einen Kickstart des Sollwertgebers nicht 1:1 umsetzt, sondern "bloß" verhältnismäßig rasch auf maximale Beschleunigung aufregelt. Im Prinzip kann das jede Modellbahnlok mit Digitaldecoder, also sollte das für ein 87 mal größeres und entsprechend teureres Trumm erst recht zu bewerkstelligen sein.
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Re: [PM] Stürze: Öffis zur Haftung verurteilt
« Antwort #9 am: 13. Mai 2013, 14:37:54 »
Zur Straßenbahn: Digitales Anfahren erhöht unnötig die Gefahr des Sturzes, entsteht doch beim beschleunigen aus dem Stand der stärkste Ruck. Da muss man bei den ersten Metern entsprechend aufschalten. Aber das wird Siemens jetzt wahrscheinlich umprogrammieren und zwar für jeden Wagen extra.
Es sollte ja eigentlich selbstverständlich sein, dass eine elektronische Motorsteuerung einen Kickstart des Sollwertgebers nicht 1:1 umsetzt, sondern "bloß" verhältnismäßig rasch auf maximale Beschleunigung aufregelt. Im Prinzip kann das jede Modellbahnlok mit Digitaldecoder, also sollte das für ein 87 mal größeres und entsprechend teureres Trumm erst recht zu bewerkstelligen sein.

Das sollte sie jetzt schon können. Nur muss man es auch programmieren.
Weil ein menschlicher Hühnerstall nicht der Weisheit letzter Schluß sein kann.

95B

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Re: [PM] Stürze: Öffis zur Haftung verurteilt
« Antwort #10 am: 13. Mai 2013, 14:39:23 »
Das sollte sie jetzt schon können. Nur muss man es auch programmieren.
So meinte ich das ja. Dass es prinzipiell (hardwareseitig) möglich ist, steht ja außer Frage.
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Re: [PM] Stürze: Öffis zur Haftung verurteilt
« Antwort #11 am: 13. Mai 2013, 16:32:08 »
Geh, die fahren eh schon so "gebacken" an, besonders die Chopper! Ein Problem (mit einem Ruck) bereiten höchstens jene Züge, welche die Haltebremse recht spät und ruckartig lösen.


Aber die Frau ist sicher nicht gleich beim in Bewegung setzen gestürzt, sonder hat da vorerst ein wenig den Halt verloren und es dann beim folgenden stetigen Beschleunigen nicht mehr geschafft, sich irgendwo ausreichend zu sichern und ist dann leider gestürzt. Da braucht es keinen Ruck, da genügt der übliche Vortrieb. Jüngere Leute schaffen es in solchen Fällen meist locker sich mit ein paar Cha-cha-cha Schritten wieder Gleichgewicht zu verschaffen.
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Re: [PM] Stürze: Öffis zur Haftung verurteilt
« Antwort #12 am: 13. Mai 2013, 16:51:56 »
Das Bremsen hab ich auch schon mal gekostet. Etliche Jahre her, ich lümmelte in einem B am 43, Alser Straße, altes AKH, locker angelehnt ganz hinten, Jerry Cotton vorm Gesicht.
RATSCH - Notbremsung (er war recht flott unterwegs). Ich wurde dann bei der Fahrerkabine vorstellig. Einmal in Bewegung, kaum eine CHance, sich noch festzuhalten.  ;D

95B

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Re: [PM] Stürze: Öffis zur Haftung verurteilt
« Antwort #13 am: 13. Mai 2013, 16:54:59 »
Das Bremsen hab ich auch schon mal gekostet. Etliche Jahre her, ich lümmelte in einem B am 43, Alser Straße, altes AKH, locker angelehnt ganz hinten, Jerry Cotton vorm Gesicht.
RATSCH - Notbremsung (er war recht flott unterwegs). Ich wurde dann bei der Fahrerkabine vorstellig. Einmal in Bewegung, kaum eine CHance, sich noch festzuhalten.  ;D
Klar. Bei der Straßenbahn kommt eine Notbremsung immer plötzlich und ohne Vorwarnung. Bei der silbernen U-Bahn oder Eisenbahn kann man sich leichter drauf einstellen, weil deutlich vor dem Einsetzen der Bremswirkung das Pfauchen der entlüfteten Bremsleitung zu hören ist. :)
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Re: [PM] Stürze: Öffis zur Haftung verurteilt
« Antwort #14 am: 13. Mai 2013, 17:03:38 »
Klar. Bei der Straßenbahn kommt eine Notbremsung immer plötzlich und ohne Vorwarnung. Bei der silbernen U-Bahn oder Eisenbahn kann man sich leichter drauf einstellen, weil deutlich vor dem Einsetzen der Bremswirkung das Pfauchen der entlüfteten Bremsleitung zu hören ist. :)

In Kärnten hat bei der Heimfahrt von der Schullandwoche auch einer mal eine Waggonschnellbesichtigung gemacht, weil der Zug sich bei einem Bahnübergang eingeschliffen hat. Vermutlich ein wagemutiger Querer in letzter Sekunde.
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