Ich finde folgenden Bunker ziemlich interessant, tangiert er doch ein Thema, mit dem ich mich in meiner Diplomarbeit auseinandergesetzt habe: die in der Zeit des Ständestaates in Wien errichteten städtischen Familienasyle.
Zuerst einmal Text und Bilder von
geheimprojekte.at:
"Hier zwei Bilder eines Stahlbeton - Objektes an der Ecke Adalbert-Stifterstrasse / Leystrasse, das bei Bauarbeiten zum Vorschein kam. Es handelt sich um die Reste eines Luftschutzbunkers aus dem 2. Weltkrieg, der einstmals über 900 Personen Schutz bot. Die Mauerstärke betrug über 1 Meter. Das Objekt beherbergte 440 Liegeplätze, 460 Sitzplätze, Sanitäranlagen und sogar Gasschleusen."
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Ein kleiner Exkurs:
Zwischen 1934 und 1937/38 wurden, je nach Zählweise, sieben bzw. acht dieser Familienasyle für insgesamt rund 1.000 Familien errichtet (der achte Bau wurde erst kurz nach dem Anschluss fertiggestellt). Die Intention dieser Anlagen war, das "Zerreißen" von Familien im Fall von Wohnungsverlust und drohender Obdachlosigkeit zu verhindern, war es doch bis dahin üblich, die betroffenden Eltern in nach Geschlechtern getrennten Obdachlosenasylen und deren Kinder in Heimen unterzubringen. Die Entstehung der Familienasyle ist vor dem Hintergrund der Wirtschaftskrise jener Jahre zu sehen.
Das erste Familienasyl (
"St. Brigitta" , eine Plastik der Heiligen befand sich an der Fassade) wurde 1934/35 im 20. Bezirk an der Adalbert-Stifter-Straße gebaut. In unmittelbarer Nähe befanden sich zum einen das Kloster St. Leopold und zum anderen die riesige Wohnhausanlage am Friedrich-Engels-Platz (damals Pater-Abel-Platz). Das Asyl bot Platz für 216 Familien, die in Zimmer-Küche-Wohnungen untergebracht wurden. Die Planer kalkulierten mit Belagszahlen von vier bis fünf Personen, was bedeutete, das Familien mit nur einem Kind weiterhin "zerrissen" wurden, wohingegen bei größeren Familien regelmäßig Ausnahmen gemacht wurden. Die zwischenmenschliche Nähe war, um es so auszudrücken, in dem Gebäude besonders groß. Der Aufenthalt im Familienasyl war in der Theorie nur vorübergehend, da an die Arbeitslosigkeit des Familienvaters gekoppelt, in der Praxis aber dauernd, da nur die wenigsten einen Job fanden.
In den Wohnungen gab es zwar WC und fließendes Wasser (bassenaartig im Vorzimmer), aber kein Gas und Strom nur bedingt (bis zu den Wohnungen zugeleitet, in diesen selbst nur leere Rohre). Charakteristisch für das Brigittaasyl war die Erschließung der Wohnungen durch Pawlatschen (bis auf die Wohnungen im Erdgeschoß, die direkt vom Hof aus zugänglich waren) und die fehlende Unterkellerung. Das Heizmaterial musste im
Innenhof in ursprünglich nicht vorgesehenen Holzschuppen gelagert werden. Die später errichteten, ebenfalls nach Heiligen benannten Familienasyle orientierten sich dann mehr am klassischen Gemeindebau des verfemten Roten Wien. Sie sollten nach dem erhofften Ende der wirtschaftlichen Krisensituation zu gewöhnlichen Wohnhäusern umfunktioniert werden. Gespart wurde trotzdem, indem man etwa mit dem Einbau von hölzernen Stiegen experimentierte.
Die "Insassen" der Familienasyle, so eine zeitgenössische Bezeichnung, verhielten sich nicht selten renitent, was vor allem die den Asylen zugeteilten und dort in Dienstwohnungen lebenden Fürsorgerinnen zu spüren bekamen. Die Stadt Wien stellte dessen ungeachtet die Asyle bis weit ins Jahr 1937 hinein als Erfolgsstory dar. Erst im Dezember des Jahres konnte sich Bürgermeister Schmitz, auf dessen Initiative der Bau der Familienasyle zurückging, dazu durchringen, vor der Bürgerschaft auf die genannten Probleme einzugehen, die seinen Worten nach offensichtlich in St. Brigitta am stärksten zutage traten.
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Über die späteren Jahre weiß ich leider nur bruchstückhaft bescheid. Die Nationalsozialisten integrierten das Familienasylkonzept zu gewissen, mir nicht näher bekannten Teilen, in ihren Volkswohnbau. Die Bezüge zu den Erbauern und ihrer Ideologie - Namen, Aufschriften, Heiligenplastiken - wurden, soweit sie an exponierten Stellen sichtbar waren, entfernt. Stellenweise wurde "eigene" Kunst am Bau angebracht. Dem St.-Brigitta-Asyl fiel 1940 die besondere "Ehre" zuteil, um die oben erwähnte Bunkeranlage ergänzt zu werden, die im östlichen Teil des Innenhofes angelegt wurde. Das nördliche Eck des Familienasyls war hingegen im Weg und wurde abgebrochen.
Nach dem Krieg wurden die Familienasyle und damit auch das Brigittaasyl zu gewöhnlichen Gemeindebauten. 1950 erfolgte der Anschluss des Gebäudes an das städtische Gasnetz, 1981 der Abriss. Alle anderen Asylbauten existieren heute noch. Das Gelände wurde nachher jahrelang als Parkplatz für die nahe AUVA genutzt, ehe 1997 bis 2000 eine neue Wohnhausanlage auf dem Grundstück errichtet wurde, bei der es sich allerdings um keinem Gemeindebau mehr handelt. Vermutlich wurden die beiden Bilder oben zu Beginn der Bauarbeiten gemacht.
Ich finde es sehr schade, dass dieses Gebäude, welches, wie eben geschildert, so voller Geschichte war, einfach dem Erdboden gleich gemacht wurde.