Autor Thema: Wechselwirkungen Oberbau - Fahrzeug  (Gelesen 10294 mal)

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38ger

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Re: Wechselwirkungen Oberbau - Fahrzeug
« Antwort #15 am: 22. Oktober 2017, 22:35:22 »
Aber warum sollen solche Gelenkniederflurwagen gleisschonender sein? Das Gesamtgewicht (42t auf 32 Meter) ist ja nicht weniger, als beim ULF (43t auf 35 Meter) - zum Vergleich wiegt E1+c3 nur 34t. Oder kommen Multigelenkwagen auf ein noch höheres Gewicht?
Oder überschätze ich den Einfluss des Fahrzeuggewichts auf den Fahrweg?
ULF: 12, Skoda 16 Räder - 3,6 bzw. 2,6 Tonnen/Rad. Sind immerhin um 38% mehr. Dazu kommt noch das gleismordende Verhalten der 1. und der letzten Achse des ULFs in Gleisbögen.

Naheliegende Rechnung, Danke. Beim (langen Einrichtungs-) Flexity Berlin ist das Gewicht mit 50t und 14 Achsen (also 3,6t/Achse) auch so hoch, wie beim ULF. Erklärt einiges - außer die eh schon gestellte Frage, warum es dann den Trend zu Multigelenkwägen gibt.
Der Berliner Flexity hat 1,8 t/Rad - sogar niedriger wie der Skoda.

Sorry, heut ist wohl echt nicht mein Tag ... dann ist mir aber unverständlich, warum hier im Forum Multigelenkfahrzeuge so verteufelt werden ... sind die Radsätze da so viel instabiler, dass sie trotz des niedrigeren Gewichtes mehr Abnutzungen an der Gleisinfrastruktur anrichten, als Niederflurgelenkfahrzeuge mit konventionellen Drehgestellen?
(Danke für die Geduld mit mir btw!)

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Re: Wechselwirkungen Oberbau - Fahrzeug
« Antwort #16 am: 22. Oktober 2017, 22:43:23 »
ULF: 12, Skoda 16 Räder - 3,6 bzw. 2,6 Tonnen/Rad. Sind immerhin um 38% mehr. Dazu kommt noch das gleismordende Verhalten der 1. und der letzten Achse des ULFs in Gleisbögen.

Naheliegende Rechnung, Danke. Beim (langen Einrichtungs-) Flexity Berlin ist das Gewicht mit 50t und 14 Achsen (also 3,6t/Achse) auch so hoch, wie beim ULF. Erklärt einiges - außer die eh schon gestellte Frage, warum es dann den Trend zu Multigelenkwägen gibt.
Der Berliner Flexity hat 1,8 t/Rad - sogar niedriger wie der Skoda.
Wobei hier wohl anzunehmen ist, dass der Verschleiß zudem nicht linear mit der Achslast korreliert, sondern mit irgendeiner Potenz von mindestens 2 (das heißt: doppelte Achslast bringt vierfache Abnützung, oder eben noch extremer).
"das korrupteste Nest auf dem weiten Erdenrund"
Mark Twain über die Wienerstadt.

haidi

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Re: Wechselwirkungen Oberbau - Fahrzeug
« Antwort #17 am: 22. Oktober 2017, 22:55:18 »
Der Berliner Flexity hat 1,8 t/Rad - sogar niedriger wie der Skoda.

Sorry, heut ist wohl echt nicht mein Tag ... dann ist mir aber unverständlich, warum hier im Forum Multigelenkfahrzeuge so verteufelt werden ... sind die Radsätze da so viel instabiler, dass sie trotz des niedrigeren Gewichtes mehr Abnutzungen an der Gleisinfrastruktur anrichten, als Niederflurgelenkfahrzeuge mit konventionellen Drehgestellen?
(Danke für die Geduld mit mir btw!)
Da hab ich auch mein Scherflein beigetragen - die Radlast ist weniger üblich als die Achslast.
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Superguppy

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Re: Wechselwirkungen Oberbau - Fahrzeug
« Antwort #18 am: 22. Oktober 2017, 23:40:34 »
Wobei hier wohl anzunehmen ist, dass der Verschleiß zudem nicht linear mit der Achslast korreliert, sondern mit irgendeiner Potenz von mindestens 2 (das heißt: doppelte Achslast bringt vierfache Abnützung, oder eben noch extremer).
Zumindest im Zusammenhang mit Autobahnen hab ich mal gehört, dass die Fahrbahnabnutzung mit der vierten Potenz des Fahrzeuggewichts steigt. Keine Ahnung, ob das auf Schienenfahrzeuge genauso zutrifft...

4463

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Re: Wechselwirkungen Oberbau - Fahrzeug
« Antwort #19 am: 23. Oktober 2017, 15:38:08 »
Wobei hier wohl anzunehmen ist, dass der Verschleiß zudem nicht linear mit der Achslast korreliert, sondern mit irgendeiner Potenz von mindestens 2 (das heißt: doppelte Achslast bringt vierfache Abnützung, oder eben noch extremer).
Zumindest im Zusammenhang mit Autobahnen hab ich mal gehört, dass die Fahrbahnabnutzung mit der vierten Potenz des Fahrzeuggewichts steigt. Keine Ahnung, ob das auf Schienenfahrzeuge genauso zutrifft...
Ich nehme an, dass es bei Schienenfahrzeugen, was die horizontale Kraftkomponente betrifft, anders ist als bei Straßenfahrzeugen, denn Schienenfahrzeuge (besonders Straßenbahnen) werden durch enge Bögen ja nicht durch Reibungskräfte geführt, sondern durch "anstoßen" (unelastischer Stoß, dadurch Abnützung von Radreifen und Schiene) mit dem Spurkranz an den Schienenkopf (bei großen Bögen der "großen" Bahn funktioniert das anders, da ist das leicht konische Profil der Radreifen dafür verantwortlich, da bräuchte man – zumindest theoretisch – keine Spurkränze).
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denond

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Re: Wechselwirkungen Oberbau - Fahrzeug
« Antwort #20 am: 23. Oktober 2017, 18:45:54 »
Gerade was Multigelenker "mögen" und nicht, ist mittlerweile recht gut abschätzbar.

Man muss halt den Gleisbau aber auch die Wartung (Erneuerung) darauf auslegen, und nicht einsparen. Das primäre Problem sind ja bei uns nicht die ULFe, sondern die Einsparungen in der Erhaltung.

Man kann die Betriebe zwar nicht vergleichen, aber lernen könnte man von dort allemal:    Z ü r i c h

Multigelenker (Cobra) sowohl in der Innenstadt als auch hinaus zum Flughafen, Tram 2000 in den verschiedensten Zugzusammenstellungen mit div. blinden Kühen:  einfach erfahrungsreich

MMn sind aber auch die ULFe nicht ganz schuldlos am derzeitigen Gleiszustand. Wie sonst hat sich kein einziger Betrieb weltweit - außer Oradea, da wohl durch die EU und Siemens zwangsbeglückt - für diese Bauform entschieden.

KSW

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Re: Wechselwirkungen Oberbau - Fahrzeug
« Antwort #21 am: 23. Oktober 2017, 19:07:13 »
Sorry, heut ist wohl echt nicht mein Tag ... dann ist mir aber unverständlich, warum hier im Forum Multigelenkfahrzeuge so verteufelt werden ... sind die Radsätze da so viel instabiler, dass sie trotz des niedrigeren Gewichtes mehr Abnutzungen an der Gleisinfrastruktur anrichten, als Niederflurgelenkfahrzeuge mit konventionellen Drehgestellen?
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Sie werden ja jetzt auch nicht verteufelt, aber sie sind halt nun mal (meist) keine echten Drehgestell-Fahrzeuge, sondern haben Fahrgestelle (starr = schlecht, z.B. Combino; beweglich = besser, z.B. Flexity) mit Einzelrädern, wodurch der Sinuslauf nicht so schön erreicht wird wie mit durchgehenden Achsen.
Dazu kommen die recht hohen Scherkräfte an den Gelenken, die Gelenk/Kasten wie auch Fahrgestell und Fahrweg zusätzlich belasten, insbesondere wenn die Belastungen wie beim Combino etwas unterschätzt wurden.
Dennoch fährt sich ein Multigelenker mit Minimal-Drehgestellen (Fahrwerk kann ggü. dem Kasten etwas ausdrehen) UND Schlinger-Dämpfer in den Gelenken unvergleichlich ruhig, gerade auch bei schlechter Gleislage. Grund: die Gelenke können anders als bei Ulf oder auch den Hochflurern nicht in alle Richtungen drehen.
Sprich: In Längsrichtung ist der Kasten gegen Verdrehung stabil, Wankbewegungen werden einzig vom Fahrwerk ausgeglichen. 1 Gelenk je Zwischen-Fahrwerksmodul kann sich zusätzlich horizontal bewegen, alle anderen Gelenke nur vertikal.
Damit entfällt das "Rauhe-See"-Feeling bei schlechtem Unterbau komplett.

Taurus

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Re: Wechselwirkungen Oberbau - Fahrzeug
« Antwort #22 am: 23. Oktober 2017, 20:22:04 »
Der Flexity hat aber richtige Drehgestelle, oder?


MMn sind aber auch die ULFe nicht ganz schuldlos am derzeitigen Gleiszustand. Wie sonst hat sich kein einziger Betrieb weltweit - außer Oradea, da wohl durch die EU und Siemens zwangsbeglückt - für diese Bauform entschieden.
Ob das wirklich ein Grund ist?
Praktisch scheiterts wohl an der zu niedrigen Einstiegshöhe >:D

Es ist glaube ich gar nicht so leicht bei einer Ausschreibung die Gleisfreundlichkeit zu bewerten.

denond

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Re: Wechselwirkungen Oberbau - Fahrzeug
« Antwort #23 am: 23. Oktober 2017, 21:06:21 »
Der Flexity hat aber richtige Drehgestelle, oder?

Nein, wird er nicht haben.

Mit dem heutigen Wissensstand über die div. Fahrzeugtechniken der Fahrzeugindustrie können heute Verkehrsbetriebe sehr wohl Abschätzen, welche Fahrwerkskonstruktion für ihren Betrieb eine gute Wahl wäre und danach entscheiden. Das Design ist dann nur mehr eine D'raufgabe und Geschmacksache.
Wenn man daraus ein Politikum macht, sind diese Vorteile zweifelsohne dahin...

Störungen im Gleisbereich oder momentan auftretende Phänomäne können auch beim besten (gepflegten) Gleiskörper auftreten (siehe Problem bei den Basler Verkehrsbetrieben das sich seit 2014 zeigte, Dokumentiert in der EB-Revue 6/2017) die vor dem Probelm eines außerordentlichen Schienenverschleisses an einigen Punkten in ihrem Netz standen. Eine intensiv betriebene Ursachensuche war erfolgreich. Ich frag mich: wo suchen die Wiener Linien?  Ich glaub', auch das System Rheinfeder wird ihnen da nicht viel weiterhelfen können. Zumindest solange der ULF unterwegs ist.
Keine Frage: man muß solch eine Konstruktion im rauhen Alltagsbetrieb testen um urteilen zu können. Nicht aber in einer Großserie. Da hat man eindeutig die A....-Karte gezogen.

Kleine Zahlenspielerei: Mein heutiger Beitrag 301 wird die erste Nummer eines Triebwagens der Type D   ^-^.


hema

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Re: Wechselwirkungen Oberbau - Fahrzeug
« Antwort #24 am: 23. Oktober 2017, 21:12:51 »
. . . . (bei großen Bögen der "großen" Bahn funktioniert das anders, da ist das leicht konische Profil der Radreifen dafür verantwortlich, da bräuchte man – zumindest theoretisch – keine Spurkränze).
Das solltest du mal ausprobieren!   :o
Niemand ist gezwungen meine Meinung zu teilen!

Taurus

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Re: Wechselwirkungen Oberbau - Fahrzeug
« Antwort #25 am: 23. Oktober 2017, 22:00:24 »
Bombardier wirbt mit "conventional wheel-set bogies" (sprich konventionelle Drehgestelle mit Radsätzen, oder was meint Bombardier sonst?)

. . . . (bei großen Bögen der "großen" Bahn funktioniert das anders, da ist das leicht konische Profil der Radreifen dafür verantwortlich, da bräuchte man – zumindest theoretisch – keine Spurkränze).
Das solltest du mal ausprobieren!   :o
Die große Bahn braucht ja nicht einmal Schienen.
https://youtu.be/_fAnkYRw8Bk
Dieses "Forschungsvideo" ist auch der Grund warum man in Wien kein Problem mit Schienenbrüchen hat.

hema

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Re: Wechselwirkungen Oberbau - Fahrzeug
« Antwort #26 am: 24. Oktober 2017, 01:13:29 »
Bombardier wirbt mit "conventional wheel-set bogies" (sprich konventionelle Drehgestelle mit Radsätzen, oder was meint Bombardier sonst?)

Die Drehgestelle an sich sind durchaus konventionell, nur nicht ihre Anwendung. Sie funktionieren nicht freibewegend unter den Wagenkästen, da ja Untergestell und Aufbauten in ihrer Bewegung quasi "entkoppelt" sind, also während diese Gestelle als kleine Wägelchen wie gewohnt durch Gerade und Bogen fahren, windet sich drüber die Schlange der Wagenkästen nach eigenen Gesetzen. Bei Bogenfahrt wird sie gegen Federkräfte zum Abknicken gezwungen, geht es wieder geradeaus, windet sie sich zuerst ein wenig und wird dann durch die Federn zwischen den Elementen wieder steif.

Irgendwie eine "technische Krücke", finde ich, wo doch einfachere und bessere Lösungen längst schon existieren. Ist halt der innere Zwang zum Fortschritt bzw. zu dem, was man dafür hält und vehementest als solchen verteidigt (kennen wir doch vom ULF  >:D )!
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4463

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Re: Wechselwirkungen Oberbau - Fahrzeug
« Antwort #27 am: 24. Oktober 2017, 15:02:26 »
. . . . (bei großen Bögen der "großen" Bahn funktioniert das anders, da ist das leicht konische Profil der Radreifen dafür verantwortlich, da bräuchte man – zumindest theoretisch – keine Spurkränze).
Das solltest du mal ausprobieren!   :o
Wie gesagt: in der Theorie kann man die Räder der "großen" Bahn durch zwei liegende Kegel annähern, deren Spitzen nach außen stehen und deren Grundflächen einander in der Gleismitte berühren. Damit erreicht man genau einen Sinuslauf (auf leicht nach innen geneigten Schienenköpfen). Und wenn es eine Kurve gibt, läuft der Kegel am Innenbogen hin zum kleinerem Durchmesser, der am Außenbogen zu größerem, wodurch (bei natürlich identischer Winkelgeschwindigkeit, also quasi wie die Verbindung mittels einer starren Achse) außen eine weitere Strecke zurückgelegt wird als innen - ergo, es wird ein Bogen gefahren. Dass in der Praxis keine exakte Kegelform und darüber hinaus Spurkränze mit Übergangsrundungen vom Radreifen zum Spurkranz eingesetzt werden, liegt daran, dass die Praxis Anforderungen wie z.B. Herzstücke stellt, die sonst nicht verwendbar wären. Und die verschiedenen, an den Einsatzzweck angepassten Schienenprofile (oder auch nicht angepassten, wie S48U  >:D ), verhindern natürlich auch eine "ideale" Welt, wie sie in der Theorie vorkommt.
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Katana

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Re: Wechselwirkungen Oberbau - Fahrzeug
« Antwort #28 am: 24. Oktober 2017, 22:05:28 »
Du rechnest also mit der Geschwindigkeit genau angepassten Bogenüberhöhungen, oder du hast irgendwo einen Schalter für die Zentrifugalkraft, oder du rechnest mit einer extremen, praxisfremden Konizität der Räder.
Wie gesagt: in der Theorie kann man die Räder der "großen" Bahn durch zwei liegende Kegel annähern, deren Spitzen nach außen stehen und deren Grundflächen einander in der Gleismitte berühren.
Diese Theorie ignoriert die Notwendigkeit von Achslagern bei Fahrzeugen.

4463

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Re: Wechselwirkungen Oberbau - Fahrzeug
« Antwort #29 am: 25. Oktober 2017, 16:24:10 »
Wie gesagt: in der Theorie kann man die Räder der "großen" Bahn durch zwei liegende Kegel annähern, deren Spitzen nach außen stehen und deren Grundflächen einander in der Gleismitte berühren.
Diese Theorie ignoriert die Notwendigkeit von Achslagern bei Fahrzeugen.
Deshalb ist es ja eine "Theorie" – sie beschreibt mathematisch ein idealisiertes System. Von diesem ausgehend kann man sich dann unter Hinzufügen von Randbedingungen (Achslager, andere Radprofile, nicht exakt passende Kurvengeometrie,...) der Realität nähern.
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