Autor Thema: Einstellung von Straßenbahnlinien und Zusammenbruch der Nahversorgung  (Gelesen 14141 mal)

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Rene

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Hallo!

Gibt es eine Korrelation zwischen der Einstellung von Straßenbahnlinien in Wien mit dem Zusammenbruch der Nahversorgung?

13er - Belvederegasse, Rainergasse, Seisgasse
Neubaugasse vor der Umgestaltung der Oberfläche

innere Favoritenstraße

innere Mariahilfer Straße nach dem U-Bahn-Bau und vor der Umgestaltung der Oberfläche im Rahmen von Maßnahmen über die MA 19

Einstellung der Linien in Richtung Hernalser Hauptstraße von Kaisermühlen etc., ... kommend

21er im 02. Bezirk, Abzweig Heinestraße/Mühlfeldgasse

Wagramer Straße - lebt weiter (5.000 m² Einkaufsfläche), Durchzugsverkehr
, ...

Liechtensteinstraße
Garnisonsgasse/Schwarzspanierstraße
Burggasse - Gablenzgasse

Westbahnstraße - gab es dort immer schon Probleme?

Weitere Linien bzw. angrenzende Straßen?

Mit zu berücksichtigen wären aber auch die Konsumwellen (Essen, Wohnung, Auto, ...) oder eine andere Bevölkerung (Sprache, Kultur, Einkommen z.T. gleich geblieben) in Richtung Südtiroler Platz/Margaretengürtel; Konkurrenz am Stadtrand, Einstellungen der Leute und weitere Indikatoren.

Bilder zur Entwicklung finden ich sicherlich auf www.bildstrecke.at

Mit freundlichen Grüßen

René

13er

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Re: Einstellung von Straßenbahnlinien und Zusammenbruch der Nahversorgung
« Antwort #1 am: 23. Februar 2016, 08:59:04 »
Es wird schon mit eine Auswirkung gehabt haben, aber die Nahversorgung brach in Wien (wie in anderen Städten) überall ein, als die großen Supermärkte und später noch mehr die Einkaufszentren aufkamen. Ich weiß nicht, ob man das so gut trennen kann. Es gibt heute Straßen, die mit Straßenbahn gut funktionieren (z.B. Alser Straße, Währinger Straße, Josefstädter Straße, ...) und welche, die mit Straßenbahn am Eingehen sind (z.B. Lerchenfelder Straße, Alserbachstraße, ...).

Das ganze ist aber keinesfalls monokausal zu sehen.
Mit uns kommst du sicher... zu spät.

95B

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Re: Einstellung von Straßenbahnlinien und Zusammenbruch der Nahversorgung
« Antwort #2 am: 23. Februar 2016, 09:07:27 »
Das Ganze hängt am ehesten mit der Umgestaltung der entsprechenden Straßen nach Aufgabe der Straßenbahn zusammen. Manche blieben weiterhin für Fußgänger erträglich, andere wurden zu Autohöllen und sind dementsprechend versandelt (Reinprechtsdorfer Straße, Sechshauser Straße, Burggasse, ...).

Aber auch Dinge wie die weitestgehende Aufgabe des innerstädtischen sekundären Sektors und die Veränderung der Bevölkerungsstruktur spielen da mit, genau so wie die in der Vergangenheit rasch ansteigende Motorisierung, die es der Bevölkerung erlaubte, bei gleichbleibendem Zeitaufwand viel größere Distanzen zurückzulegen (was natürlich auch prompt geschah und letzten Endes zur Entstehung des Speckgürtels und der Einkaufszentren auf der grünen Wiese führte).

Dieses ganze System in all seiner Komplexität zu durchleuchten, hat den "Gegenwert" etlicher Doktorarbeiten.
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moszkva tér

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Re: Einstellung von Straßenbahnlinien und Zusammenbruch der Nahversorgung
« Antwort #3 am: 23. Februar 2016, 09:39:51 »
Der Niedergang des Einzelhandels in Innenstädten bzw. die Konzentration auf wenige überregionale Zentren / Geschäftsstraßen war (und ist) ein genereller Trend der letzten 50 Jahre. Die Straßenbahn hat punktuell sicher einen Einfluss gehabt, aber das Nicht-Einstellen von Straßenbahnlinien alleine hätte schlechte Geschäftsstraßen sicher nicht retten können.

Was man übrigens auch nicht vernachlässigen sollte: Die Verkaufsflächen in Wien samt Umland werden immer mehr. Alle paar Jahre kommt praktisch eine ganze Mariahilfer Straße dazu. Die Kaufkraft bleibt aber mehr oder weniger gleich - ok., das Bevölkerungswachstum muss man noch einrechnen, da kommt an Kaufkraft schon etwas dazu. Also man kann sich ausrechnen, wenn die gleiche Menge an Geld nun in - sagen wir - 10 % mehr Geschäften ausgegeben wird, was dann passieren muss.


60er

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Re: Einstellung von Straßenbahnlinien und Zusammenbruch der Nahversorgung
« Antwort #4 am: 23. Februar 2016, 10:03:14 »
Im Zuge der Zielpunkt-Pleite wurde eh darüber diskutiert. So viel Verkaufsfläche pro Einwohner wie in Österreich gibt es in kaum einem anderen Land. Mittlerweile haben wir einen Punkt erreicht, wo selbst kleinere Einkaufszentren nicht mehr konkurrenzfähig sind (bestes Beispiel ist der Einkaufsspitz in Floridsdorf) und schließen müssen. Noch härter trifft es die Einkaufsstraßen und auch da natürlich besonders die kleineren, schlechter gelegenen. Mariahilfer und Kärntner Straße werden es überleben.

luki32

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Re: Einstellung von Straßenbahnlinien und Zusammenbruch der Nahversorgung
« Antwort #5 am: 23. Februar 2016, 10:11:12 »
Im Zuge der Zielpunkt-Pleite wurde eh darüber diskutiert. So viel Verkaufsfläche pro Einwohner wie in Österreich gibt es in kaum einem anderen Land. Mittlerweile haben wir einen Punkt erreicht, wo selbst kleinere Einkaufszentren nicht mehr konkurrenzfähig sind (bestes Beispiel ist der Einkaufsspitz in Floridsdorf) und schließen müssen. Noch härter trifft es die Einkaufsstraßen und auch da natürlich besonders die kleineren, schlechter gelegenen. Mariahilfer und Kärntner Straße werden es überleben.

Und nicht zu vergessen, da muß ich einem Vorposter widersprechen, die Einkaufskraft bleibt durch das immer mehr sinkende Lohnniveau sicher nicht gleich.

mfG
Luki
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60er

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Re: Einstellung von Straßenbahnlinien und Zusammenbruch der Nahversorgung
« Antwort #6 am: 23. Februar 2016, 10:21:31 »
Und nicht zu vergessen, da muß ich einem Vorposter widersprechen, die Einkaufskraft bleibt durch das immer mehr sinkende Lohnniveau sicher nicht gleich.
Und trotzdem kaufen die Leute ein, wie kaum jemals zuvor. Immer häufiger werden halt Dinge bei großen Anbietern im Internet gekauft, auch das spüren die Einzelhändler.

95B

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Re: Einstellung von Straßenbahnlinien und Zusammenbruch der Nahversorgung
« Antwort #7 am: 23. Februar 2016, 10:41:18 »
Wen wundert es? Viele Einzelhändler (besonders die größeren Ketten) bieten überhaupt kein Service an: überteuerte Produkte, desinteressiertes Personal, das keineswegs in der Lage ist, dem ratlosen Kunden zu helfen, weil es nicht einmal die auf den Schildern vorhandenen Produktbeschreibungen herunterstammeln kann, Behandlung des Kunden gleich einem Schwerverbrecher, wenn das tolle Produkt dank fehlender herstellerseitiger Endkontrolle reklamiert werden muss etc.

Die meisten Leute gehen halt zu den großen Märkten und wenden sich nachher enttäuscht dem Internetversandhandel zu. Ich habe mein letztes größeres Haushaltsgerät bei einem kleinen Händler ums Eck gekauft, bekam es bereits am selben Tag geliefert und aufgestellt (ohne dass ich diskutieren musste, dass die Lieferung nur bis zur Türschwelle erfolgt oder so) – und billiger als im Ich-bin-doch-so-blöd-Markt war es auch noch. 8)

Ähnliches hat sich abgespielt, als ich vor langer Zeit meine erste DSLR gekauft habe. Als ahnungsloser Neukunde hatte ich wenig Ahnung, wusste aber, zwischen welchen zwei Modellen ich mich entscheiden würde. Daraufhin habe ich geschaut, welche Geschäfte es bei mir in der Umgebung gibt, die beide Modelle führen. Ergebnis: Niedermeyer und Hartlauer. Den Niedermeyer habe ich kurze Zeit später mehr oder weniger fluchtartig verlassen, da mir der desinteressierte Kassaladenbeweger nicht im Geringsten weiterhelfen konnte. Beim Hartlauer gab es einen kompetenten Verkäufer, ich konnte beide Modelle in die Hand nehmen und habe mich gut beraten gefühlt. Ich kann also gut nachvollziehen, warum der Niedermeyer eingegangen ist und "Ihr Robert" Hartlauer überlebt hat.

So geht es vielen Geschäften – wenn ein Dienstleister keine Dienstleistung erbringt, hat er über kurz oder lang kein Leiberl.
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SheepJoe

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Re: Einstellung von Straßenbahnlinien und Zusammenbruch der Nahversorgung
« Antwort #8 am: 23. Februar 2016, 11:19:34 »
Wen wundert es? Viele Einzelhändler (besonders die größeren Ketten) bieten überhaupt kein Service an: überteuerte Produkte, desinteressiertes Personal, das keineswegs in der Lage ist, dem ratlosen Kunden zu helfen, weil es nicht einmal die auf den Schildern vorhandenen Produktbeschreibungen herunterstammeln kann, Behandlung des Kunden gleich einem Schwerverbrecher, wenn das tolle Produkt dank fehlender herstellerseitiger Endkontrolle reklamiert werden muss etc.

Die meisten Leute gehen halt zu den großen Märkten und wenden sich nachher enttäuscht dem Internetversandhandel zu. Ich habe mein letztes größeres Haushaltsgerät bei einem kleinen Händler ums Eck gekauft, bekam es bereits am selben Tag geliefert und aufgestellt (ohne dass ich diskutieren musste, dass die Lieferung nur bis zur Türschwelle erfolgt oder so) – und billiger als im Ich-bin-doch-so-blöd-Markt war es auch noch. 8)

Ähnliches hat sich abgespielt, als ich vor langer Zeit meine erste DSLR gekauft habe. Als ahnungsloser Neukunde hatte ich wenig Ahnung, wusste aber, zwischen welchen zwei Modellen ich mich entscheiden würde. Daraufhin habe ich geschaut, welche Geschäfte es bei mir in der Umgebung gibt, die beide Modelle führen. Ergebnis: Niedermeyer und Hartlauer. Den Niedermeyer habe ich kurze Zeit später mehr oder weniger fluchtartig verlassen, da mir der desinteressierte Kassaladenbeweger nicht im Geringsten weiterhelfen konnte. Beim Hartlauer gab es einen kompetenten Verkäufer, ich konnte beide Modelle in die Hand nehmen und habe mich gut beraten gefühlt. Ich kann also gut nachvollziehen, warum der Niedermeyer eingegangen ist und "Ihr Robert" Hartlauer überlebt hat.

So geht es vielen Geschäften – wenn ein Dienstleister keine Dienstleistung erbringt, hat er über kurz oder lang kein Leiberl.

Dem ist nichts hinzuzufügen  >:D

Wattman

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Re: Einstellung von Straßenbahnlinien und Zusammenbruch der Nahversorgung
« Antwort #9 am: 23. Februar 2016, 13:52:56 »
Schaut's, das ist ganz einfach: ohne Straßenbahn stirbt die Stadt. 8)
Darum frei nach Lueger: "Ich fürchte nichts für diese Stadt,
solang sie eine Tramway hat!" :lamp:
 

moszkva tér

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Re: Einstellung von Straßenbahnlinien und Zusammenbruch der Nahversorgung
« Antwort #10 am: 23. Februar 2016, 13:58:00 »
Darum frei nach Lueger: "Ich fürchte nichts für diese Stadt,
solang sie eine Tramway hat!" :lamp:
Was a Tramway is, bestimm i!

HLS

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Re: Einstellung von Straßenbahnlinien und Zusammenbruch der Nahversorgung
« Antwort #11 am: 23. Februar 2016, 14:46:52 »
Darum frei nach Lueger: "Ich fürchte nichts für diese Stadt,
solang sie eine Tramway hat!" :lamp:
Was a Tramway is, bestimm i!
Und nennt sich jetzt U1-U6, die U5 ist ja auch nimmer weit.
"Grüß Gott"

Ich fühle mich nicht zu dem Glauben verpflichtet, dass derselbe Gott, der uns mit Sinnen, Vernunft und Verstand ausgestattet hat, von uns verlangt, dieselben nicht zu benutzen. Dieter Nuhr

Rene

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Re: Einstellung von Straßenbahnlinien und Zusammenbruch der Nahversorgung
« Antwort #12 am: 23. Februar 2016, 18:26:10 »
Danke. Das sind eine Reihe von weiteren Aspekten, ..

Ist ggf. noch etwas zur unteren Hernalser Hauptstraße (Gürtel - Eterleinplatz) oder inneren Favoriten Straße bekannt?

Bis in die 1970er Jahre mussten 2/3 der Wiener Bevölkerung auf dem Weg zur Arbeit nicht die Bezirksgrenzen verlassen. Die Absiedlung gewisser Gewerbe hat zu längeren Wegen und dem Wegfall von Kunden geführt. Dies dürfte z.B. in der Märzstraße der Fall gewesen sein. Sicherlich spielen auch Familien und die Bereitschaft in Einzelhandelsunternehmen zu arbeiten versus Weiterbildung, Karriere, ... eine Rolle.

Meiselmarkt: Hier hat sich ein kleiner Baumarkt angesiedelt. Praktisch: Baumarkt kommt retour. Korrekt ist leider auch, dass man z.T. auf die Dienstleistungswüste trifft.

Auf der anderen Seite gibt es Beispiele, wo die U-Bahn zum Kaufkraftabfluss aus Bezirken führt.


W_E_St

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Re: Einstellung von Straßenbahnlinien und Zusammenbruch der Nahversorgung
« Antwort #13 am: 26. Februar 2016, 18:39:30 »
Hat sich nicht auch mietrechtlich was geändert, wodurch kleine Geschäfte durch plötzlich rapide steigende Mieten zum Aufgeben gezwungen wurden?
"Sollte dies jedoch der Parteilinie entsprechen, werden wir uns selbstverständlich bemühen, in Zukunft kleiner und viereckiger zu werden!"

(aus einer Beschwerde über viel zu weit und kurz geschnittene Pullover in "Good Bye Lenin")

18er

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Re: Einstellung von Straßenbahnlinien und Zusammenbruch der Nahversorgung
« Antwort #14 am: 26. Februar 2016, 19:17:36 »
Danke. Das sind eine Reihe von weiteren Aspekten, ..

Ist ggf. noch etwas zur unteren Hernalser Hauptstraße (Gürtel - Eterleinplatz) oder inneren Favoriten Straße bekannt?

Bis in die 1970er Jahre mussten 2/3 der Wiener Bevölkerung auf dem Weg zur Arbeit nicht die Bezirksgrenzen verlassen. Die Absiedlung gewisser Gewerbe hat zu längeren Wegen und dem Wegfall von Kunden geführt. Dies dürfte z.B. in der Märzstraße der Fall gewesen sein. Sicherlich spielen auch Familien und die Bereitschaft in Einzelhandelsunternehmen zu arbeiten versus Weiterbildung, Karriere, ... eine Rolle.

Meiselmarkt: Hier hat sich ein kleiner Baumarkt angesiedelt. Praktisch: Baumarkt kommt retour. Korrekt ist leider auch, dass man z.T. auf die Dienstleistungswüste trifft.

Auf der anderen Seite gibt es Beispiele, wo die U-Bahn zum Kaufkraftabfluss aus Bezirken führt.

Lassallestraße wäre auch ein gutes Beispiel. Hatte früher zahlreiche Geschäfte, heute nur noch Ramsch bzw. Leerstand. Event. auch die Schönbrunner Straße.