Der Vater einer französischen Freundin meine Tochter ist Straßenbahnfahrer in Montpellier und glaubt mir bis heute nicht, wenn ich ihm die Zustände bei den WL schildere. Er denkt dann, dass ich entweder maßlos übertreibe oder ihm einen Schmäh erzähle (Tu m'fais marcher! - Du willst mich pflanzen!). Man kann sich dort einfach nicht vorstellen, dass es einen Betrieb gibt, wo nicht nur nicht alle an einem Strang ziehen, sondern man sich auch noch gegenseitig bei jeder Gelegenheit fleißig die Hackl'n ins Kreuz haut.
Dazu eine Story: In Lyon hab ich bei der Sperre beim Ausgang gewohnheitsmäßig mein Ticket reingesteckt (in Paris bei der RER muss man das beim rein- und rausgehen, daher bin ich's gewohnt) - allerdings hab ich zu spät bemerkt, dass der Schlitz kein Kartenleser, sondern der Mistkübel ist (failed by design, grmpf
). Das frische Dreitagesticket (15,-) war damit weg. Ich steh an der Sperre, fummel dran rum, fragt mich ein Typ, was ich mach. Ich erklär's ihm, meint er, man könne ja einfach den Notruf verwenden - ich sag ihm, dazu reicht mein Französisch nicht, OK, er machts für mich. Ich denk mir noch, Wien-erfahren, das tät ich nicht, aber bitte - er spricht kurz mit der Zentrale und meint dann, ich soll 10 Minuten warten, sie schicken wen. Ich staune! Und nach 10 Minuten kommt tatsächlich ein Typ mit dem rettenden Schlüssel, sperrt auf, greift rein und drückt mir mein Ticket in die Hand... "aucun problème!" sagt er noch und verabschiedet sich freundlich lachend... Man stelle sich ähnliches in Wien vor...
In Grenoble spricht mich ein Fahrer an, der mich fotografieren sieht, ich erklär' ihm kurz mein Interesse, er wusste sofort, was ich meine - "a, oui, l'urbanisme, l'intégration dans le tissue urbain..." - bei uns kennt nichtmal die Planungsabteilung das Wort Urbanismus. Er ist übrigens seit 30 Jahren dabei, von Anfang an, und liebt den Job, weil man viel mit Menschen in Kontakt kommt. Übrigens grüßen die Tramwayfahrer die Fahrgäste, wenn sie bei der Ablöse in den Wagen kommen, und auch bei den Busfahrern grüßt man oft beim Einsteigen.