Autor Thema: 2.8.1960: 39er-Unfall Billrothstraße  (Gelesen 82287 mal)

0 Mitglieder und 1 Gast betrachten dieses Thema.

moszkva tér

  • Referatsleiter
  • *
  • Beiträge: 8283
Re: 2.8.1960: 39er-Unfall Billrothstraße
« Antwort #30 am: 27. Juli 2011, 08:24:32 »
Der Blutalkoholgehalt war demnach und nach heutigen medizinischen Kriterien nicht unfallcausal.
Gut und schön, aber wenn ein Fahrer 1 Promille hat, das als nicht unfallkausal zu bezeichnen...
Es ist zum Beispiel gut möglich, dass der (wiederholte?) Alkoholkonsum diese Herzbeschwerden erst herbeigeführt oder so verschlimmert hat, dass es zu diesem Exodus an der Kurbel gekommen ist.

Für die Akten: Jimi Hendrix ist auch nicht an Alkohol oder Drogen gestorben, sondern im Schlaf an seinem eigenen Erbrochenen erstickt.

luki32

  • Referatsleiter
  • *
  • Beiträge: 5240
  • Bösuser
Re: 2.8.1960: 39er-Unfall Billrothstraße
« Antwort #31 am: 27. Juli 2011, 09:05:33 »
Ich wage es daher nicht den Herrn Motorführer pauschal als Alkofix abzustempeln . Ehre seinem Angedenken und Beileid allen Hinterbliebenen.

Ob nur der Alkohol schuld war, oder der Herr Fahrer einen Herzinfakt hatte, ist völlig irrelevant.
Er hatte zum Unfallzeitpunkt 2,6 Promille Alkohol im Blut, weißt Du, was das bedeutet?
Mit 2,6 Promille gibts zwei Möglichkeiten: Entweder bist Du so betrunken, daß Du nicht mehr stehen kannst, oder Du bist es gewöhnt, dann bist Du Alkoholiker. Das klngt zwar hart, ist aber so.

Gut und schön, aber wenn ein Fahrer 1 Promille hat, das als nicht unfallkausal zu bezeichnen...
Es ist zum Beispiel gut möglich, dass der (wiederholte?) Alkoholkonsum diese Herzbeschwerden erst herbeigeführt oder so verschlimmert hat, dass es zu diesem Exodus an der Kurbel gekommen ist.

Wie kommst Du auf 1 Promille, es waren laut den Berichten 2,6 Promille?

mfG
Luki

Vorsicht, Bösuser!
Militanter Gegner der Germanisierung der österreichischen Sprache!

158er

  • RBL-Disponent
  • ***
  • Beiträge: 1555
Re: 2.8.1960: 39er-Unfall Billrothstraße
« Antwort #32 am: 27. Juli 2011, 09:17:57 »
:( Ich hatte die Möglichkeit in Befunde der Gerichtsmedizin Einsicht zu nehmen aus welchen hervorgeht ,daß der Herr Motorführer Johann Trumler ein schweres cardiologisches Problem hatte, welches mit den damals (1960)  vorhandenen medizintechnischen Einrichtungen ( kein Echocardiogramm möglich ,kein Bildwandler, kein Monitoring, kein 24Std Elektrocardiogramm, kein 24Std RR Messen möglich...)  Blutparameter nicht analog heute  verfügbar....) und auch nach dem damaligen Stand der Diagnostik unmöglich praemortal festzustellen war. Der Blutalkoholgehalt war demnach und nach heutigen medizinischen Kriterien nicht unfallcausal. Aus dem Gesamtbild ergibt sich der Verdacht . . .
Danke für Deinen Beitrag. Allerdings frage ich mich: war dieser schwere Defekt postmortal schon feststellbar? Immerhin konntest Du das ja auch aus den 1960 erstellten Befunden ablesen. Wie kannst Du dann aber so sicher behaupten, daß die eben 1960 festgestellte Ursache (Trunkenheit wegen 2,6 Promille im Blut) nicht zutrifft? Wieso wurde der von Dir erwähnte Grund (thorakaler Vernichtungsschmerz) dann nicht in der Berichterstattung erwähnt? Daß die Zeitungen oder Ärzte das absichtlich verschwiegen oder nicht in Erwägung gezogen hätten, würde ich als schwere Spekulation einordnen.

moszkva tér

  • Referatsleiter
  • *
  • Beiträge: 8283
Re: 2.8.1960: 39er-Unfall Billrothstraße
« Antwort #33 am: 27. Juli 2011, 10:10:54 »
Wie kommst Du auf 1 Promille, es waren laut den Berichten 2,6 Promille?
Ich habs nicht mehr genau gewusst, hab einige alte Beiträge durchgelesen, und hab dort irgendwie diese Zahl aufgeschnappt. Mein Fehler  :-[

Ferry

  • Geschäftsführer
  • *
  • Beiträge: 11477
Re: 2.8.1960: 39er-Unfall Billrothstraße
« Antwort #34 am: 27. Juli 2011, 14:39:09 »
Mit 2,6 Promille gibts zwei Möglichkeiten: Entweder bist Du so betrunken, daß Du nicht mehr stehen kannst, oder Du bist es gewöhnt, dann bist Du Alkoholiker. Das klngt zwar hart, ist aber so.
Ich würde sagen, mit 2,6 Promille ist man - so man sie überlebt - auf alle Fälle Alkoholiker (man ist so geeicht, dass der Körper diese Menge verarbeiten kann und es zu keinem Kreislaufversagen kommt). Ein normaler Mensch überlebt dieses Maß an Alkoholisierung i.d.R. nicht.
Weißt du, wie man ein A....loch neugierig macht? Nein? - Na gut, ich sag's dir morgen. (aus "Kottan ermittelt - rien ne va plus")

13er

  • Verkehrsstadtrat
  • **
  • Beiträge: 27735
Re: 2.8.1960: 39er-Unfall Billrothstraße
« Antwort #35 am: 27. Juli 2011, 15:24:06 »
Ein normaler Mensch überlebt dieses Maß an Alkoholisierung i.d.R. nicht.
Und wäre schon gar nicht auf der schwierigen eingleisigen stark abschüssigen Sieveringer Straße fahrfähig!
Mit uns kommst du sicher... zu spät.

Revisor

  • Obermeister
  • *
  • Beiträge: 4954
Re: 2.8.1960: 39er-Unfall Billrothstraße
« Antwort #36 am: 27. Juli 2011, 15:33:09 »
Ein normaler Mensch überlebt dieses Maß an Alkoholisierung i.d.R. nicht.

So würde ich es nicht formulieren. Laut http://de.wikipedia.org/wiki/Alkoholvergiftung beginnt die lebensbedrohliche Alkoholisierung für empfindliche Menschen bei 3 Promille, bei weniger empfindlichen unter Umständen erst deutlich später.

Linie 41

  • Geschäftsführer
  • *
  • Beiträge: 11667
    • In vollen Zügen
Re: 2.8.1960: 39er-Unfall Billrothstraße
« Antwort #37 am: 27. Juli 2011, 15:42:20 »
So würde ich es nicht formulieren. Laut http://de.wikipedia.org/wiki/Alkoholvergiftung beginnt die lebensbedrohliche Alkoholisierung für empfindliche Menschen bei 3 Promille, bei weniger empfindlichen unter Umständen erst deutlich später.
Von schweren Koordinationsstörungen ist aber in jedem Fall auszugehen.
Ich verstehe das Konzept dahinter nicht und bin generell dagegen.

N1 2957

  • Fahrgast
  • *
  • Beiträge: 14
  • Magirus Deutz und Stadtbahnlinie WD - was sonst?
Re: 2.8.1960: 39er-Unfall Billrothstraße
« Antwort #38 am: 27. Juli 2011, 18:39:20 »
Liebe Forumskolleginnen und Kollegen!

Bei Problemen mit dem Stoffwechsel des Pancreas und hepatischen Problemen kann der Grundgehalt an haematologischem Ethylen schon von Haus aus erhöht sein. Dasselbe gilt bei regelmäßigem Einnehmen von Medikamenten welche hepathisch und nicht nephrologisch abgebaut werden.

Weiters tritt bereits nach 30-40 Minuten nach Eintreten des Todes das Zersetzen der Basalmembran  des Darmes ein, wobei enterologische Keime sich in den Körper begeben, wobei sich Haemoglobin in Verdoglobin umformt und es so zu der berühmten Grau-Grünfärbung der Leiche kommt.

Da nicht mehr festgestellt werden konnte WANN damals exakt das erste Blut venös abgenommen wurde bzw arteriell, ist auch nicht bewiesen weshalb und wie hoch exakt  der Anteil des haematologischen Ethylens in Vivo  war. Alle diese Dinge  bezüglich des Promillegehalts sind Spekulationen der Journalisten gewesen und auch um die Bevölkerung ruhigzustellen. Ich konnte auch erst ab 2001 auf der Uni / Sensengasse / Archiv aus Interesse im Rahmen meines Medizinstudiums Einsicht nehmen. Auch ist keine Rede von einem  Infarkt sondern hat sich  das Cor im Bereich des linken Ventrikels  stark dilatiert dargestellt, was auf eine Disfunktion der Valva Aortae (Aortenklappe) hinweist.Aufgrund des gesamten Blutbildes könnte Herr Motorführer Trumler auch einen hypoglycaemischen Schock erlitten haben, wobei die Symptomatik zwischen einem Betrunkenen und einem an akut eingetretener Hypoglycaemie leidenden Patienten ohne Blutbild schwer zu unterscheiden ist.   Da man damals ein Herzechocardiogramm nicht durchführen konnte und auch Vorsorgeuntersuchungen 1960 nicht im heutigen Rahmen ,oder ,überhaupt nicht durchgeführt wurden , erkannte man dies in Vivo nicht. In diesem Zusammenhang ist auch der stehende Arbeitsplatz für den Patienten Trumler nicht ideal gewesen.Gemäß dem Zeitgeist der Nachkriegsbevölkerung war man halt damals auch härter im Nehmen.
Laut Aussage der Familie Trumler war Herr Johann ein guter Familienvater und keineswegs ein Trinker.Desweiteren war er Betriebsrat am Gürtelbahnhof und müßte es auch den Kollegen aufgefallen sein.
Die Geschichte ist total tragisch und packt mich seelisch ganz schön. Vorallem als ich die Befunde studieren durfte rannte es mir kalt runter und öffnerten sich mir die Augen.Jedenfalls ist es ganz schön unfair einen Toten welcher sich nicht mehr rechtfertigen kann posthum als Trinker hinzustellen.

N1 2957

  • Fahrgast
  • *
  • Beiträge: 14
  • Magirus Deutz und Stadtbahnlinie WD - was sonst?
Re: 2.8.1960: 39er-Unfall Billrothstraße
« Antwort #39 am: 27. Juli 2011, 20:54:40 »
Danke für Deinen Beitrag. Allerdings frage ich mich: war dieser schwere Defekt postmortal schon feststellbar? Immerhin konntest Du das ja auch aus den 1960 erstellten Befunden ablesen. Wie kannst Du dann aber so sicher behaupten, daß die eben 1960 festgestellte Ursache (Trunkenheit wegen 2,6 Promille im Blut) nicht zutrifft? Wieso wurde der von Dir erwähnte Grund (thorakaler Vernichtungsschmerz) dann nicht in der Berichterstattung erwähnt? Daß die Zeitungen oder Ärzte das absichtlich verschwiegen oder nicht in Erwägung gezogen hätten, würde ich als schwere Spekulation einordnen.

Nochmal - die Cardiologie steckte damals noch in den Kinderschuhen...viele Parameter welche man erst heute mit unseren heutigen Erkenntnissen zu einem Ganzen fügen kann, erkannte man damals nicht oder wußte damit nichts anzufangen.....

luki32

  • Referatsleiter
  • *
  • Beiträge: 5240
  • Bösuser
Re: 2.8.1960: 39er-Unfall Billrothstraße
« Antwort #40 am: 29. Juli 2011, 09:15:14 »
Bei Problemen mit dem Stoffwechsel des Pancreas und hepatischen Problemen kann der Grundgehalt an haematologischem Ethylen schon von Haus aus erhöht sein. Dasselbe gilt bei regelmäßigem Einnehmen von Medikamenten welche hepathisch und nicht nephrologisch abgebaut werden.

Ich weiß nicht, warum Du den verstorbenen Fahrer des 39ers so verteidigst, ist mir aber auch egal.
Tatsache ist, daß er 2,6 Promille hatte, und auch wenn nach dem Tod der Alkoholgehalt noch leicht steigen kann, auch mit 2 Promille ist man auf gut wienerisch "voll fett", und das ist nicht zu entschuldigen und mehr als grob fahrlässig.

mfG
Luki
Vorsicht, Bösuser!
Militanter Gegner der Germanisierung der österreichischen Sprache!

moszkva tér

  • Referatsleiter
  • *
  • Beiträge: 8283
Re: 2.8.1960: 39er-Unfall Billrothstraße
« Antwort #41 am: 29. Juli 2011, 10:01:18 »
@N1 2957
Du bist offensichtlich Arzt oder zumindest Medizinstudent, kennst dich also besser aus als die meisten hier. Daher meine Frage: Kann es sein, dass durch die von dir aufgelisteten Symptome sich ein so hoher Blutalkoholgehalt "von selber" bilden kann? Und in welchem Umfang?

Noch was zynisches:
http://derstandard.at/1311802233101/Vater-von-Amy-Winehouse-vermutet-Tod-durch-ploetzliche-Abstinenz
Zitat
Vater von Amy Winehouse vermutet Tod durch plötzliche Abstinenz
Nix mehr saufen ist auch gefährlich  :D

raifort

  • Gast
Re: 2.8.1960: 39er-Unfall Billrothstraße
« Antwort #42 am: 04. August 2011, 18:48:45 »
In einigen Nächten nachdem tragischen Unfall vom 39er, wurde die Billrothstraße gesperrt. Es wurden Abdrücke von den Schienen genommen und Versuchsfahrten unternommen. Die erreichten Fahrzeiten sollen sagenhaft gewesen sein. Interessant wäre an die damaligen Protokolle zukommen.

In der Literatur wird dieser Unfall als der zweit schwerster Strassenbahnunfall (weltweit?) beschrieben, wo und wann ereignete sich ein noch größerer Unfall?

N1

  • Verkehrsführer
  • *
  • Beiträge: 2174
Re: 2.8.1960: 39er-Unfall Billrothstraße
« Antwort #43 am: 04. August 2011, 19:32:44 »
In der Literatur wird dieser Unfall als der zweit schwerster Strassenbahnunfall (weltweit?) beschrieben, wo und wann ereignete sich ein noch größerer Unfall?
Vielleicht war dieser Flugzeugabsturz gemeint.
"Der Raum, wo das stattfand, ist ziemlich groß."
Hans Rauscher

13er

  • Verkehrsstadtrat
  • **
  • Beiträge: 27735
Re: 2.8.1960: 39er-Unfall Billrothstraße
« Antwort #44 am: 05. August 2011, 00:12:22 »
In der Literatur wird dieser Unfall als der zweit schwerster Strassenbahnunfall (weltweit?) beschrieben, wo und wann ereignete sich ein noch größerer Unfall?
Der Erfinder (ja, so vieles in dem Buch ist frei erfunden, dass man ihm diese Bezeichnung ruhig geben darf!) dieser "Literatur" nennt sich Sambs und scheint nach meinen letzten Nachforschungen diesbezüglich wieder einmal völlig daneben zu liegen.

Zuerst einmal die Erzählung aus dem Sambs-Buch:
Zitat
Weltweit gab es nur einen Unfall, der noch mehr Todesopfer forderte: 1951 stürzte in Madrid ein Zug in einen Fluss, wodurch 53 Fahrgäste den Tod fanden.

Es ist nicht einfach herauszubekommen, auf welchen Unfall sich Sambs überhaupt bezieht. Meine Spanischkenntnisse sind gering, aber auch mit Italienischkenntnissen kann man viele der Texte halbwegs verstehen.

Mit einer naiven Google-Anfrage findet man zunächst überhaupt nichts zu diesem Thema. Auch mit einer entsprechenden spanischen Anfrage nicht.

Das ist nicht weiter verwunderlich, da es nach meinem derzeitigen "Ermittlungsstand" 1951 gar keinen großen Straßenbahnunfall in Madrid gab. Am 28. Mai 1952 jedoch ereignete sich ein Unfall wie beschrieben: Vermutlich aufgrund von Bremsversagen verlor der Motorführer auf der abfallenden Straße zur Brücke von Toledo ("puente de toledo") die Kontrolle über den Zug und dieser stürzte in Folge über die Brücke hinab.

Auch die AZ berichtete am 30. Mai 1952 davon:

[ Für Gäste keine Dateianhänge sichtbar]

Und mit dem richtigen Datum findet man im Internet noch ein paar Berichte und auch Bilder, z.B.:





Quelle: http://www.rayosycentellas.net/madrid/?p=292

"Haken" an der Sache: Glücklicherweise wurden bei dem Unfall weit weniger als 53 Menschen getötet. Die Zahlen, die ich gefunden habe, liegen etwa um die 15-18 Toten. Damit würde der Unfall knapp hinter dem 39er-Unfall liegen. Wo Sambs seine viel höhere Opferzahl her hat, könnte man ihn bei Gelegenheit ja fragen. Vielleicht handelt es sich um einen Übersetzungsfehler: 53 = "cincuenta y tres", das könnte man auch getrennt lesen ("fünfzig und drei ...", was noch "cincuenta" lässt, das so ähnlich klingt/geschrieben wird wie 15 (quince).

Der Münchner Flugzeugabsturz - naja, ist das wirklich als ein Straßenbahnunfall zu werten? Darüber könnte man freilich streiten.
Mit uns kommst du sicher... zu spät.