Ich hätte absolut nichts gegen die Seestadt wenn man sie wirklich durchdacht, nicht durch höhere Häuser so eng gebaut hätte, sie an die ländliche Umgebung angepaßt hätte und so für die Menschen wirklich etwas schönes, etwas lebenswertes daraus gemacht hätte. Scherwinde sind dort genauso an manchen Tagen an der Tagesordnung so wie in Kagran im Bereich der UNO-City. @95B beschreibt dieses Szenarie sehr treffend.
So wie derzeit verkommt die Seestadt nur zum Prestigeprojekt einer bestimmten Partei in Wien.
Wien wächst - zwischen 2012 und 2017 ist von der Einwohnerzahl her ganz Salzburg nach Wien übergesiedelt. Ein Ende dessen ist nicht absehbar. Diese Menschen brauchen Wohnungen. Und zwar ziemlich viele, nicht ewig weiteren Siedlungsbrei, der durch ein paar Busse erschlossen wird und keine Infrastruktur wie Supermärkte in fußläufiger Entfernung hat, weil es sich nicht trägt. Deshalb ist es sinnvoll, große Flächenpotentiale zu nutzen und dort für viele Menschen Wohnraum zu schaffen. Und man hat in der Seestadt vieles mitgedacht, was in der Vergangenheit vernachlässigt wurde, z.B. eine vernünftige Nahverkehrsanbindung (die zugleich geholfen hat, die ärgsten Fehler der 70er Jahre etwas zu lindern).
Denkt man Dein Argument zu Ende, dürfte man nirgends bauen. Und man hätte nie irgendwo bauen dürfen. Denn schon das erste Haus, das in Eßling gebaut wurde, hat sich auch nicht ins Umfeld eingefügt. Und Jahrhunderte später hat der Karl-Marx-Hof auch nicht nach Heiligenstadt gepasst.
Wie sich die Seestadt entwickelt, wird die Zukunft zeigen. Wenn gerade einmal ein Viertel fertig ist (bei den Arbeitsplätzen ein viel geringerer Anteil) ist es ziemlich ungerecht, sie abschließend zu bewerten. Ich finde, sie hat sich in den letzten Jahren gut entwickelt, und es ist auch außerhalb des Sees sehr viel lebendiger als noch vor zwei, drei Jahren, wenn auch noch nicht zu jeder Tageszeit. Das bedeutet nicht, dass jedes einzelne Bauprojekt geglückt ist.
Auch in meinen Augen ist die Seestadt ein gescheitertes Projekt, man hätte schon anno 2013 eine Straßenbahnlinie durch das Areal bauen sollen und ebenso mehr Grünflächen statt Betonwüsten entstehen lassen können.
Das Ding heißt aber "SeeSTADT" und nicht "Seesiedlungsbrei". Und eine Stadt zeichnet sich nicht dadurch aus, dass überall nur grün ist. Ganz im Gegenteil, als besonders urban werden eher Orte mit wenig Grünem wahrgenommen. Das Konzept der 50er bis 70er Jahre, Wohnbauten in irgendeiner grünen Sauce zu verteilen, ist gescheitert. Denn die dortigen Grünräume werden nicht als solche genutzt. Und als besonders städtisch nimmt man das auch nicht wahr.
Auf Grünraum muss dennoch keiner verzichten. Kein Bewohner der späteren Seestadt dürfte länger als 5-10 min zum nächsten Grünraum brauchen.
Eh man in diesem frühen Stadium, in dem sich die Seestadt noch befindet, schon ein endgültiges Urteil fällt, dass sie gescheitert sei, sollte man sich einmal mit dem Konzept beschäftigen - hier ein paar pdfs:
https://www.wien.gv.at/stadtentwicklung/projekte/aspern-seestadt/pdf/0303strukturbildner.pdfhttps://www.wien.gv.at/stadtentwicklung/projekte/aspern-seestadt/pdf/0302gesamtstruktur.pdfDann kommt man nämlich auch drauf -
wesentliche Elemente sind noch gar nicht verwirklicht. Es sind ja auch noch zehn Jahre bis zur geplanten Fertigstellung. Eine Straßenbahn ist übrigens auch vorgesehen, siehe S.2 des zweiten Links.