Autor Thema: Die autogerechte Stadt...  (Gelesen 14577 mal)

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W_E_St

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Re: Die autogerechte Stadt...
« Antwort #30 am: 30. September 2019, 12:48:06 »
Sehr bemerkenswert: Der Trabi mit heimischem Kennzeichen! ;D

Auf welcher Aufnahme soll der sein, ich finde ihn nicht. Ich war immer der Ansicht, dass diese Fahrzeuge im Westen keine Zulassung bekamen.

Wieso denn nicht? Damals waren alle Autos "Dreckschleudern", ein Trabi war von den Abgasen her nicht besser oder schlechter als ein Mercedes, VW oder Opel.

Fahrzeuge aus osteuropäischen Ländern waren vielfach billiger zu bekommen als westeuropäische Wagen, daher gab es sie auch bei uns. Der Vater eines meiner Schulfreunde hatte eine Zeitlang einen Wartburg und war sehr zufrieden damit.

Man sollte auch nicht vergessen, dass z.B. DKW in Westdeutschland bis Ende der 60er große Zweitakter gebaut hat! Besonders bizarr: der DKW Munga, ein Zweitakt-Geländewagen für die deutsche Bundeswehr!
https://www.youtube.com/watch?v=H2NLVeUZ2K4

Der DKW F102 war das letzte neue Serienmodell mit Zweitakter, gebaut von 1964 bis 1966. Im Munga gab es den Zweitakter noch bis 1968. Der fertig entwickelte Sechszylinder-Zweitakter mit 80 PS ging nicht mehr in Serie.

Zumindest letztes Jahr gab es übrigens noch einen blau-weißen Moskwitsch mit schwarzen Wiener Kennzeichen, der von einem Elektriker als Alltagsauto gefahren wird!
"Sollte dies jedoch der Parteilinie entsprechen, werden wir uns selbstverständlich bemühen, in Zukunft kleiner und viereckiger zu werden!"

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Hawk

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Re: Die autogerechte Stadt...
« Antwort #31 am: 30. September 2019, 12:55:16 »
Vom DKW folgte der Audi 60, der erste Viertakter!  :)
Das leben zwingt einen oft in die Knie,jedoch ein jeder kann selbst entscheiden ob er liegen bleibt oder wieder aufsteht! :-)

Vento66

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Re: Die autogerechte Stadt...
« Antwort #32 am: 30. September 2019, 13:30:43 »
Zumindest letztes Jahr gab es übrigens noch einen blau-weißen Moskwitsch mit schwarzen Wiener Kennzeichen, der von einem Elektriker als Alltagsauto gefahren wird!

Das ist ein Moskwitsch 408, der ist immer mal wieder hier im 5. / 6. Bezirk unterwegs

moszkva tér

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Re: Die autogerechte Stadt...
« Antwort #33 am: 01. Oktober 2019, 10:47:22 »
Im Zuge der Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen in den 1930er Jahren wurden neben der Höhenstraße auch die Westausfahrt gebaut - Ausfahrt deswegen, weil damals noch Linksverkehr.

Damals gab es noch kaum Einbahnen. Auch die Westein-/Ausfahrt verlief bis in die 1960er-Jahre in beiden Richtungen über den Hietzinger Kai und die Schönbrunner (Schloss-) Straße. Den Einbahnzwilling gibt es erst seit der Errichtung der Nikolai-Hangbrücke (verlängerte Hadikgasse bei Hütteldorf).

Die allererste Westein-/Ausfahrt war allerdings die Linzer Straße. Die Linzer Reichsstraße und spätere B1 (ab 1921 Linzer Bundesstraße, noch ohne Nummer) begann an der Mariahilfer Linie (heute Kreuzung Mariahilfer Straße / Gürtel) und führte über Mariahilfer Straße und Linzer Straße (Name!) nach Mariabrunn und von dort weiter zum Riederberg. Mit dem Ausbau der Wientalstraße in den 1930er-Jahren - im Zuge dessen auch die Unterführung in Hietzing errichtet wurde - wurde diese Bundesstraße ab Hadersdorf an den Wienfluss verlegt. Dort war damals noch kaum etwas verbaut und es wurden somit die Ortskerne umfahren.

    Auch wenn der straßengebundene Fernverkehr damals deutlich geringer war als heute, war das damals die wichtigste Fernverkehrsstrecke im verkleinerten Österreich und ein Ausbau war durchaus sinnvoll. Die anderen Fernverkehrsstrecken ab Wien waren bereits größtenteils seit dem 18 Jahrhundert als moderne Fernverkehrsstraßen (Reichsstraßen) trassiert, auch im heutigen Wiener Stadtgebiet:
    • Prager und Brünner Straße - in der Monarchie die zwei wichtigsten Fernstraßen der Österreichischen Reichshälfte und die Trassierung hat sich mehr oder weniger bis heute erhalten.
    • Wagramer Straße - Errichtet als Hollitscher bzw. Kagraner Reichsstraße nach der Donauregulierung als schnurgerade Verlängerung von Lassallestraße und Reichsbrücke. Vorher erfolgte die Verzweigung des transdanubischen Verkehrs in Floridsdorf (Schlosshofer Straße - Straße nach Schloss Hof), danach wurde der transdanubische Verkehr wie beschrieben auch über die Reichsbrücke geführt, auch die Erzherzog-Karl-Straße stellt eine neue Fernverkehrsstraße dar, die von Aspern kommend schnurgerade Kagran und Stadlau umfährt und zur Reichsbrücke führt.
    • Simmeringer Hauptstraße als Ausfallstraße nach Pressburg und Budapest - die Verzweigung gab es damals erst in Berg und nicht schon in Schwechat wie heute. Die Strecke über Bruck an der Leitha nach Budapest hatte vorher nur lokale Bedeutung und wurde erst nach dem zweiten Weltkrieg, als drei ungarischen Gemeinden - heute Stadtteile von Bratislava Jarovce, Rusovce, Cunovo - zur Tschechoslowakei kamen, als Fernstraße bedeutsam, damit man nicht zwischen Wien und Budapest zwei Grenzen überqueren muss.
    • Laxenburger Straße - damals als Hauptverbindung nach Eisenstadt. Die B16 wurde erst in den 1950ern verlegt in die Favoritenstraße und weiter durch Achau. In Münchendorf treffen sich der alte und neue Verlauf wieder.
    • Triester Straße - Bereits im 18 Jahrhundert als Fernstraße mit Ortsumfahrungen angelegt und auch hier hat sich die Trassierung bis heute mehr oder weniger erhalten.

Bus

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Re: Die autogerechte Stadt...
« Antwort #34 am: 01. Oktober 2019, 11:47:02 »
In "Fernsehen wie damals" war von 1972 ein Beitrag über die Umweltzerstörung in der Lobau (u.a. gab es eine Wildorchideenwiese).

Da wurde über eine Schnellstraße/Autobahn über die Panozzalacke diskutiert, kann es sein, dass die Südosttangente deswegen in den Norden verschoben worden ist? (Man zeigte u.a. Aufnahmen des Ausbaus der OMV und Dampfkraftwerk)

W_E_St

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Re: Die autogerechte Stadt...
« Antwort #35 am: 01. Oktober 2019, 12:22:01 »
Eine Frage habe ich mir allerdings nach unserer Zweitakter-Diskussion gestellt: warum hat man wohl bei der Konstruktion des Wartburg 353 weiter auf den Zweitakter gesetzt, statt z.B. einen Viertakter von Lada zuzukaufen? Reine Abneigung gegen das "Bruderland"? Auch Skoda hätte ja durchaus passende Motoren im Sortiment gehabt, und mit der CSSR war man sich soweit ich weiß etwas grüner als mit der UdSSR. Eigentlich waren, soweit ich das überblicke, zu der Zeit die Eisenacher (Wartburg) und Zwickauer (VEB Sachsenring, Trabant) die einzigen im ganzen Ostblock, die noch PKW-Zweitakter hergestellt haben. Aber gut, seltsame und rückblickend schwer nachvollziehbare Management-Entscheidungen gab es überall, z.B. VWs Festklammern am luftgekühlten Boxermotor im Heck.
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moszkva tér

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Re: Die autogerechte Stadt...
« Antwort #36 am: 01. Oktober 2019, 12:25:06 »
Da wurde über eine Schnellstraße/Autobahn über die Panozzalacke diskutiert, kann es sein, dass die Südosttangente deswegen in den Norden verschoben worden ist? (Man zeigte u.a. Aufnahmen des Ausbaus der OMV und Dampfkraftwerk)
Die Planung der Tangente stammt bereits aus der Zeit der Reichsautobahn. Und schon im Stadtplan von 1912 ist eine Durchzugsstraße von Inzersdorf nach Erdberg nahezu im selben Verlauf wie die Tangente eingezeichnet, mit einer "Hochbahn" im Mittelstreifen.

Allerdings, das was du meinst, waren wohl die Planungen der A21 Außenring Autobahn. Die wurde in den 1970er-Jahren deutlich stadtnäher als die heutige Nachfolgerautobahn S1 geplant. Und zwar zusätzlich zur Tangente, nicht ersatzweise.

Bus

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Re: Die autogerechte Stadt...
« Antwort #37 am: 01. Oktober 2019, 12:49:03 »
Da wurde über eine Schnellstraße/Autobahn über die Panozzalacke diskutiert, kann es sein, dass die Südosttangente deswegen in den Norden verschoben worden ist? (Man zeigte u.a. Aufnahmen des Ausbaus der OMV und Dampfkraftwerk)
Die Planung der Tangente stammt bereits aus der Zeit der Reichsautobahn. Und schon im Stadtplan von 1912 ist eine Durchzugsstraße von Inzersdorf nach Erdberg nahezu im selben Verlauf wie die Tangente eingezeichnet, mit einer "Hochbahn" im Mittelstreifen.

Allerdings, das was du meinst, waren wohl die Planungen der A21 Außenring Autobahn. Die wurde in den 1970er-Jahren deutlich stadtnäher als die heutige Nachfolgerautobahn S1 geplant. Und zwar zusätzlich zur Tangente, nicht ersatzweise.

Danke für die Antwort, interessant das man so knapp an die Tangente bauen wollte.

Kálvin tér

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Re: Die autogerechte Stadt...
« Antwort #38 am: 01. Oktober 2019, 14:49:32 »
Eine Frage habe ich mir allerdings nach unserer Zweitakter-Diskussion gestellt: warum hat man wohl bei der Konstruktion des Wartburg 353 weiter auf den Zweitakter gesetzt, statt z.B. einen Viertakter von Lada zuzukaufen? Reine Abneigung gegen das "Bruderland"? Auch Skoda hätte ja durchaus passende Motoren im Sortiment gehabt, und mit der CSSR war man sich soweit ich weiß etwas grüner als mit der UdSSR. Eigentlich waren, soweit ich das überblicke, zu der Zeit die Eisenacher (Wartburg) und Zwickauer (VEB Sachsenring, Trabant) die einzigen im ganzen Ostblock, die noch PKW-Zweitakter hergestellt haben. Aber gut, seltsame und rückblickend schwer nachvollziehbare Management-Entscheidungen gab es überall, z.B. VWs Festklammern am luftgekühlten Boxermotor im Heck.
Dafür hätte man in neue Produktionsanlagen investieren müssen und das Geld dafür war einfach nicht da. Auch Sachsenring (Trabant) hatte längst einen Viertakter fertig entwickelt, dessen Produktion jedoch vom Politbüro abgelehnt wurde. Hauptargument: die Kosten und der mit der Umstellung verbundene Produktionsausfall, durch den man den Lieferverpflichtungen gegenüber den Bruderländern nicht hätte nachkommen können. Der Erwerb der Lizenz für den 1,1 Liter Motor von VW war dann ein hemdsärmeliger (und volkswirtschaftlich völlig unsinniger) Alleingang von Wirtschaftsminister Günther Mittag.

coolharry

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Re: Die autogerechte Stadt...
« Antwort #39 am: 01. Oktober 2019, 14:53:23 »
Da wurde über eine Schnellstraße/Autobahn über die Panozzalacke diskutiert, kann es sein, dass die Südosttangente deswegen in den Norden verschoben worden ist? (Man zeigte u.a. Aufnahmen des Ausbaus der OMV und Dampfkraftwerk)
Die Planung der Tangente stammt bereits aus der Zeit der Reichsautobahn. Und schon im Stadtplan von 1912 ist eine Durchzugsstraße von Inzersdorf nach Erdberg nahezu im selben Verlauf wie die Tangente eingezeichnet, mit einer "Hochbahn" im Mittelstreifen.

Allerdings, das was du meinst, waren wohl die Planungen der A21 Außenring Autobahn. Die wurde in den 1970er-Jahren deutlich stadtnäher als die heutige Nachfolgerautobahn S1 geplant. Und zwar zusätzlich zur Tangente, nicht ersatzweise.

Danke für die Antwort, interessant das man so knapp an die Tangente bauen wollte.

Immerhin 5km Abstand. Der Abstand zwischen A2 und A3 bei Münchendorf wären keine 3km gewesen.
Der Abstand mit dem die A5 und die A6/A67 im Schwäbischen nebeneinander herlaufen ist zwischen 3 und 4 km. Und das immerhin auf einer gesamt Länge von über 60km.

Weil ein menschlicher Hühnerstall nicht der Weisheit letzter Schluß sein kann.

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Re: Die autogerechte Stadt...
« Antwort #40 am: 01. Oktober 2019, 14:53:35 »
Das Politbüro hat als Kompromiss vorerst einen Dreitakter vorgeschlagen, das fand allerdings keine Mehrheit  :P

Aber eigentlich wollte ich das Bild zeigen - Endzustand der autogerechten Stadt:
Harald A. Jahn, www.tramway.at

moszkva tér

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Re: Die autogerechte Stadt...
« Antwort #41 am: 01. Oktober 2019, 15:24:55 »

coolharry

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Weil ein menschlicher Hühnerstall nicht der Weisheit letzter Schluß sein kann.

W_E_St

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Re: Die autogerechte Stadt...
« Antwort #43 am: 01. Oktober 2019, 18:51:23 »
Eine Frage habe ich mir allerdings nach unserer Zweitakter-Diskussion gestellt: warum hat man wohl bei der Konstruktion des Wartburg 353 weiter auf den Zweitakter gesetzt, statt z.B. einen Viertakter von Lada zuzukaufen? Reine Abneigung gegen das "Bruderland"? Auch Skoda hätte ja durchaus passende Motoren im Sortiment gehabt, und mit der CSSR war man sich soweit ich weiß etwas grüner als mit der UdSSR. Eigentlich waren, soweit ich das überblicke, zu der Zeit die Eisenacher (Wartburg) und Zwickauer (VEB Sachsenring, Trabant) die einzigen im ganzen Ostblock, die noch PKW-Zweitakter hergestellt haben. Aber gut, seltsame und rückblickend schwer nachvollziehbare Management-Entscheidungen gab es überall, z.B. VWs Festklammern am luftgekühlten Boxermotor im Heck.
Dafür hätte man in neue Produktionsanlagen investieren müssen und das Geld dafür war einfach nicht da. Auch Sachsenring (Trabant) hatte längst einen Viertakter fertig entwickelt, dessen Produktion jedoch vom Politbüro abgelehnt wurde. Hauptargument: die Kosten und der mit der Umstellung verbundene Produktionsausfall, durch den man den Lieferverpflichtungen gegenüber den Bruderländern nicht hätte nachkommen können. Der Erwerb der Lizenz für den 1,1 Liter Motor von VW war dann ein hemdsärmeliger (und volkswirtschaftlich völlig unsinniger) Alleingang von Wirtschaftsminister Günther Mittag.

Der Wartburg 353 war Mitte der 60er eine weitgehende Neukonstruktion, der hatte mit dem Vorgänger 311 herzlich wenig gemeinsam. Insofern dürfte es zu diesem Zeitpunkt relativ egal gewesen sein, ob man in den jetzt den eigenen Zweitakter einbaut, oder einen zugekauften Viertakter. Die Umstellung der Produktionsanlagen war sowieso notwendig. Dass der Zug dann 10, 15 Jahre später komplett abgefahren war, ist mir eh klar.

Hier noch die Autobahnplanungen für Wien, Stand 1971:
(Image removed from quote.)

Quelle: Stadt Wien, https://www.wien.gv.at/stadtentwicklung/projekte/verkehrsplanung/strassen/bundesstrassen/bundesstrassen-1971.html

Das ist ja grauenhaft! Wie hätte der Gürtel werden sollen? Hochstrecke links und rechts der Stadtbahn und für die Ausfahrten werden halbe Stadtviertel geschleift?
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