Autor Thema: Die autogerechte Stadt...  (Gelesen 17883 mal)

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fr3

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Die autogerechte Stadt...
« am: 15. September 2019, 22:48:09 »
...war der Titel eines 1959 erschienenen Buches des Architekten Hans Bernhard Reichow und welches die Grundlagen einer an den vermeintlichen oder tatsächlichen Bedürfnissen des motorisierten Individualverkehrs orientierten Stadt beschrieb. Tatsächlich begann man in Europa bereits in den 1930ern damit, die Städte dem Autoverkehr anzupassen - eine Entwicklung die nur durch den 2. Weltkrieg um zwei Jahrzehnte verzögert wurde, dann aber umso vehementer im Zuge des Wiederaufbaus voran getrieben wurde. Fortschritt war alles - und was symbolisierte ihn besser als die Massenmotorisierung?

Dieser Thread soll einen historischen Rückblick auf die Anpassung Wiens an den Autoverkehr bieten.

In Wien dringt das Auto zunächst von Außen in die Stadt ein - über die hauptsächlich ab 1934 errichtete Höhenstraße. Dorfplätze in Grinzing, Sievering oder Neuwaldegg werden zu Durchgangsstraßen und in den 1970ern wird die einst als Ausflugsstraße konzipierte Route zur ersten de facto Tangente, um rasch die westlichen Bezirke zum umfahren. Die Wientalstraße wird zum Einfallstor der Autos aus dem Westen - 1935 wird die erste Unterführung in Hietzing gebaut, um den Autoverkehr in die Stadt zu beschleunigen.

In den 1960ern und 1970ern waren schließlich auch in der Innenstadt so gut wie alle öffentlichen Flächen dem Autoverkehr und den Parkplätzen geopfert, bis mit den ersten Fußgängerzonen eine Trendwende einsetzte...

Um die Erinnerung aufzufrischen und auch jenen, die damals noch nicht geboren waren, ein Vorstellung zu geben, beginne ich mit einer Reihe von Bildern aus der Wiener Innenstadt, welche in den 1960ern und bis 1972 entstanden sind. Alle gezeigten Plätze und Straßen sind heute Fussgängerzonen oder weitgehend autobefreit. Damals gab es regen Durchzugsverkehr und nicht selten Stau mitten in der Innenstadt. Alleine Am Stephansplatz gabe es zwei ampegeregelte Kreuzungen, nämlich Graben/Kärtnerstraße/Singestraße und Rothenturmstraße/Brandstädte/Schulerstraße. Aber seht selbst:


Stephansplatz


1963


1964


1965

Graben


1964


1966


1969 - Vier Spuren zum Einordnen bei der Kreuzung!


1972

Kärntnerstraße


1967


1969


1972

Freyung

(Bild vorübergehend entfernt, da Urheberstatus unklar)
1968

Hoher Markt


1966

Tuchlauben


1967 - auch hier gab es eine Ampel

Rotentumrstraße


1969

Kohlmarkt


1959

Judenplatz


1967

Stock im Eisen-Platz


1967

Karlsplatz


1968

Der Teich mit der Plastik von Henry Moore kam erst nach der Fertigstellung des U-Bahn-Knotens um 1978. War damals nicht unumstritten. Rückwirkend war es eine der harmonischsten städtebaulichen Erneuerungen dieser Zeit, welche die Monumentalität der Karlskirche erst so richtig zur Geltung gebracht hat.

Ich habe alle Bilder auf dem ungarischen Server http://www.fortepan.hu/?search=Vienna gefunden.

Operator

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Re: Die autogerechte Stadt...
« Antwort #1 am: 16. September 2019, 07:21:38 »
Tolle Fotos und ein guter Beitrag, danke!

U4

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Re: Die autogerechte Stadt...
« Antwort #2 am: 16. September 2019, 08:21:48 »
Zitat
Rotenthumrstraße

Alte Schreibweise oder Dein Fehler ??  8)
🥒 Haltestelle NEU -  die schlechteste Version seit Beginn der Haltestellen, Stangln die fast nicht zu sehen sind im Bild der Stadt

fr3

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Re: Die autogerechte Stadt...
« Antwort #3 am: 16. September 2019, 09:59:53 »
Alte Schreibweise oder Dein Fehler ??  8)
Danke, schon ausgebessert.

Rodauner

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Re: Die autogerechte Stadt...
« Antwort #4 am: 16. September 2019, 10:07:42 »
Sehr bemerkenswert: Der Trabi mit heimischem Kennzeichen! ;D

WIENTAL DONAUKANAL

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Re: Die autogerechte Stadt...
« Antwort #5 am: 16. September 2019, 10:44:27 »
Sehr bemerkenswert: Der Trabi mit heimischem Kennzeichen! ;D

Auf welcher Aufnahme soll der sein, ich finde ihn nicht. Ich war immer der Ansicht, dass diese Fahrzeuge im Westen keine Zulassung bekamen.

Der Polizist am Motorrad nur mit Dienstkappl, ohne Helm, heute undenkbar.

Vento66

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Re: Die autogerechte Stadt...
« Antwort #6 am: 16. September 2019, 15:43:25 »
Auf dem vorletzten....

W_E_St

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Re: Die autogerechte Stadt...
« Antwort #7 am: 16. September 2019, 20:24:41 »
Sehr bemerkenswert: Der Trabi mit heimischem Kennzeichen! ;D

Auf welcher Aufnahme soll der sein, ich finde ihn nicht. Ich war immer der Ansicht, dass diese Fahrzeuge im Westen keine Zulassung bekamen.

Das stimmt definitiv nicht! Die Exportzahlen nach Österreich waren im mittleren zweistelligen Bereich, aber zu Beginn der Produktion gab es den Trabant 601 in Österreich regulär zu kaufen. Auch Wartburg fanden einige damals den Weg nach Österreich, auch nicht viel mehr. Anderswo, z.B. in Skandinavien, dürfte es merklich mehr Wartburgs gegeben haben. Lada, Skoda und Polski-Fiat gab es in Österreich sowieso in großer Zahl, damit haben wir schon einen nicht unwesentlichen Teil des Ost-Automarktes abgedeckt. Zastava und Co. wurden denke ich auch offiziell importiert.

Nicht wenige Ost-Autos gab es sogar als rechtsgelenkte Version für GB, bei den Heckmotor-Skodas, Lada, Zastava/Yugo und Wartburg bin ich mir sicher.

Hier ein Re-Import eines Wartburg Knight:
https://www.youtube.com/watch?v=tCW-ZxU58Ho

Etwas mehr Infos über die offiziellen Importe in GB:
https://www.independent.co.uk/life-style/motoring/features/wartburg-353-knight-5529454.html
"Sollte dies jedoch der Parteilinie entsprechen, werden wir uns selbstverständlich bemühen, in Zukunft kleiner und viereckiger zu werden!"

(aus einer Beschwerde über viel zu weit und kurz geschnittene Pullover in "Good Bye Lenin")

haidi

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Re: Die autogerechte Stadt...
« Antwort #8 am: 16. September 2019, 22:23:25 »
Früher war das mit der Typisierung einfacher, keine Abgastests etc. Zweitakter hatte sogar ein Audi Anfang der Siebziger.
Auch heute müssen Trabis im gesamten EU-Bereich zugelassen werden. Jedes KFZ, das in einem EU-Staat zugelassen war, muss in jedem anderen EU-Staat ebenfalls zugelassen werden. Österreich hat sich da lange quer gelegt und dann wurden Österreich vom EU-Gerichtshof die Wadln viregricht.
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WIENTAL DONAUKANAL

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Re: Die autogerechte Stadt...
« Antwort #9 am: 17. September 2019, 00:08:58 »
OK, das ist an mir vorbeigegangen aber ich habe sowieso fast keine Ahnung von Autos. Als Knabe schon erkannte ich gerade noch Mercedes und VW.

Ein Streitpunkt seit jeher war der verparkte Josefsplatz.

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Re: Die autogerechte Stadt...
« Antwort #10 am: 17. September 2019, 05:33:28 »
Ja, das waren sehr erstrebenswerte Zeiten damals  :-X

Möchte nicht wissen, was die Leute so in 5-10 Jahren sagen, wenn man ihnen Bilder der Mariahilfer Straße aus den früher 2000er zeigt - auch wenn die gelungene (IV-)Beruhigung und Neugestaltung noch immer in vielen Köpfen ein Skandal ist  :bh:

Superguppy

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Re: Die autogerechte Stadt...
« Antwort #11 am: 17. September 2019, 09:38:47 »
Bei meinen letzten Besuchen auf der Mariahilfer Straße habe ich mich sowieso gefragt, wie die vielen Menschen früher auf den zwei Gehsteigen Platz gefunden haben, die jetzt im Prinzip die gesamte Straße füllen.  8)

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Re: Die autogerechte Stadt...
« Antwort #12 am: 17. September 2019, 10:30:53 »
Bei meinen letzten Besuchen auf der Mariahilfer Straße habe ich mich sowieso gefragt, wie die vielen Menschen früher auf den zwei Gehsteigen Platz gefunden haben, die jetzt im Prinzip die gesamte Straße füllen.  8)

Es waren früher weniger Menschen.
Es ist nichts so fein gesponnen, es kommt doch ans Licht der Sonnen!
... brrrr, Klumpert!
Entklumpertung des Referats West am 02.02.2024 um 19.45 Uhr planmäßig abgeschlossen!

WIENTAL DONAUKANAL

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Re: Die autogerechte Stadt...
« Antwort #13 am: 17. September 2019, 10:37:19 »
Bei meinen letzten Besuchen auf der Mariahilfer Straße habe ich mich sowieso gefragt, wie die vielen Menschen früher auf den zwei Gehsteigen Platz gefunden haben, die jetzt im Prinzip die gesamte Straße füllen.  8)

Da war die Nutzung anders, das Jahr über reichten die breiten Gehsteige durchaus. Nur in der Vorweihnachtszeit gab es auf der bevorzugten Gerngrossseite das alljährliche Gewuzzel. Nach den Einkäufen ist man entweder mit der stets an der Oberfläche verfügbaren Straßenbahn abgefahren, oder hat für den Abgang die unbeliebte Strassenseite benutzt.
Etwas später hat man in der Adventzeit die innere Mahü in Teilen zur temporären Fussgängerzone erklärt.

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Re: Die autogerechte Stadt...
« Antwort #14 am: 17. September 2019, 10:53:28 »
Auch die Öffnungszeiten waren anders. Da wurde ja spätestens um 18.00 / 18.30 alles dicht gemacht. Samstag auch schon um 13 Uhr oder...