Auf meiner Website gibt es übrigens eine umfangreiche Dokumentation und umfangreiche Bildersammlungen:
Die Artikelserie zu den Wiener Bahnhöfen von Michael Suda ist hervorragend. Er hat ja früher im usenet geschrieben. Ich habe aber lange nichts mehr von ihm gehört oder gelesen.
Die Doku ist ja ganz nett, aber manche der darin gewälzten Thesen (Westbahnhof neu als architektonisches Gegenstück zum Stalindenkmal) finde ich schon ein wenig steil.
Das habe ich auch überzogen gefunden. Der Historiker untermauert seine These damit, dass für den Neubau Mittel aus dem ERP-Fonds zur Verfügung gestanden sein sollen, während diese eigentlich nur der Privatwirtschaft und nicht öffentlichen Infrastrukturprojekten dienen sollten. Tatsächlich wurde der Neubau des Südbahnhofs (Sowjet-Zone) erst nach dem Staatsvertrag in Angriff genommen.
Grundsätzlich muss man sagen, dass ein Wiederaufbau des alten Westbahnhofs aus betrieblicher Sicht (Halle zu klein) wenig Sinn gemacht hätte, die damit verbundenen Kapazitätsprobleme hatte man ja bereits in der Zwischenkriegszeit.
Damals schon. Für die heutigen Verkehrsbedürfnisse (eines Regionalbahnhofs) könnte man mit vier Bahnsteigen vermutlich das Auslangen finden. Aber 60 Jahre lang wäre es sehr eng gewesen.
Die übrigen Aussagen (Verschandelung des Ensembles durch die Neugestaltung und den Umbau zum Einkaufszentrum) unterschreibe ich sofort.
Man merkt so richtig, dass die "Gestalter" des heutigen Westbahnhofareals mit der bestehenden Architektur nichts anzufangen wussten und das Relikt nur deshalb stehen haben lassen, weil sie vom Denkmalschutz dazu gezwungen wurden. Denn so wirkt die einst majestätische Abfahrtshalle wie ein Turnsaal zwischen abgrundtief hässlichen Mehrzweckgebäuden, von denen man wirklich nur hoffen kann dass diese bald wieder abgerissen werden. Wobei der "Denkmalschutz" und die zuständigen Magistratsabteilungen offenbar doch ziemlich geschmiert worden sein müssen, um der Zerstörung des Ensembles und der Verbauung der Freiräume zuzustimmen.
Der alte Westbahnhof war ein Relikt aus der Frühzeit der Eisenbahn und hat architektonisch, so zumindest meine Meinung, nicht viel hergegeben. Er wirkt unruhig und bildet für das Auge kein kohärentes Ganzes. Wäre man in Wien nicht so kleinmütig, hätte man den Bau recht bald nach seiner Errichtung wieder abgerissen.
Über Architekturstile kann man streiten. Aus den Erzählungen meines Vaters weiß ich, dass er funktionell - wie damals bei Kopfbahnhöfen üblich - ziemlich unpraktisch war. Das Gebäude zum Gürtel hin war von geringer Bedeutung, denn der Bahnhof war in eine Abfahrts- und Ankunftsseite getrennt, welche sich respektive auf dem Platz bei der Gerstnerstraße - heute hinter dem Ikea (Abfahrt) und in der Felberstraße (Ankunft) befanden. Man betrat und verließ also die Bahnsteige seitlich und musste, wenn man zu einem mittleren Gleis wollte oder von dort kam, erst ans Gleisende marschieren.
Das kammförmige Zugangsschema von der Kopfseite her mit den großen Querhallen am Gleisende kam in Europa - soweit mir bekannt - erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts auf (zB Mailand Hauptbahnhof). Der alte FJ-Bahnhof war auch nach dem alten Schema errichtet (Abfahrtsseite Althanstraße), wurde aber beim Wiederaufbau nach dem 2. WK zum späteren - heute gebräuchlichen Schema umgebaut. Deshalb war die Eingangshalle auch so klein.
Immerhin war beim alten Westbahnhof der Weg zur Stadtbahn kürzer, denn die Trasse machte dort einen Schlenker vom Gürtel weg zum Bahnhof hin - was ja beim Neubau nach dem 2. WK bis zum Bau der U3 noch so war und sogar durch einen unterirdischen Zugang direkt aus der Bahnhofshalle erleichtert wurde. Heute wird man durch das Einkaufzentrum getrieben, wenn man trockenen Fußes zur U-Bahn will. Typisches Flughafenschema.