Autor Thema: [FR] Montpellier  (Gelesen 73605 mal)

0 Mitglieder und 1 Gast betrachten dieses Thema.

13er

  • Verkehrsstadtrat
  • **
  • Beiträge: 27735
Re: [FR] Montpellier
« Antwort #45 am: 20. Oktober 2013, 22:42:23 »
. . . .  Beispielarbeiten der Künstlerin . . . .
Also kommt Kunst doch nicht von "Können"!  :o
Kunst ist halt heute nicht mehr der hieroglyphenverzierte Obelisk, der mittelalterliche Altar oder ein Bild von Rembrandt... alles entwickelt sich weiter, emotionalisiert und provoziert. Ich hatte früher auch kein Verständnis für moderne Kunst, find inzwischen aber nach etlichen Museumsbesuchen, dass man sich dazu einfach ein bißchen öffnen muss... willkommen in der Postmoderne! :)
Mit uns kommst du sicher... zu spät.

hema

  • Geschäftsführer
  • *
  • Beiträge: 16386
Re: [FR] Montpellier
« Antwort #46 am: 20. Oktober 2013, 22:54:30 »
Hast du Haralds Bilder mit den Werken der "Künstlerin" betrachtet? Falls ja, verstehe ich dein Posting nicht, ich erkenne da weder was von Kunst, noch von Können. Nach solchen Kriterien gäbe es allein in Österreich mindestens 5 Millionen Künstler!  :o
Niemand ist gezwungen meine Meinung zu teilen!

13er

  • Verkehrsstadtrat
  • **
  • Beiträge: 27735
Re: [FR] Montpellier
« Antwort #47 am: 20. Oktober 2013, 23:06:33 »
Nach solchen Kriterien gäbe es allein in Österreich mindestens 5 Millionen Künstler!  :o
Wenn der Seethaler zu seinen Sprüchen immer eine Figur kleben würde, schauert's eh so ähnlich aus :D

Ich sage ja auch nicht, dass ich die Kunst in diesem Fall wirklich erkenne (tu ich nicht), aber es kann trotzdem Kunst sein.
Mit uns kommst du sicher... zu spät.

tramway.at

  • Referatsleiter
  • *
  • Beiträge: 7690
    • www.tramway.at
Re: [FR] Montpellier
« Antwort #48 am: 21. Oktober 2013, 09:13:16 »
Gucki: http://www.missticinparis.com/

in der rechten Leiste ihre bisherigen Ausstellungen, Veröffentlichungen etc.

Hier noch die Presseaussendung aus Montpellier!

Harald A. Jahn, www.tramway.at

tramway.at

  • Referatsleiter
  • *
  • Beiträge: 7690
    • www.tramway.at
Re: [FR] Montpellier
« Antwort #49 am: 01. Mai 2014, 21:47:40 »
Schlechte Nachrichten aus Montpellier: Die Linie 5 wurde gestoppt, der neue Bürgermeister ist gegen das Projekt.

http://www.ligne5-montpellier-agglo.com/indisponible.html
http://languedoc-roussillon.france3.fr/2014/04/30/montpellier-le-site-de-la-ligne-5-disparu-468645.html

 :(
Harald A. Jahn, www.tramway.at

Tramwaycafe

  • Expeditor
  • **
  • Beiträge: 1229
Re: [FR] Montpellier
« Antwort #50 am: 08. November 2014, 21:20:33 »
Montpellier ist eine ganz besondere Stadt für mich. Anfangs der 1980er haben meine Eltern ihre Urlaubsdestinationen langsam von Italien nach Frankreich verlagert; für mich zwischen Kind und Jugendlicher war das eine ausgesprochen prägende Zeit. Die Reiseziele waren typischerweise im erweiterten Mittelmeerraum, und da war Montpellier als eine der großen Städte natürlich immer wieder wenigstens einen Abstecher wert.

Zu dieser Zeit war Montpellier als Stadt nicht wirklich attraktiv. Der Autoverkehr hatte die Stadt beinahe stranguliert; das Zentrum war zwischen grau und schäbig: Ziemlich heruntergekommen alles, und enge Straßen im Stadtzentrum, die beidseits mit durchgehend eingedepschten Autos zugeparkt waren, gehören zu den präsentesten Eindrücken von den damaligen Montpellierbesuchen.

Soweit zur Ausgangslage und der Faszination, die die französischen Städte im Laufe der Jahrzehnte da geradezu ausüben mussten, natürlich im Lichte der wiedergeborenen Straßenbahn! 2003 war ich dann nach vielen, vielen Jahren wieder in Montpellier: Da war die Linie 1, die Schwalbenlinie, gerade drei Jahre lang in Betrieb, und es war, als würde man Dornröschen nach dem namensgebenden Schlaf sehen: Auf einmal war die Stadt, deren Lebensader der 1er nun war, eine hinreißende, lebendige, pulsierende, helle, fröhliche und luftige Stadt nächst des Mittelmeers; der 1er fuhr alle paar Minuten vollgepackt mit bis dahin nicht vorstellbaren Massen von Fahrgästen zügig durch die ganze Stadt.

Und Montpellier war nach dem ebenso schönen, aber doch ganz woanders gelegenen Strasbourg die zweite französische Straßenbahnstadt, die ich besuchen durfte: Wie die Linie 1 gebaut wurde, hat nicht nur mir die Tränen in die Augen getrieben, sondern auch meiner Frau, für die das damals die erste Frankreichreise war, auf Dauer das französische Tramwayvirus eingepflanzt.

Heuer hatte ich wieder die Gelegenheit, beim jährlichen Frankreichurlaub einen Tag nach Montpellier zu fahren. Und daraus kommt auch die erste Aufnahme, passend zum Text: Wagen 2015 aus der ersten Citadis-Generation auf Linie 1; blau mit den weißen Schwalben, am 25. September nächst der Haltestelle Occitanie am westlichen Ast des Einsers; dort, wo das eigentliche Stadtbild in die Stadtschaft übergeht, die mit der Straßenbahn entstand. Eine Strecke, bei der der geschulte Wiener einfach nur heulen kann.

moszkva tér

  • Referatsleiter
  • *
  • Beiträge: 8283
Re: [FR] Montpellier
« Antwort #51 am: 11. November 2014, 09:39:52 »
Was Tramwaycafe da beschreibt, habe ich in Marseille ähnlich erlebt.

Bei meinem allerersten Besuch 1997 war Marseille das echte Chaos. Überall Autos, die Stadt grindig und dreckig, zu Fuß gehen eine Katastrophe, der ÖV armselig (Tagesverkehr bis ca. 20 Uhr, danach Nacht(!)busse bis ca. 23 Uhr).

Heute ist Marseille herausgeputzt, sauber, ordentlich und der Verkehr ist überschaubar geworden.

Aber als Nebeneffekt: Immobilienpreise sind in den Himmel geschossen, das arabische Stadtzentrum (Quartier Panier) fest in der Hand der Nobelbobos, Immobilienspekulanten und Zweitwohnungsbesitzer aus Paris, Großbritannien und Russland. Vorbei mit dem Charme  :(

oldtimer

  • Expeditor
  • **
  • Beiträge: 1079
Re: [FR] Montpellier
« Antwort #52 am: 11. November 2014, 12:41:45 »
Aber als Nebeneffekt: Immobilienpreise sind in den Himmel geschossen, das arabische Stadtzentrum (Quartier Panier) fest in der Hand der Nobelbobos, Immobilienspekulanten und Zweitwohnungsbesitzer aus Paris, Großbritannien und Russland. Vorbei mit dem Charme  :(


Das hast aber hier in Wien auch schon...
"Besetzt - bitte nicht mehr zusteigen, der Zug wird abgefertigt!"

moszkva tér

  • Referatsleiter
  • *
  • Beiträge: 8283
Re: [FR] Montpellier
« Antwort #53 am: 11. November 2014, 12:54:57 »
Aber als Nebeneffekt: Immobilienpreise sind in den Himmel geschossen, das arabische Stadtzentrum (Quartier Panier) fest in der Hand der Nobelbobos, Immobilienspekulanten und Zweitwohnungsbesitzer aus Paris, Großbritannien und Russland. Vorbei mit dem Charme  :(


Das hast aber hier in Wien auch schon...
Ich finde es eh nicht super. Man schaue sich den Spittelberg an: Wunderschöne Gegend. Aber kein Stadtviertel, sondern ein Freilichtmuseum  :down:

oldtimer

  • Expeditor
  • **
  • Beiträge: 1079
Re: [FR] Montpellier
« Antwort #54 am: 11. November 2014, 13:04:56 »
Die Gastroszene bringt da durchaus Abwechslung und Leben rein, aber der verstaubte Charme bleibt natürlich bestehen :-X und da können eine Hand voll Lokale auch keinen Gegenpol dazu schaffen.
"Besetzt - bitte nicht mehr zusteigen, der Zug wird abgefertigt!"

tramway.at

  • Referatsleiter
  • *
  • Beiträge: 7690
    • www.tramway.at
Re: [FR] Montpellier
« Antwort #55 am: 11. November 2014, 13:32:49 »
Aber als Nebeneffekt: Immobilienpreise sind in den Himmel geschossen, das arabische Stadtzentrum (Quartier Panier) fest in der Hand der Nobelbobos, Immobilienspekulanten und Zweitwohnungsbesitzer aus Paris, Großbritannien und Russland. Vorbei mit dem Charme  :(

Aber was willst machen? Ein zentrales Stadtviertel ist natürlich immer attraktiv, und Panier ist ein pittoreskes Gasserlgewirr auf einem Hügel, mit teilweise wunderbarer Aussicht. Entweder man überlässt es seinem Schicksal, dann verfällt es (wobei die Vermieter trotzdem aufgrund der Lagegunst alles aus den Häusern rausquetschen), oder man geht in Richtung Erneuerung. Da Panier grad in zwischen Zentrum und Hafen liegt, der das wahrscheinlich größte Urbanisierungsgebiet Europas ist, lässt sich kaum vermeiden, dass das Gebiet aufs Radar gerät.

Wien macht das mit der Durchmischung dagegen eh recht gut, dazu gehört auch, Zuwanderer in die Gemeindebauten zu bringen, auch wenn das der ursprünglichen Belegschaft nicht passt.
Harald A. Jahn, www.tramway.at

Tramwaycafe

  • Expeditor
  • **
  • Beiträge: 1229
Re: [FR] Montpellier
« Antwort #56 am: 16. November 2014, 12:47:24 »
Zur Boboisierung netter Stadtviertel: Wie tramway.at schon in meinen Augen ganz treffend festhielt; durch welche (nicht nur theoretisch gut klingenden) Regulatorien soll denn eine Stadtviertelaufwertung bei gleichzeitiger Hintanhaltung von Preiserhöhungen erzielt werden? Soll's gut, gepflegt und attraktiv aussehen, kostet's Geld. Wieviel Geld mag ein Streitpunkt sein, aber TANSTAAFL¹.

[1] There ain't no such thing as a free lunch.

Zurück zu Montpellier in den 2000er-Jahren: Der zweite Besuch in Montpellier zu Straßenbahnzeiten war dann vier Jahre später, 2007, als bereits die Linie 2 eröffnet wurde. Wie schwer muss es gewesen sein, den so durchschlagenden Erfolg der Linie 1 weiterzuführen: Und der Zweier war von seiner ursprünglichen Streckenführung her auch kontroversiell, umfuhr er doch auf einer langen Neubaustrecke fast künstlich wirkend die Innenstadt. Der Protest dagegen war ziemlich hörbar; nicht aber gegen die Straßenbahn, sondern gegen die suboptimale Trassenführung. Unmittelbar nach der Eröffnung des Einsers konnte sich niemand in Montpellier mehr leisten, öffentlich (unsachlich) gegen die neue Tramway aufzutreten. Inzwischen hat der Zweier die logische, direkte Führung durchs Zentrum bekommen; doch dazu mehr im nächsten Beitrag.

Wie ich Georges Frêche, nicht immer undespotisch agiert habender Bürgermeister von Montpellier und zugleich unaufhaltbarer Befürworter der neuen Straßenbahn daselbst, aus den Medien in Erinnerung habe, dann kann ich die Theorie sehr gut nachvollziehen, dass diese vorüber gehend patscherte Linienführung des Zweiers den Hintergrund hatte, die bemängelten Strecken für die später zu bauenden Linien (Linien 3 und 4) schon im vorhinein durchzusetzen; denn isoliert hätten sie sehr viel weniger Chancen zur Realisierung gehabt.

Von den Außenstrecken her ist der Zweier vom selben, unglaublich hohen Standard wie der Einser errichtet worden: Hier fährt Wagen 2059 von der Haltestelle St Lazare kommend nach Aiguelongue hinauf. All das war einmal Durchzugs-Straßenwüste. Man beachte die Lichtsäulen an der Haltestelle im Hintergrund: Weithin sichtbares, unverwechselbares Merkmal der Straßenbahnhaltestellen in Montpellier.

tramway.at

  • Referatsleiter
  • *
  • Beiträge: 7690
    • www.tramway.at
Re: [FR] Montpellier
« Antwort #57 am: 16. November 2014, 13:49:33 »
Man beachte die Lichtsäulen an der Haltestelle im Hintergrund: Weithin sichtbares, unverwechselbares Merkmal der Straßenbahnhaltestellen in Montpellier.

Hach, hach, hach
Harald A. Jahn, www.tramway.at

haidi

  • Geschäftsführer
  • *
  • Beiträge: 14475
Re: [FR] Montpellier
« Antwort #58 am: 16. November 2014, 15:51:34 »
Zur Boboisierung netter Stadtviertel: Wie tramway.at schon in meinen Augen ganz treffend festhielt; durch welche (nicht nur theoretisch gut klingenden) Regulatorien soll denn eine Stadtviertelaufwertung bei gleichzeitiger Hintanhaltung von Preiserhöhungen erzielt werden? Soll's gut, gepflegt und attraktiv aussehen, kostet's Geld. Wieviel Geld mag ein Streitpunkt sein, aber TANSTAAFL¹.
Stimmt, aber die Boboisierung ist ja nicht nur ein Zentrumsproblem.
Mirt ist das Problem der Boboisierung erst in London so richtig zu Bewusstsein gekommen (auch wenn es dort keine Boboisierung war).
anlässlich der olympischen Spiele in London wurde ein ehemaliges Industriegebiet in Stratford dem Erdboden gleich gemach.
Ich bin da öfters mit der Ubahn vorbei gefahren. Da haben sich kleine Werktstätten und anderes Gewerbe niedegelassen gehabt, die sicher nicht viel abgeworfen haben, aber doch eine Familie ernähren konnten oder vielleicht noch ein oder zwei Angestellte. Ich kann mir gut vorstellen, dass der Abriss zu vielen sozialen Problemen geführt hat bzw. diese noch vestärkt hat, kostet der Gesellschaft auch genug Geld.

Von den Bobos okkupierte Stadtviertel - dort hat sich eine sozial angepasste Gechäfts- und Lokal-Infrastruktur ausgebildet, wenn dann die ehemaligen Bewohner in alle Winde zerstreut werden, dann wird ihnen diese Infrastruktur spürbar fehlen.

Ist klarerweise eine Zwickmühle, aber es passiert meist auf dem Rücken der Armen und treibt diese wahrscheinlich noch mehr in die Armut.

Microsoft is not the answer. It's the question and the answer is NO.

Tramwaycafe

  • Expeditor
  • **
  • Beiträge: 1229
Re: [FR] Montpellier
« Antwort #59 am: 07. Dezember 2014, 13:41:20 »
Der Zweier war nicht nur deswegen eine außergewöhnliche Linie, weil er anfangs das Zentrum auf auch im übertragenen Sinne des Wortes «exzentrischer» Linienführung umfuhr, sondern weil er gewissermaßen die Phase der französischen Straßenbahnrenaissance einläutete, die ich als dritte auffasse:
  • Neue Straßenbahn als solches (Streckenverlängerung St. Etienne nach Solaure 1983 und Nantes als Neusystem 1985)
  • Komplettumgestaltung der Stadt, Straßenbahn als neue Lebensader, kostspieliger Bau (Grenoble 1987 behutsam, Strasbourg ab 1994 mit voller Wucht)
  • Eingleisige Strecken mit vereinfachten Planungsmaßstäben an der äußersten Peripherie; Wiederverwendung aufgelassener Infrastruktur (Montpellier Linie 2 2006)

Diese eingleisigen Strecken wies und weist der Zweier an beiden Enden auf: Jeder zweite Kurs endet an den Zwischenendstationen Sabines und Notre-Dame de Sablassou, die anderen fahren in entsprechend reduziertem Intervall auf den eingleisig ausgeführten Endstrecken in umliegende Orte. Auf dieser Aufnahme befinden wir uns noch sehr stadtnah: Wagen 2050 im Blumendesign der Linie 2 kommt hier von der Haltestelle Aube Rouge, um nach der nächsten Kurve Notre-Dame de Sablassou zu erreichen. Wie hat sich das Umfeld hier seit 2007 verändert: Links sind inzwischen richtig gelungene Wohnbauten errichtet. Eingleisigkeit und vereinfachte Bauprinzipien heißt übrigens nicht, notgedrungen auf Rasengleis zu verzichten, wo es hinpasst! Diese Aufnahme ist wiederum vom 25. September 2014.