Montpellier ist eine ganz besondere Stadt für mich. Anfangs der 1980er haben meine Eltern ihre Urlaubsdestinationen langsam von Italien nach Frankreich verlagert; für mich zwischen Kind und Jugendlicher war das eine ausgesprochen prägende Zeit. Die Reiseziele waren typischerweise im erweiterten Mittelmeerraum, und da war Montpellier als eine der großen Städte natürlich immer wieder wenigstens einen Abstecher wert.
Zu dieser Zeit war Montpellier als Stadt nicht wirklich attraktiv. Der Autoverkehr hatte die Stadt beinahe stranguliert; das Zentrum war zwischen grau und schäbig: Ziemlich heruntergekommen alles, und enge Straßen im Stadtzentrum, die beidseits mit durchgehend eingedepschten Autos zugeparkt waren, gehören zu den präsentesten Eindrücken von den damaligen Montpellierbesuchen.
Soweit zur Ausgangslage und der Faszination, die die französischen Städte im Laufe der Jahrzehnte da geradezu ausüben mussten, natürlich im Lichte der wiedergeborenen Straßenbahn! 2003 war ich dann nach vielen, vielen Jahren wieder in Montpellier: Da war die Linie 1, die Schwalbenlinie, gerade drei Jahre lang in Betrieb, und es war, als würde man Dornröschen nach dem namensgebenden Schlaf sehen: Auf einmal war die Stadt, deren Lebensader der 1er nun war, eine hinreißende, lebendige, pulsierende, helle, fröhliche und luftige Stadt nächst des Mittelmeers; der 1er fuhr alle paar Minuten vollgepackt mit bis dahin nicht vorstellbaren Massen von Fahrgästen zügig durch die ganze Stadt.
Und Montpellier war nach dem ebenso schönen, aber doch ganz woanders gelegenen Strasbourg die zweite französische Straßenbahnstadt, die ich besuchen durfte: Wie die Linie 1 gebaut wurde, hat nicht nur mir die Tränen in die Augen getrieben, sondern auch meiner Frau, für die das damals die erste Frankreichreise war, auf Dauer das französische Tramwayvirus eingepflanzt.
Heuer hatte ich wieder die Gelegenheit, beim jährlichen Frankreichurlaub einen Tag nach Montpellier zu fahren. Und daraus kommt auch die erste Aufnahme, passend zum Text: Wagen 2015 aus der ersten Citadis-Generation auf Linie 1; blau mit den weißen Schwalben, am 25. September nächst der Haltestelle Occitanie am westlichen Ast des Einsers; dort, wo das eigentliche Stadtbild in die Stadtschaft übergeht, die mit der Straßenbahn entstand. Eine Strecke, bei der der geschulte Wiener einfach nur heulen kann.