DDR-Bürger hatten in West-Berlin Freifahrt
Weißt du auch warum das so war?
1948, Einführung der Westmark. In den folgenden Jahren stieg der Wert der Westmark gegenüber der Ostmark immer mehr an, entsprechend stiegen die fahrpreise im Westen.
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http://www.berliner-verkehrsseiten.de/Download/Tarife/Tarifwesen/Tarifwesen_1949-1975-West/tarifwesen_1949-1975-west.html#BVG1949Bürgern der DDR war es nicht möglich diese Fahrpreise zu entrichten, zu groß wurde dieser Unterschied zwischen den Werten. Bspw. kostete 1960 eine Fahrt mit der U-Bahn:
Ost: 20 Pfennig, West 35 Pfennig
Die Ostmark wurde zu zeitweise 1:10 gegenüber der Westmark gehandelt.
Noch bis 1953 konnten Ostberliner bei der Reichsbahn Fahrscheine gegen Ostmark an den fahrkartenschaltern kaufen, auch in Westberlin. So bewegten sich die Ostberliner vorwiegend mit der Reichsbahn, um das wertvolle Westgeld nicht für eine Fahrkarte mit der BVG-West einzutauschen. Im Februar 1953 stellte die Reichsbahn die Abgabe der fahrscheine in Westberlin gegen Ostmark ein, Bürger der DDR hatten nun ein Problem. Nur um Mutter oder Oma im Westen zu besuchen benötigte man nun Westgeld, zumindest für die Rückfahrt.
Daher wurde schnell bei der West-BVG ein Sonderfahrschein B eingeführt, der zur einfachen Fahrt berechtigte und nur an DDR-Bürger abgegeben wurde. Bezahlt wurde dieser mit Ostmark. Da der Schaffner im Bus / Straßenbahn nicht mit zwei Währungen hantieren sollte, gab es diese Fahrscheine nur im Vorverkauf an den Ausgabeschaltern (West). Kurios: Die BVG-Ost akzeptierte diese Fahrscheine nicht! Zur Fahrt mit der U-Bahn von Westberlin nach Ostberlin benötigte man also auch gleich einen Fahrschein für den Ostberliner Teil der Fahrt. Abbildungen solcher Fahrscheine unter:
http://www.berliner-verkehrsseiten.de/Download/Tarife/Tarif_Fahrscheine/Tarife_SF/Tarif_Muster_SF/tarif_muster_sf.htmlMit dem Mauerbau 8/1961 wurden die Sonderfahrscheine nicht mehr benötigt. Ab 1963 konnte die ersten Rentner aus dem Osten wieder in den Westen fahren. Der Aufwand für diese wenigen Besucher aus der DDR nun wieder Ostfahrscheine gegen ostmark zu verkaufen (Abrechnung, Vorhaltung von Wechselgeld, Abrechnung) rechnete man gegen die unbegrenzte Freifahrt ...
In dieser Zeit gab es auch die Mittelhilfe, heisst umgangssprachlich "Begrüßungsgeld". Da die Besucher aus der DDR ja mittellos waren, mit der Ostmark im Westen nichts kaufen konnten, zahlte die Bundesregierung an jeden Besucher aus der DDR pro Jahr anfänglich 30 DM, später 100 DM:
http://de.wikipedia.org/wiki/Begr%C3%BC%C3%9FungsgeldKlar, dass man mit dem Mauerfall 11/1989 plötzlich ein Problem hatte. Daher wurde diese Regelung auch schnell (31.12.1989) beendet und wieder Fahrscheine für den Westen gegen Ostgeld verkauft.
Auch mit Einführung der Westmark in der DDR (7/1990) blieben tarifliche Unterschiede erhalten, noch bis teilweise (bei den Zeitkarten) 1996!
Siehe Hinweis unter Signatur F_007:
http://www.berliner-verkehrsseiten.de/Download/Textarchiv/Fahrschein/fahrschein.htmlWie man sich vorstellen kann, ein riesen Durcheinander! 6 Jahre nach der Wiedervereinigung arbeiteten Ossis in Westberlin nach den höheren Westlohntabellen, Wessis in Ostberlin für den niedrigeren Ostlohn, Wessis zogen nach Ostberlin und Ossis nach Westberlin ohne die Arbeitsstelle zu wechseln. Alle nur denkbaren Kombinationen entwickelten sich da, kaum mehr klar zu erkennen, wer eigentlich Anspruch auf den günstigeren Osttarif noch hatte ...
Eine völlig durchgeknallte Zeit war das. Und der Tourist? Völlig verwirrt, denn schon wenige Jahre nach dem Abbau der Grenzanlagen (1990) war an vielen Stellen in der Stadt nur für das geübte Auge erkennbar, ob man sich in ex Ost- oder Westberlin befand. Der Berliner kannte sich aus oder konnte anhand von Strassenschildern, Gullydeckeln oder Laternenmaste die Strassen nach Ost oder West zuordnen. Entsprechend müssen wohl Touristen vor dem Fahrkartenautomat gestanden haben und gegrübelt haben, ob sie jetzt mit dem B-Fahrschein von Alexanderplatz nach Zoologischen Garten fahren dürfen (nein, durften damit nur in ex Ostberlin fahren). Dazu muss man sich aber auf dem Liniennetz gut auskennen, ob der Bus einige Strassen durch Westberlin fährt, ehe er weiter in Ostberlin fährt ..
Bspw. für einen Fahrschein B-Tarif (Osttarif):

Auf der Rückseite die Kurzerklärung:

Bedeutet: Der Westberliner, Westdeutsche oder Ausländer (Tourist) darf mit diesem Fahrschein nur in ex Ostberlin fahren. Nur Ostdeutsche, die am 2.10.1990 (letzter Tag der DDR) wohnhaft auf dem Gebiet der DDR waren (also nicht die DDR-Bürger, die 1989 etwa über Ungarn/Österreich oder Prager Botschaft ausreisten ect. und nach 10/1990 wieder in ihre alte Heimat zogen) durften mit einem B-Fahrschein in ex-Westberlin fahren. Aber auch die wenigen Wessis, die noch vor der Wiedervereinigung 1990 in die DDR einbürgerten ... wie so das Leben den Weg der Liebe schreibt!
Könnt ihr euch vorstellen, was für ein Durcheinander!