Berlin hat freilich mehr zu bieten als "nur" Tramway und U55. Jetzt bin ich dazugekommen, auch ein paar Fotos des restlichen ÖV der Stadt auszusortieren.
Wir beginnen unsere kleine Rundreise am Potsdamer Platz:
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Vor dem Krieg in den 20ern und 30ern das echte (Unterhaltungs-)Zentrum und ein riesiger Verkehrsknotenpunkt. Auch wenn ich es nicht verifizieren kann, habe ich von 26 Straßenbahn- und 5 Buslinien gelesen, die über den Platz verkehrten. Der erste enorme Rückschlag für den Potsdamer Platz war der 2. Weltkrieg, in dem der Platz so gut wie vollständig zerstört wurde. Das sollte aber nicht seine letzte Bedrohung gewesen sein:
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Ab 13. August 1961 verlief hier die Grenze zwischen zwei Ideologien, zuerst in Form von Stacheldraht und allen möglichen Baumaterialien, die man überall zusammensuchte, später in Form eines bizarr organisierten Todesstreifens entlang der Mauer aus Stahl und Beton. Heute dokumentieren an vielen Orten Berlins nur mehr zwei in die Straße eingelassenen Reihen Pflastersteine die jahrzehntelange Trennung. Wie man am oberen Foto im Hintergrund sieht, ist die Stadt zumindest architektonisch aber wieder völlig zusammengewachsen und mit dem Bahngebäude, dem Sonycenter usw. einer architektonischen Modernität verpflichtet, die für Wiener Augen in diesem großen Umfang gewöhnungsbedürftig ist:
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Heute befindet sich der größte Teil des Verkehrs auf diesem Platz unter der Erde, aber oben verkehrt zumindest die (unter Touristen) beliebte Buslinie 200, die (zusammen mit der Linie 100) unserer VRT ähnelt, aber viel mehr Sehenswürdigkeiten abdeckt und somit eine wesentlich längere Strecke hat. Auch Straßenbahngleise liegen am Platz bereit für eine mögliche zukünftige Linie. Wer weiß...
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Mit der in den späten 30ern erbauten Nord-Süd-Achse (die aufgrund eines großen Bauunglücks nicht mehr ganz bis zu den Olympischen Spielen vollendet werden konnte) der S-Bahn erreicht man von hier in einer Station das Brandenburger Tor.
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Bis zur Teilung der Stadt hieß diese Haltestelle noch "Unter den Linden". Diesen poetischen Namen benötigte man später für andere Pläne und so trägt die Station jetzt die Bezeichnung "Brandenburger Tor" (was für Touristen vorteilhafter erscheint).
In der DDR benötigte diese Haltestelle keinen Namen, da es sich um einen Geisterbahnhof handelte. Insgesamt gab es AFAIR 15 oder 16 solcher Geisterbahnhöfe, die mit Schrittgeschwindigkeit (15 km/h) ohne Halt durchfahren werden mussten, um (in der für die ganze Stadt von Ostberlin aus verwalteten und betriebenen S-Bahn) Westberliner Fahrgäste über Ostberlin wieder nach Westberlin zu befördern. Am Bahnsteig patroullierte die Transportpolizei und wie die diversen (MfS-)Einheiten hießen, natürlich niemals allein, um auch sie nicht in den Tunnels oder auf einem doch anhaltenden Zug in den Westen flüchten zu lassen (einige haben den Weg durch den Tunnel aber trotzdem geschafft, weswegen man später neben und zwischen den Gleisen Holzplanken mit Kontakten anbringen ließ, die bei Fluchtversuchen stillen Alarm gaben; ganz wenige haben es auf der Schiene balancierend dennoch aus der Menschenrechtshölle geschafft). Später traute man auch den Polizisten insgesamt nicht mehr, da errichtete man eigene abgemauerte Bereiche auf den Bahnsteigen, durch die jeweils nur Sehschlitze auf die Bahnsteige angebracht waren. Der einzige Mensch, der in den Geisterbahnhöfen anwesend sein und sich relativ frei (so weit man das so bezeichnen kann) bewegen durfte, war der Stellwerker. Es war sicher ein äußerst einsames Leben, wenn nicht gerade ein Fahrgast eine Zeitung oder ein Päckchen Kaffee aus einem Wagen auf den Bahnsteig warf.
Heute erinnert an diese schreckliche Zeit im Bahnhof eigentlich nur mehr das alte im typischen Grünton gehaltene Abfertigungshäuschen, auf dem man noch den alten Namen der Station in der (im Nationalsozialismus entworfenen und verbreiteten) Schriftart "Tannenberg" (die auch am Foto weiter oben vom Potsdamer Platz zu erkennen ist) lesen kann:
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Nun gut, wir verlassen die Station und schlendern vom Pariser Platz aus die Prachtstraße Unter den Linden hinunter. Der Name kommt nicht von ungefähr: Die Straße wurde als Reit- und Flanierallee angelegt, die äußere Seite für die Reiter und die innere für Promenierende; getrennt von schönen Lindenbäumen. Heute ist nur mehr der innere Teil beschaulich, draußen - auf der ehemaligen Reitallee - brausen im starken Verkehr die Autos vorbei (auch wenn generell in Berlin "starker" Verkehr noch immer weniger Verkehr als bei uns auf einer ähnlich großen Straße bedeutet).
Wer zu faul zum Gehen ist, kann hier auch die Buslinie 100 mit ihren Stockbussen verwenden:
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Bequemerweise fährt auch ein Bus vom Flughafen Tegel hierher, der das Liniensignal TXL trägt:
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Früher wurde Unter den Linden übrigens von einer viergleisigen Ustrab unterquert. Nach Auflassung der Linie(n) wurden irgendwann die Rampen zugeschüttet, der Tunnel selbst könnte aber noch existieren? Vielleicht braucht man's ja noch irgendwann mal
Nach kurzer Zeit gelangt man zur ebenso berühmten Friedrichstraße, die orthogonal zu Unter den Linden verläuft:
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Übrigens scheint auch in Berlin das Haltestellensystem so aufgebaut zu sein, dass jeder Haltestellenname nur einmal vergeben wird/werden kann. Besonders gemerkt habe ich das in der Kantstraße, in der so gut wie alle Haltestellen Kantstraße / ... heißen. Genauso seltsam wie bei uns.
In der Friedrichstraße könnte man nun an Sehenswürdigkeiten entweder zum Checkpoint Charlie abbiegen, der sich unmittelbar an der Haltestelle Kochstraße der U6 befindet:
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Wir gehen aber in die andere Richtung, zum Bahnhof Friedrichstraße:
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Dabei handelt es sich um einen sehr besonderen Bahnhof: Zu Zeiten der DDR war er der einzige auf diesem Gebiet, der nicht als Geisterbahnhof durchfahren wurde, sondern an dem Nah- und Fernreisende ein- bzw. umsteigen durften. Damit dabei kein Bürger unerlaubterweise ein-/ausreisen konnte, wurde ein enormer Aufwand betrieben: Der Bahnhof war in viele verwinkelte Gänge aufgeteilt, in denen die Paßkontrollen vorgenommen wurden. Die Bahnsteige oben waren baulich völlig getrennt. Damit meine ich jetzt nicht nur eine riesige bewachte (Glas-)wand zwischen Fernverkehr und S-Bahn, sondern auch die Schienen waren hier zwischen Ost- und Westlinien durchtrennt und mit Prellböcken gesichert. Fernverkehrszüge in Richtung BRD fuhren durch die gesamte DDR durch und hielten nach der Friedrichstraße erst wieder ab der Staatsgrenze.
Heute ist davon weder unten noch oben irgendwas zu erkennen:
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Nicht nur Züge, sondern die allermeisten Fahrgäste aus der Richtung am Foto hatten hier für Jahrzehnte absolute Endstation:
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Später wurde der Platz im unteren Bahnhofsbereich für den Andrang an ein- und ausreisewilligen zu eng und man errichtete einen Zubau, in den die Paßkontrolle ausgelagert wurde und der mit dem Bahnhof durch einen sicheren unterirdischen Tunnel verbunden war. Hier spielten sich oft herzzerreißende Szenen ab, daher bekam der Zubau bei den Berlinern den Namen "Tränenpalast". Von diesem habe ich leider kein besseres Foto, da er derzeit vollkommen saniert wird. Aber allein die Aufschrift lässt einem den Schauer über den Rücken rennen:
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Vom Bahnhof Friedrichstraße in Richtung Museumsinsel habe ich schon einmal bei der Tramway abgedrückt, warum dann nicht auch bei einem vorbeikommenden Bus:
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Auf der Museumsinsel fährt die S-Bahn übrigens in Richtung Alexanderplatz mitten durch die Museen durch. Mit dem richtigen Standpunkt, den ich nicht wirklich gefunden habe, wären da sicher eindrucksvolle Motive möglich:
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Wenn man dieses Ufer entlanggeht, kommt man wieder zurück zu Unter den Linden, aber auf der anderen Seite der Straße mit dem Dom, der Humboldt-Universität, der Neuen Wache etc. Hier erwartet uns auch schon ein 200er auf seinem Weg zum Bahnhof Zoo:
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Auf der anderen Seite etwas später vor den Grundmauern des Palasts der Republik, der von der DDR-Führung unter Benutzung von Asbest gebaut wurde, nachdem bereits einige Jahre bekannt war, welche Gefahr dieser Baustoff darstellt. Das Gebäude wurde inzwischen abgerissen, um das alte Stadtschloss in der einen oder anderen Form wieder aufzubauen:
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Da die Linien 100 und 200 ein besonders hohes Verkehrsaufkommen, hauptsächlich durch Touristen haben, verkehren sie in eher chaotischen Intervallen:
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Ansonsten darf man aber durchaus die preußische Pünktlichkeit strapazieren, um die BVG zu beschreiben!
So, abschließend habe ich nur noch einige wenige Bilder, die ich in einen zweiten Beitrag verfrachte. Ich weiß, der Text ist diesmal sehr (über-)ausführlich geworden, aber Berlin ist eine faszinierende Stadt, nicht zuletzt wegen ihrer Teilung und, im besonderen, was diese für das Verkehrsnetz bedeutete.