Mitte September war ich ein paar Tage in Lissabon. Hauptanlass für die Reise war eine Fahrzeugparade am 17.09.2022 zur Feier "150 Jahre Carris". Die Bildausbeute ist so groß, dass ich noch einige Zeit zum Bearbeiten brauchen werde. Daher hier vorab ein verbaler Bericht:
Gegenüber meinem vorletzten Besuch 2000 hat das Straßenbahnnetz zwar eine kleine Erweiterung (Wiedereröffnung eines Teil der Linie 24) und den kompletten Neubau einer vorhandenen Linie (18) erfahren, aber die Betriebsqualität ist miserabel. Teilweise ist das die Schuld von Carris, dem Verkehrsbetrieb, selbst:
- In den paar Tagen hatten wir 2 Liegenbleiber erlebt: einen Remodelado und einen Articulado (Niederflur-Gelenkwagen). Letztere können bekanntlich nur auf der flachen Küstenlinie 15 fahren. Von 10 vorhandenen Gelenkwagen sind meist nur 4 bis 6 in Betrieb. Benötigt werden aber 9 Kurse bei einem ausgewiesenen Intervall von 12'. Die fehlenden Gelenkwagen werden ersetzt durch:
- Remodelados. Dazu muss man wissen, dass schon die Gelenkwagen immer überfüllt sind, weil an der Linie 15 das Touristenziel Jerónimo-Kloster liegt.
Die Leute, die kaum in einen Gelenktriebwagen reingehen, werden dann in einen Zweiachser gequetscht.
- Busse: mindestens 1 Kurs wird im SEV geführt, einmal haben wir sogar 3 SEV-Kurse erlebt.
Die eingesetzten Busse haben natürlich mehr Fassungsvermögen als die Remodelados, aber weniger als die Gelenktriebwagen, sind also auch immer rammelvoll.
- Gar nicht. Manchmal kommt am 15er trotz ausgewiesenem 12'-Intervall über 30' gar nix daher, auch kein SEV. - Auf den berühmten Linien durch die schmalen und steilen Straßen (12, 18, 24, 25, 28) kommt es oft zu Verkehrsbehinderungen durch Gleisparker, die aber meist gleich wegfahren. Nur zweimal wurde das abgestellte Fahrzeug nicht gleich weg bewegt: einmal war es ein PKW, dessen Fahrer zwar gleich zum Auto kam, aber 20' brauchte, um es wenigstens wegrollen zu lassen. Der PKW war defekt.
Ärger war es am selben Tag 200m weiter: ein Liefer-LKW (7,5-Tonner) versperrte die berühmte Touristenlinie 28. Normalerweise kein Thema: das Ausladen der Getränke (dort sind viele Lokale) geht schnell und dann fährt er weg - denkste: der LKW wurde defekt und unbeweglich. 1/2 Tag musste der 28er in einer Richtung eine Umleitung fahren. Glücklicherweise war das trotz des stark reduzierten Tramnetzes in diesem Falle möglich. - Dazu kommt generell der chaotische Straßenverkehr. Da kommt es schon einmal vor, dass der gesamte Auslauf der Linie 24 (3 Wagen) im Geleitzug fährt. Entsprechend lange muss man dann auf eine Fahrtmöglichkeit in der Gegenrichtung warten.
- Die Entscheidung, 45 Zweiachser zu Remodelados umzubauen, fiel in den 90ern. Damals wollte man nur ein Rumpfnetz beibehalten und so wurden nur 45 Wagen umgebaut, mit Nockenfahrschaltern, Kleinspannungsanlage, stärkeren Motoren, neuer Druckluftanlage, neue Untergestelle mit Megi-Federn, Falttüren im Retro-Design usw. Durch die dann doch unterlassenen weiteren Streckenstilllegungen bzw. sogar Wiedereröffnungen hat man zu wenig Fahrzeuge. Eine 2018 erfolgte Ausschreibung über Neufahrzeuge mit ähnlichen Abmessungen blieb erfolglos. Folge: viel zu lange Planintervalle. Ein paar Beispiele:
- die auf einem Teilstück wieder eröffnete Linie 24: kürzestes Tagesintervall 17'.
- die komplett neu gebaute Linie 18: Mo-Fr 22', Sa und So 30' (!!). Meist fährt die Tram unmittelbar vor oder nach dem parallelen Bus, hat aber trotzdem ein paar Fahrgäste. Bemerkenswert: wir fuhren einem Bus nach, der die Gleisparker umfahren konnte, während wir immer 1-2' warten mussten. Trotzdem haben wir den Bus x-mal immer wieder eingeholt. Wenn sie fahren können, gehen die Remodelados ab wie die Hölle, auch auf den Steilstrecken! 2x100 kW bei so einem kleinen Wagerl, da geht schon was weiter! 
- Linie 25: Mo-Fr 14', Sa und So eingestellt (!!)
- die Touristenlinie 28: kürzestes Intervall 8', trotzdem heillos überfüllte Züge und praktisch meist 15-20' keine Tram, dafür dann Geleitzüge.
SEV ... Schienenersatzverkehr.
Die Bilder folgen natürlich später.