@hema:

Die Ausweitung der Pickerlzonen möge vielleicht gut gemeint sein, ob sie ihren Zweck erfüllt und vor allem der Bevölkerung dient, bleibt fraglich. Das einzige, was man mit Sicherheit sagen kann, sie spült Geld in die Stadtkasse.
So unterschiedlich wie die Menschen sind, gibt es auch verschiedene Bedürfnisse. Eines davon hat hema aufgezeigt. Viel wichtiger wäre es, die Bedürfnisse der Bevölkerung, so gut es eben geht, zu befriedigen, anstatt ständig zusätzliche Behinderungen zu erzeugen. Dann wird sich manches von selbst regeln. Damit meine ich, daß man den Fokus eher auf ein sinnvolles öffentliches Verkehrsangebot legen solle, das den Bedürfnissen der Bevölkerung entgegenkommt. Wenn eine attraktive öffentliche Verbindung, die meine Bedürfnisse befriedigt, besteht, werde ich kaum mit dem eigenen PKW durch Staus fahren, um letztlich weit entfernt vom Ziel nach vielen Umrundungen einen Parkplatz zu finden. Die Gefahr, daß durch Verbote und Einschränkungen der Schuß nach hinten losgeht, ist nämlich auch gegeben. Daß z.B. die Kaufkraft und Geschäftstätigkeit dann noch mehr aus der Stadt in die NÖ EKZen am Stadtrand verlagert wird. Daß gewisse Zonen dann zu Geisterzonen werden. Verkehrsströme lenken kann man nämlich auch in positiver Weise, durch der Nachfrage angepaßte Angebote statt durch Verbote.
Interessant ist z.B. ein Vergleich der Einkaufsstraße Währingerstraße zwischen Gürtel und Aumannplatz mit der "beruhigten" Fußgängerzone Favoritenstraße. In der Währinger Straße eine gute Mischung traditioneller Geschäfte mit einem reichhaltigen Angebot. Die Straßenbahn vor der Tür. Die Verkehrsströme sind bestens verknüpft. In der Favoritenstraße sehr viele Ramschläden, heruntergekommen. In der Kärntner Straße lauter Gaukler, Straßenmusikanten, internationale Geschäftsketten, Slalomlauf durch Schanigärten. Die Erschließung der Favoritenstraße mit öffentlichen Verkehrsmitteln ist mangelhaft. Die Umsteigewege bei der U-Bahn sind oft sehr weit. In der Währingerstraße fährt die Straßenbahn vor der Nase vorbei.
Reden wir doch lieber darüber, wo der öffentliche Verkehr dringend Verbesserungen benötigte, um für noch mehr Fahrgäste attraktiver zu werden. Es sind nämlich nicht nur jene, die zu ausgefallenen Uhrzeiten irgendwo hin müssen:
- Da gibt es manche, die einfach mehr Gepäck haben. Wo kann man heute in überfüllten Straßenbahnzügen noch Gepäck deponieren? Früher gab es überall die Gepäckablagen. Wenn man etwas zu transportieren hat, ist es oft in öffentlichen Verkehrsmitteln nicht sehr angenehm.
- Gerade an der Peripherie und im Umland sind die öffentlichen Verkehrsmittel oft unzureichend. Die Verknüpfungen der Verkehrswege sind mangelhaft ausgebaut. Insbesondere ins Umland (NÖ). Die U-Bahnen "verhungern" of an Stellen, die z.B. mit dem PKW nur unzureichend verknüpft sind (z.B. U6 am nördlichen Ende). Oft ist man beim heutigen Verkehrsangebot im Umland aber auf das eigene Auto angewiesen, denn öffentliche Verkehrsmittel fahren dort oft nur selten und haben sehr zeitig Betriebsschluß. Dauert eine Fahrt mit dem eigenen Auto z.B. gerade einmal 10 Minuten, braucht man öffentlich für denselben Weg oft 45 Minuten und mehr (3x Umsteigen, jedes Mal lange Umsteigewege und lange auf den Anschluß warten, beim letzten Stück an der Peripherie vielleicht 15 bis sogar 30 Minuten, Umwegfahrten des öffentlichen Verkehrsmittels). Das kann einem auch bereits in Wien passieren. Dann ist man mit Parkplatzsuche und Stau mit dem eigenen Auto immer noch schneller in der Stadt.
- Auch innerhalb Wiens ist das "Netz" oft nur suboptimal. Es fehlt an wirklichen Schnellverbindungen. Den 8er hat man seinerzeit eingestellt und die U6 mit Stationen vollgepflastert. Etwas Vergleichbares wie die RER in Paris gibt es nicht. Durchgangslinien hat man seinerzeit weitgehend abgeschafft. Neue kommen nur sehr zögerlich. Den 71er konnte man nicht verlängern, denn dann hätte er nicht mehr 71er geheißen, und zum Zentralfriedhof muß ja der 71er fahren. Das ist Teil der Wiener Kultur. Der 13er bleibt auch ein unbequemer Autobus. Der 31er verhungert am Schottenring. Die Währinger und Hernalser Linien am Jonasreindl. Innerhalb des Rings darf keine Straßenbahn fahren. Häufiges Umsteigen ist immer noch notwendig. Das trägt nicht gerade zum Fahrkomfort bei. Dabei böten Durchgangslinien mit entsprechendem Fahrkomfort auch die Möglichkeit, die Fahrzeit sinnvoll zu nutzen.
Wenn man will, daß die Leute öffentlich fahren, dann muß man das Angebot auch entsprechend ausbauen, und zwar in vielerlei Hinsicht:
- Fahrzeiten
- Betriebszeiten
- Betriebsintervalle
- Abstimmung der Anschlußverbindungen
- Fahrkomfort (z.B. sinnvolle Nutzung der Reisezeit ermöglichen, Gepäckbeförderung)
- Sinnvolles "Netz" innerhalb Wiens mit möglichst wenig Umsteigen und kurzen Umsteigewegen
- Sinnvolle Verknüpfungen an der Peripherie und mit dem Umland
Und trotzdem werden aus wirtschaftlichen Gründen Restfälle übrig bleiben (z.B. Nachtdienste, viel Gepäck, ausgefallenes Ziel etwa im Umland), die man sinnvoller mit dem PKW zurücklegt. Und dabei gälte es, den Übergang auf den öffentlichen Verkehr möglichst effizient zu gestalten. Was spräche z.B. gegen eine U6-Verlängerung nach Norden und Süden bis in die Peripherie, um dort auch sinnvolle Verknüpfungen mit dem Individualverkehr zu schaffen? Was spräche gegen eine sinnvolle Verknüpfung der U6 in der Station Neue Donau mit der Donauuferautobahn? Was spräche überhaupt gegen Zufahrtsmöglichkeiten zu und Parkplätzen bei wichtigen U-Bahnstationen (der Parkplatz bei der NW-Bahnstation Brünner Straße, wo nur alle 30 Minuten ein Zug fährt, war eine Schnapsidee)? Was spräche gegen eine Intervallverdichtung der Nordwestbahn z.B. bis Korneuburg, vielleicht sogar Weiterführung bis Ernstbrunn als Schnellbahn? Was spräche gegen eine Parallelführung einer Straßenbahn zu einer U-Bahn mit einem dichten Stationsnetz vielleicht sogar in einer Einkaufsstraße (siehe Oxford Street in London im Vergleich zum O-Wagen in der Favoritenstraße)? Was spräche gegen die Installation von Gepäcksnetzen und Ablageflächen, wie es sie seinerzeit in allen Fahrzeugen gegeben hat? Was spräche dagegen, Fahrgäste die die Züge verschmutzen (z.B. schmutzige Schuhe auf Sitzflächen), sich nicht an die Regeln halten etc. von der Beförderung auszuschließen? So könnte man sicher bereits mit geringen Mitteln einen bedeutenden Anteil des heutigen Individualverkehrs reduzieren und auf den öffentlichen Verkehr verlagern.