Das Wiener Bim-Rennen um 450 Millionen Euro
MICHAEL SIMONER AUS GENF, 30. Mai 2013, 18:11

montage: bombardier
Für diese Bildmontage hat die Firma Bombardier ihr Bim-Modell Flexity dem Design des Platzhirschs Ulf von Siemens angepasst.
Siemens hat eine Option auf die Lieferung neuer Straßenbahnzüge – diese wird nun aber von Bombardier bekämpft. 2015 sollen die neuen Niedrig-Bims losfahren, derzeit wird über die Ausschreibung gestrittenWer in den vergangenen Tagen in Genf an einer bestimmten Station beim Messezentrum auf den Bus Richtung Zentrum wartete, tat dies vergeblich. Denn das schicke Wartehäuschen war nur ein Dummy, eines von vielen Ausstellungsstücken des 60. Weltkongresses für Mobilität und Städteverkehr (UITP). Österreichische Medien, darunter DER STANDARD, waren auf Einladung der Firma Bombardier zwei Tage in der Schweiz. Und weil erst vor kurzem durchgesickert ist, dass Bombardier dem Konkurrenten Siemens in Wien einen Großauftrag über 150 Niederflurstraßenbahnen (Ulfs) für die Wiener Linien abluchsen will, war das in rotweißroten Kreisen das beherrschende Thema.
Neue Wiener Bims sind seit 15 Jahren made by Siemens, weil damals nur deren Ingenieure eine minimale Einstiegshöhe von 19 Zentimetern garantieren konnten. Auf der Linie der U6 fahren hingegen Bombardier-Züge. Mittlerweile schafft auch das Unternehmen mit kanadischer Mutterzentrale 20 Zentimeter Einstiegshöhe. Beide Firmen haben große Niederlassungen in Wien, im Siemens-Werk arbeiten mehr als 2000 Menschen, bei Bombardier 700. Vor zehn Jahren hatte Siemens den bisher letzten Auftrag über 150 Ulfs erhalten – mit der Option auf weitere 150 Züge. Und genau um diese Option im Wert von mindestens 450 Millionen Euro geht es: Bombardier will, dass der Auftrag neu ausgeschrieben wird, und hat dafür auch schon ein Konzept.
Ulf soll ausgebremst werden
Mit der Niederflurbim Flexity, die schon in vielen Städten Europas unterwegs ist, will German Wacker, Geschäftsführer von Bombardier Österreich, den Ulf von Siemens ausbremsen. Wirtschaftlich wirft er dafür niedrige Wartungskosten ins Rennen, die in 30 Jahren eine Kostenersparnis von mehr als 300 Millionen Euro brächten. Ein ähnliches Konzept sei bereits mit Linz, wo Bombardier die Tramway bestückt, vereinbart. Wacker verweist außerdem auf den Kontrollamtsbericht vom Vorjahr, in dem unter anderem die hohen Wartungskosten für die Ulfs kritisiert wurden.
Rechtlich pocht Wacker darauf, dass die Option auf mittlerweile veraltete Siemens-Straßenbahnen laufe: "Heute gelten zum Beispiel andere Brandschutz- und Crashnormen." Aus seiner Sicht wird damit die Option für weitere Siemens-Züge obsolet. Siemens-Konzernsprecher Harald Stockbauer sieht das naturgemäß anders. "Adaptierungen an neue Vorschriften sind bei jedem längerfristigen Auftrag inkludiert", sagt er dem Standard. Dass Ulfs, die gemeinsam mit den Wiener Linien entwickelt wurden, wettbewerbsfähig seien, werde täglich bewiesen.
Entscheidung bei Wiener Linien
Die Entscheidung über eine etwaige Neuausschreibung von 150 weiteren Straßenbahnen, deren erste Tranche ab 2015 benötigt wird, liegt bei den Wiener Linien. Vor Jahresende ist damit nicht zu rechnen. Politisch könnte es interessant werden, die Grünen haben über Finanzsprecher Martin Margulies bereits eine Ausschreibung eingemahnt. Von roter Seite heißt es hingegen, man wolle den Wiener Linien keine Vorschriften machen. Die Stadt hat erst jüngst 50 Millionen Euro in die Standortsicherung von Siemens investiert. Ob die Streichung einer Siemens-Option mit einer Pönale verbunden wäre, will derzeit keiner der Vertragspartner beantworten.
Michael Simoner aus Genf, DER STANDARD, 31.5.2013