Ich habe gestern ein nettes Treffen mit den paar Straßenbahnfreaks in Tiflis gehabt. Das schlechte Image des ULF hat sich auch ohne mein Zutun bis in den Südkaukasus rumgesprochen
Ansonsten habe ich noch eine nette Geschichte über den Straßenbahnbetrieb in Tiflis gehört, die ich euch nicht vorenthalten möchte:
Es war üblich, dass jeder Fahrer seine eigene Straßenbahn hatte. D.h. dieser Wagen war seiner, er fuhr niemals mit einem anderen Wagen und die Wagen wurden auch niemals an andere Fahrer weitergegeben. Deswegen waren die Wagen auch vollgeräumt mit diversen persönlichen Gegenständen, wie Ikonen oder sonstigem Graffl, weil der Fahrerplatz fast genauso privat war wie die eigene Wohnung.
Die Straßenbahnen wurden nach dem Ende der Sowjetunion auch von den Fahrern selbst mit bescheidenen Mitteln und oft auch auf eigene Kosten repariert - dafür haben sie dann auch gerne einen Teil des Fahrkartenerlöses selbst behalten. Bezahlt wurde damals beim Einsteigen direkt beim Fahrer, Fahrschein gab es dafür keinen.
Wenn ich mir die Fotos der E1 aus Braila anschaue oder auch die Busse in Tiflis, die ebenfalls mit persönlichen Gegenständen verziert sind, schließe ich daraus, dass "eigene Straßenbahnen" in Osteuropa Usus waren und tlw. immer noch sind. Eigentlich ein Wahnsinn, welche Mengen an Rollmaterial da vorgehalten werden müssen. Bei Wochenenden, Krankenständen, Feiertagen und Urlauben fällt nicht nur der Fahrer, sondern die gesamte Garnitur aus. Auch Pausenzeiten müssen eingeplant werden (min. 1 Zug mehr pro Linie unterwegs) und von Schichtwechsel will ich gar nicht einmal sprechen - kompletter Tausch des Auslaufs.
Noch ein Wort zum Schicksal der Tifliser Straßenbahngarnituren:
Die wurden alle verschrottet
Man hätte sie sicher an andere Betriebe in der ehem. Sowjetunion verkaufen können, aber die wurden nicht einmal gefragt.
Die Züge standen nach der Einstellung noch zwei Jahre am Vorkopf des Depots Avchala herum, dann wurde mit der Zerstörung begonnen. Wie das vor sich ging, kann man an meinen Fotos sehen, wo z.B. die Scherben von den Fenstern genau dort liegen, wo sie im Wagen eingebaut waren. Sie wurden also einfach herausgedrückt und sind am Boden zerschellt.
Als die Straßenbahnen verschrottet wurden, haben übrigens einige Dutzend Fahrer samt Familien und Freunden protestiert und die Schrottfirma erfolgreich vom Arbeiten abgehalten, zumindest bis die Polizei sich eingeschalten hat. So eine Emotion kann man auch nur damit erklären, dass es sich eben um "ihre" Straßenbahnen handelte.
Übrigens haben die Straßenbahnfreunde in Tiflis (
www.tramvai.org - nur auf georgisch) eine Straßenbahn vorm Verschrotten gerettet und wollen sie jetzt restaurieren. Sie haben leider null Erfahrung und null Geld. Falls jemand von euch Museen oder Vereine kennt, die an einer Kooperation Interesse haben könnten, bitte ich um PN, ich leite die Adressen dann weiter. Danke