Autor Thema: Schließung des Auge Gottes-Kinos im Juni 2011  (Gelesen 42632 mal)

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158er

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Schließung des Auge Gottes-Kinos im Juni 2011
« am: 09. März 2011, 23:04:49 »
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Und wieder ist Wien um ein Lichtspielhaus ärmer, diesmal zwar nicht aus filmischer Sicht, Programmkino wars ja keines, aber trotzdem. Immerhin bestand das Fünf-Säle-Kino Auge Gottes (den Namen "Auge Gottes" kann ich mir auch nur als Gebäudenamen erklären - vielleicht gehörte das Haus einmal einer kirchlichen Institution, jedenfalls sind an ca. der gleichen Stelle auch die noch existente 'Auge Gottes Apotheke' sowie ferner ein 'Hotel Auge Gottes' und ein 'Etablissement Auge Gottes' belegt) mit gesamt 775 Sitzplätzen ab dem Jahr 1955 und ein Filmerlebnis im A-Saal mit seinen bequemen Sesseln war schon etwas Feines. Das heißt, noch ists ja nicht soweit - wie die Betreiberin des Kinos in der Nußdorfer Straße 73, die Constantin Film (zu der auch die Cineplexx-Gruppe gehört) mitteilte, wird das Kino erst im Juni geschlossen. Grund dafür wären die übermächtige Konkurrenz durch die beiden Kinozentren in der Lugner City und der Millennium City sowie die einseitige, rein aufs Gartenbaukino bezogene Wiener Kinoförderung.

Dieser flachen Argumentation kann ich nicht allzu viel abgewinnen. Denn einerseits sind sowohl die Lugner City als auch die Millennium City kilometerweit weg (gut, sie haben den Einkaufszentrumbonus, aber gerade in der Gegend des Auge gibts wohl auch genügend Leute, die den nicht unbedingt nötig haben) und andererseits kann sich ein Kino, das ein reines Mainstreamprogramm anbietet, eben nicht darauf versteifen, unbedingt höchste Förderungen erhalten zu müssen. Das Gartenbaukino, das Stadtkino oder das Metro Kino werden mit Förderungen sicher nicht zu knapp bedacht, versuchen aber, auch außerhalb der Viennale und anderer Festivals einen ausgewogenen Programmkinobetrieb auf die Beine zu stellen, was, denke ich, nicht nur ich sehr schätze. Es wäre aber gerade für die zahlungskräftige Constantin Film mit starkem Marktanteil ein Leichtes gewesen, wenigstens einen teilweisen Programmbetrieb einzurichten - ob das jetzt Arthouse, Retrospektiven oder sonst was sind, ist ja völlig gleichgültig. Aber zu versuchen, ein reines Mainstreamkino mit tw. 10m²-Leinwänden anzubieten und sich dann über fehlende Besucherscharen aufzuregen, geht ein wenig an der Realität vorbei und ist eigentlich ein Armutszeugnis für die Constantin Film, die mit relativ geringem Aufwand ein Stück Wiener Kinogeschichte retten könnte - das haben jetzt in erster Linie Privatpersonen in Eigenregie zu besorgen(Bellaria, Admiral, Breitenseer Lichtspiele).

Schade ists allemal um die Lage (jetzt ist ja in der Gegend weit und breit kein Kino mehr da, das kein Komplex ist) und die Einrichtung - Hofer oder irgendwelche Fetzenketten stehen wohl schon in den Startlöchern. Aber wo kein Wille ist, muß eben etwas weichen, so schade es auch für jene ist, die mit dem Kino vielleicht stärkere Emotionen verbinden als ich.

matto

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Re: Gedanken zur Schließung des Auge Gottes-Kinos im Juni 2011
« Antwort #1 am: 09. März 2011, 23:10:59 »
Stimmt, man hätte das Angebot anpassen müssen.
Früher (90er Jahre noch) gehörte auch noch das Kolibri-Kino ein paar Häuser weiter gegenüber dazu, dort spielte man (glaube ich mich zu erinnern) anspruchsvollere Filme. Vielleicht täusche ich mich aber auch. Jedenfalls habe ich mich schon in den 90er Jahren geärgert, wenn ich aus Döbling auf den Spittelberg oder sonstwohin fahren musste, nur um einen Almodóvar zu sehen, weil es das einfach in der Nähe nicht gab. Döbling seit Anfang 80er: 0 Kinos, früher alleine in der Heiligenstädter Straße zwei, eines in der Döblinger Hauptstraße, zwei (!) in der Sieveringer Straße.

158er

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Re: Gedanken zur Schließung des Auge Gottes-Kinos im Juni 2011
« Antwort #2 am: 09. März 2011, 23:21:48 »
Früher (90er Jahre noch) gehörte auch noch das Kolibri-Kino ein paar Häuser weiter gegenüber dazu, dort spielte man (glaube ich mich zu erinnern) anspruchsvollere Filme.
Laut dieser soeben entdeckten hochinteressanten Seite über Wiener Kinokultur wurde das Kolibri-Kino in der Nußdorfer Straße 84 bereits am 12.12.1989 geschlossen. Zum Auge Gottes Kino steht dort noch das witzige Detail, daß es in den fünfziger Jahren aufgrund der angebotenen Kinderbetreuungsstelle (inklusive Notieren der Sitznummern der Eltern für Notfälle) äußerst beliebt war.  :)
So, jetzt muß ich mich einmal weiter in diese Seite vertiefen...  - völlig arg, das Park-Kino (heutiger Libro im Ekazent Hietzing) hatte einen Fassungsraum von 760, das Schloß-Kino (ehemals Komet in Meidling) sogar einen Fassungsraum von 1.060 Personen! Und das zu Zeiten, wo noch an fast jeder Ecke ein Kino war!  :o

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Re: Gedanken zur Schließung des Auge Gottes-Kinos im Juni 2011
« Antwort #3 am: 09. März 2011, 23:38:48 »
Die kleinen Kino´s sterben aus, dafür gibt es einige große Kino Tempeln in Österreich, das ganz hat mit 1996 angefangen und das von Constantin Film mit dem ersten Cineplexx in Österreich in Graz und im Lauf der Zeit sperrt man die Programmkino´s zu, weil einfach zu teuer und umwirtschaftlich.

Bei den alten Kino´s gibt es zudem ein Problem, wenn diese keine 3D Filme abspielen können, bleiben früher oder länger die Gäste aus.

Es gibt doch noch einen Konkurrenz für das Kino das Internet.

Die Kinokarten werden doch immer teuer, 7 - 13 € kostet einen Kinokarte und dazu kommt meistens extra noch ein Cola und Popcorn.

Linie 41

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Re: Gedanken zur Schließung des Auge Gottes-Kinos im Juni 2011
« Antwort #4 am: 10. März 2011, 02:37:33 »
Jaja, zuerst hat die Constantin-Film das Kolosseum ruiniert, indem sie ihre Filme nur mehr an die eigenen Kinos verliehen haben und jetzt trifft es sie eben selber... Letztens habe ich im Apollo 13 Euro für eine Kinokarte gezahlt (IMAX-Zuschlag+Überlänge, völlig krank). In Zukunft werde ich im Mainstreambereich ausschließlich Bittorrent bemühen.

Abgesehen davon: 3D ist für'n Orsch.
Ich verstehe das Konzept dahinter nicht und bin generell dagegen.

schaffnerlos

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Re: Gedanken zur Schließung des Auge Gottes-Kinos im Juni 2011
« Antwort #5 am: 10. März 2011, 09:53:34 »
Mich hat es gewundert, dass sich das Auge Gottes üebrhaupt so lange halten konnte. Möglicherweise war es die Gastronomie in der Umgebung (die in meinen Augen auch das Apollo am Leben erhält). Heute haben nur die modern ausgestatteten Entertainment-Cineplexe samt Fressmeile (Millennium, Lugner, dx) und die Programmkinos mit mehr oder weniger großen Sälen (Gartenbau, Votiv, Urania, Filmcasino) eine Chance. In den 80er-Jahren hatte man viele Kinos in kleine Kinocenter mit entsprechend kleinen Sälen und Sitzabständen umgebaut (z.B. Kollosseum, Flotten). Und manche Säle waren wirklich sehr klein. In der Zeit mit riesigen und brillianten Flachbildschirmen haben diese null Attraktivität mehr. Das Artis überlebt aufgrund seiner OV-Programmierung - warum es das Cine noch gibt, ist mir ein Rätsel (ev. die gute innerstädtische Lage).

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Re: Gedanken zur Schließung des Auge Gottes-Kinos im Juni 2011
« Antwort #6 am: 10. März 2011, 10:55:14 »
warum es das Cine noch gibt, ist mir ein Rätsel (ev. die gute innerstädtische Lage).
Vielleicht zahlen sie keine oder eine sehr günstige Miete, zudem dürfte es sich um einen Familienbetrieb handeln. An der Auslastung kann es jedenfalls nicht liegen, die war (zumindest, wenn ich dort war) stets recht dürftig.

Der bereits genannte EKZ-Vorteil der großen Multiplexkinos beschränkt sich meiner Ansicht nach auf die Parkmöglichkeiten. Geschäfte haben ja am Abend ohnehin keine mehr offen.

Und ja, Kinokarten sind zu teuer im Verhältnis zur gebotenen Leistung (Abspielen eines Digitalstreams von einer Wechselfestplatte). Ein echter Film gehört auf Zelluloid. :)
Es ist nichts so fein gesponnen, es kommt doch ans Licht der Sonnen!
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Re: Gedanken zur Schließung des Auge Gottes-Kinos im Juni 2011
« Antwort #7 am: 10. März 2011, 11:10:40 »
Der bereits genannte EKZ-Vorteil der großen Multiplexkinos beschränkt sich meiner Ansicht nach auf die Parkmöglichkeiten. Geschäfte haben ja am Abend ohnehin keine mehr offen.
Die Gastronomie ist das Wichtige! Millennium, Lugner, dx - dort gibt es Fresstempel. Das war auch der Grund, warum das UCI in der Lassallestraße nur ein sehr kurzes Leben gehabt hat und das Cineplexx Reichbrücke bis heute keine vernünftige Auslastung zustande bringt.


Zitat
Und ja, Kinokarten sind zu teuer im Verhältnis zur gebotenen Leistung (Abspielen eines Digitalstreams von einer Wechselfestplatte). Ein echter Film gehört auf Zelluloid. :)
Das wäre die gleiche Diskussion wie Schellack oder MP3. Manche mögen die Knackser, viele stören sie. Was sie gebotene Leistung betrifft, gehören aber das Ambiente (Sitze, Klimatisierung), die technischen Einrichtungen (Sound!, 3D, digital) und die Dimensionen schon auch dazu. Die 5€, die lange Zeit möglich waren, habe ich immer als sehr günstig empfunden. Bei 12€ und mehr (Zuschlag digital, Zuschalg 3D, Zuschlag 3D-Brille, Zuschlag Überlänge) hört sich der Spaß aber langsam auf.

coolharry

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Re: Gedanken zur Schließung des Auge Gottes-Kinos im Juni 2011
« Antwort #8 am: 10. März 2011, 11:12:18 »
Der bereits genannte EKZ-Vorteil der großen Multiplexkinos beschränkt sich meiner Ansicht nach auf die Parkmöglichkeiten. Geschäfte haben ja am Abend ohnehin keine mehr offen.

Und ja, Kinokarten sind zu teuer im Verhältnis zur gebotenen Leistung (Abspielen eines Digitalstreams von einer Wechselfestplatte). Ein echter Film gehört auf Zelluloid. :)

Multiplexe haben noch mehr Vorteile als nur Park möglichkeiten. Die meisten sind gut mit der U-Bahn zu erreichen. Viel abwechlungsreiche Gastronomie. Wetter unabhängig. Sprich ich muss nach dem Film nicht unbedingt in die Kälte um zum Futter zu kommen.

Und zum abspielen des Films. Ín den meisten Kinos werden sogar noch echte Filme verwendet und keine Datenmedien.
Kann sich aber in den letzten 5 Jahren auch geändert haben. (Hab damals im Millennium Citi UCI gejobbt)

Grüße

Harald
Weil ein menschlicher Hühnerstall nicht der Weisheit letzter Schluß sein kann.

schaffnerlos

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Re: Gedanken zur Schließung des Auge Gottes-Kinos im Juni 2011
« Antwort #9 am: 10. März 2011, 11:55:44 »
Und zum abspielen des Films. Ín den meisten Kinos werden sogar noch echte Filme verwendet und keine Datenmedien.
Kann sich aber in den letzten 5 Jahren auch geändert haben. (Hab damals im Millennium Citi UCI gejobbt)

[...] Umstellung auf digitale Projektion [...] dass bereits 58 Prozent der österreichischen Kinos den Besuchern in 299 Sälen digitale Projektion anbieten, wovon 213 Säle mit 3D (71 Prozent) ausgestattet sind. Diese Umstellung erfolgte vor allem in den Mehrsaalkinos, wo 79 Kinos ihre 470 Sälen bereits großteils digitalisiert haben, während bei den 81 Ein- und Zweisaalkinos lediglich 12 Prozent in digitale Projektion investiert haben. (Quelle: WKO, 04.01.2011).

Z-TW

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Re: Gedanken zur Schließung des Auge Gottes-Kinos im Juni 2011
« Antwort #10 am: 10. März 2011, 12:18:24 »
Wien 20, 60er Jahre: Sieben Kinos gab es - die meisten waren kleine Kinos mit engen Sitzreihen (Klappsessel), saß ein Größerer vor einem, hatte man Probleme, den Film ohne Verrenkungen zu sehen. Wer es sich leisten konnte, nahm die "fußfreihe" Reihe, hinten saßen die Schmuser. Manche dieser Kinos boten sogar Nachtvorstellungen (etwa das Vindobona), bis in die frühen 60er gab es am Mittwochnachmittag Kindervorstellungen (Wallensteinkino), wenn bestimmte Filme erstmals im Bezirk gezeigt wurden, sprach man von "Bezirkspremiere" - die Filme liefen vorher in den Premierekinos der Innenstadt.  Das Non-Plus-Ultra damaliger Kinos waren solche mit Breitwänden. Manche Filme liefen oft über ein Jahr in einem Kino. Beispiele: "Ben Hur" im Taborkino (nun ein Billa), "Der längste Tag" im Panorama am Praterstern, "My Fair Lady" im Forum-Kino.
Das Marchfeld-Kino (nun eine Putzerei) soll sogar Premierenkino der Sascha-Filmproduktion gewesen sein. Diese Firma hatte ein Studio in der Vorgartenstraße beim F. Engels-Platz.
Und auf den Jugendschutz wurde auch geachtet - nicht einmal mit dem Vater durfte ich knapp vor dem 16. Geburtstag in einen John-Wayne Film im Wallensteinkino.

pronay

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Re: Gedanken zur Schließung des Auge Gottes-Kinos im Juni 2011
« Antwort #11 am: 10. März 2011, 13:55:39 »
Manche Filme liefen oft über ein Jahr in einem Kino. Beispiele: "Ben Hur" im Taborkino (nun ein Billa), "Der längste Tag" im Panorama am Praterstern, "My Fair Lady" im Forum-Kino.

Den Rekord dürfte wohl "Love Story" im Forum-Kino gehalten haben  . . .

haidi

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Re: Gedanken zur Schließung des Auge Gottes-Kinos im Juni 2011
« Antwort #12 am: 10. März 2011, 14:23:59 »
Den Rekord dürfte wohl "Love Story" im Forum-Kino gehalten haben  . . .

Oder Dr. Schiwago?

Hannes
Microsoft is not the answer. It's the question and the answer is NO.

moszkva tér

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Re: Gedanken zur Schließung des Auge Gottes-Kinos im Juni 2011
« Antwort #13 am: 10. März 2011, 14:27:54 »
"Ein Fisch namens Wanda" war im Apollo ebenfalls mehr als ein Jahr zu sehen.

schaffnerlos

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Re: Gedanken zur Schließung des Auge Gottes-Kinos im Juni 2011
« Antwort #14 am: 10. März 2011, 14:44:47 »
"Der dritte Mann" ist ja immer noch im Burg-Kino zu sehen, den kann keiner mehr toppen.