Autor Thema: Stadt Wien betoniert für den MIV  (Gelesen 12241 mal)

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Bus

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Re: Stadt Wien betoniert für den MIV
« Antwort #60 am: 07. November 2024, 09:03:49 »
Man sollte "Notwendigkeiten" einfach nicht klassifzieren, man sieht ja was bei der Politik dabei herauskommt. Sämtliche Nebenbahnen in NÖ sind verschwunden, Straßenbahnen entlang der UBahnstrecken detto. Nun kanalisiert die Stadt Wien teilweise den IV so arg, dass selbst der ÖV im Stau steht, der vorher nicht da war. Es ist dumm zu glauben, dass man damit Leute zum Umsteigen erziehen kann, die beste Werbung für den ÖV sind einfach gute Verbindungen. Stelle ich den Betrieb für fast ein Jahr ein - wie auf der Wieder Hauptstraße - dann kann es einfach nicht funktionieren. Allein die Verkehrssteigerung an Autos, wie der 43er monatelang nicht gefahren ist, spricht Bände.

mad

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Re: Stadt Wien betoniert für den MIV
« Antwort #61 am: 07. November 2024, 09:45:01 »
Der Satz gefällt mir sehr gut: "Die beste Werbung für den ÖV sind einfach gute Verbindungen."
Den würde ich mich trauen, auf alle Verkehrsträger zu generalisieren: Die beste Werbung für ein Verkehrsmittel ist die gute Verwendbarkeit.
Ein schönes Ziel wäre eine Stadt, sogar ein Land, in dem eine gute Mischung aus Verkehrsträgern in hoher Qualität verfügbar ist. Manches wird sich technisch nicht sinnvoll machen lassen: Unteroberkleindorf wird weder einen Railjet-Halt noch eine eigene Autobahnabfahrt bekommen. Aber mit einer guten Busanbindung und einem Siedlungskonzept, das die Zersiedlung eingrenzt, kann es ein attraktiver Ort zum Leben bleiben.
Ein Wien, in dem die Menschen respektvoll miteinander umgehen (und bei sich selbst hat man den größten Hebel - ich versuche auch bewusst, mich in jede Perspektive hier hineinzudenken und "hinzuspüren" was die verschiedenen Sichtweisen bewegt), in dem wir die verfügbare Fläche im gemeinsamen Interesse gut teilen, so dass alle Verkehrsträger gut funktionieren, das ist für mich eine schöne Perspektive.
Dazu kommen natürlich noch persönliche Vorlieben: Ich fahre gern Rad und verbinde Aktivität mit Mobilität. Anderen gibt die Autofahrt etwas "Privatsphäre" und "ich-Zeit". Wir alle in diesem Forum haben wohl auch eine gewisse Affinität zum öffentlichen Verkehr, sonst wären wir nicht hier. Wien hat - bei allem Potenzial, das immer noch da ist - ein grundsätzlich gutes Angebot, verglichen mit anderen Städten ähnlicher Größe. Ich fahre gerne mit den "Öffis", weil sie mich verhältnismäßig unkompliziert von A nach B bringen, im Vergleich zu anderen Städten, die ich gesehen habe, preiswert, sauber und sicher sind (ja ich weiß, da geht noch was), und gute Intervalle haben.
Wenn die Betrachtung von einem "Gegeneinander" zu einem "Miteinander" geht, wird es für alle leichter.

haidi

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Re: Stadt Wien betoniert für den MIV
« Antwort #62 am: 07. November 2024, 11:23:52 »
Warum sind denn Einkaufsstädte wie SCS oder SCN entstanden? Weil man bequem alles unter einem Dach haben wollte.
Falsch!
SCS etc. sind entstanden, weil ein Investor eine gute Rendite erzielen wollte und nicht, weil die Kunden das verlangt haben.
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Ferry

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Re: Stadt Wien betoniert für den MIV
« Antwort #63 am: 08. November 2024, 17:07:25 »
Warum sind denn Einkaufsstädte wie SCS oder SCN entstanden? Weil man bequem alles unter einem Dach haben wollte.
Falsch!
SCS etc. sind entstanden, weil ein Investor eine gute Rendite erzielen wollte und nicht, weil die Kunden das verlangt haben.

Schmarrn. Einkaufszentren entstehen, weil der Bedarf dafür da ist. Natürlich wollten Investoren eine gute Rendite erzielen, aber wie haben sie das erreicht? Eben durch die Errichtung solcher Zentren, die auch entsprechend frequentiert werden. Niemand stellt wo ein Einkaufszentrum hin, wenn er nicht weiß, dass es nach der Fertigstellung entsprechend frequentiert wird. Und das ist/war ja nicht nur in Wien so, sondern überall in größeren Städten.
Weißt du, wie man ein A....loch neugierig macht? Nein? - Na gut, ich sag's dir morgen. (aus "Kottan ermittelt - rien ne va plus")

38ger

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Re: Stadt Wien betoniert für den MIV
« Antwort #64 am: 08. November 2024, 17:20:51 »
Warum sind denn Einkaufsstädte wie SCS oder SCN entstanden? Weil man bequem alles unter einem Dach haben wollte.
Falsch!
SCS etc. sind entstanden, weil ein Investor eine gute Rendite erzielen wollte und nicht, weil die Kunden das verlangt haben.

Schmarrn. Einkaufszentren entstehen, weil der Bedarf dafür da ist. Natürlich wollten Investoren eine gute Rendite erzielen, aber wie haben sie das erreicht? Eben durch die Errichtung solcher Zentren, die auch entsprechend frequentiert werden. Niemand stellt wo ein Einkaufszentrum hin, wenn er nicht weiß, dass es nach der Fertigstellung entsprechend frequentiert wird. Und das ist/war ja nicht nur in Wien so, sondern überall in größeren Städten.

Supermärkte, Geschäfte, Cafes, Restaurants, Kinos usw. auf der grünen Wiese sind natürlich billiger zu errichten als in bestehenden Häusern. Aufgrund niedrigerer Mietpreise muss man weniger Umsatz machen um gleich viel Gewinn zu erzielen. Das ist der Wettbewerbsvorteil von EKZ, welcher die schlechtere Lage kompensiert. Umso mehr natürlich je mehr Menschen Auto fahren. Mit der WLB wird wohl kaum jemand zum Supermarkt, auf Kaffee und Kuchen oder auf ein Bier fahren.
Ich glaube nicht, dass sich Einkaufszentren rechnen würden, wenn die Geschäfte Mieten zahlen müssten wie sie innerhalb des Gürtels bei neuen Geschäftslokalen üblich sind!

haidi

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Re: Stadt Wien betoniert für den MIV
« Antwort #65 am: 08. November 2024, 18:02:51 »
Warum sind denn Einkaufsstädte wie SCS oder SCN entstanden? Weil man bequem alles unter einem Dach haben wollte.
Falsch!
SCS etc. sind entstanden, weil ein Investor eine gute Rendite erzielen wollte und nicht, weil die Kunden das verlangt haben.

Schmarrn. Einkaufszentren entstehen, weil der Bedarf dafür da ist. Natürlich wollten Investoren eine gute Rendite erzielen, aber wie haben sie das erreicht? Eben durch die Errichtung solcher Zentren, die auch entsprechend frequentiert werden. Niemand stellt wo ein Einkaufszentrum hin, wenn er nicht weiß, dass es nach der Fertigstellung entsprechend frequentiert wird. Und das ist/war ja nicht nur in Wien so, sondern überall in größeren Städten.
Stimmt - für die SCS gab es Unterschriftensammlungen, Demonstrationen und weitere Aktionen.

Mobiltelefone kamen auch auf den Markt, weil die Menschen eine Wunsch danach verspürten.
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tramway.at

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Re: Stadt Wien betoniert für den MIV
« Antwort #66 am: 08. November 2024, 18:14:16 »
Schmarrn. Einkaufszentren entstehen, weil der Bedarf dafür da ist. Natürlich wollten Investoren eine gute Rendite erzielen, aber wie haben sie das erreicht? Eben durch die Errichtung solcher Zentren, die auch entsprechend frequentiert werden. Niemand stellt wo ein Einkaufszentrum hin, wenn er nicht weiß, dass es nach der Fertigstellung entsprechend frequentiert wird. Und das ist/war ja nicht nur in Wien so, sondern überall in größeren Städten.

Sorry, die "Erfindung" der EKZ kam von Victor Gruen, einem Wiener Stadtplaner, der in die USA vertrieben wurde. Er hat damit eigentlich in den ortlosen Einfamilienhausumgebungen Stadtzentren nach europäischem Muster schaffen wollen, hat die Idee aber später entsetzt bereut, nachdem er gesehen hat, was das in Europa angerichtet hat - er hätte nie gedacht, dass Investoren auf die Idee kommen, das in Europa zu imitieren. Und wenn du irgendwen aus der Bevölkerung in den 1960ern gefragt hättest, ob er mit dem Auto nach Vösendorf fahren würde, um das Zeug einzukaufen, das er in der Stadt an jeder Ecke bekommt, hätte er dir auch den Vogel gezeigt.

Weirtschaft lebt schon seit längerer Zeit vom Schaffen von Bedürfnissen, die vorher nicht da waren und auch nicht vermisst wurden. Angebot schafft Nachfrage. Und so ist es auch im Verkehr - biete gute Straßen an, die Menschen werden sie erfreut nützen. Detto gilt für den ÖV - in der Region Karlsruhe hat die Stadtbahn einen Modal Split, von dem sämtliche anderen Städte nur träumen können, obwohl es um den Umland-Verkehr geht.
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Re: Stadt Wien betoniert für den MIV
« Antwort #67 am: 08. November 2024, 18:36:42 »
Sorry, die "Erfindung" der EKZ kam von Victor Gruen, einem Wiener Stadtplaner, der in die USA vertrieben wurde.

https://www.youtube.com/watch?v=omVHP35La9c

Hinzu kommt noch der Fakt, dass in den USA dank einer Gesetzeslücke Malls zur Steuervermeidung genutzt wurden.

Heutzutage sollen sie dort allerdings wie die Fliegen sterben. (Online Shopping ist vielen Amis bequemer.)

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Re: Stadt Wien betoniert für den MIV
« Antwort #68 am: 08. November 2024, 19:12:58 »
Da brauchst nur nach Linz schauen, wo sie sich kannibalisieren
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highspeedtrain

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Re: Stadt Wien betoniert für den MIV
« Antwort #69 am: 08. Juni 2025, 09:55:34 »
Ich hoffe, der Thread passt - ein paar Gedanken zum Generalthema, dass nämlich MIV-Verkehrsreduktion funktioniert und im stillen stattfindet, aber offenbar nie wirklich durchgeplant, und dass deshalb völlig unnötig betoniert wird.

Beispiele aus dem zweiten Bezirk:
- es ist, denke ich, kein Geheimnis, dass die monatelange Sperre der Praterstraße während des Umbaus - nach den ersten Tagen der Umgewöhnung - keineswegs ein Verkehrschaos ausgelöst hat. Die Behauptung, die Straße benötigt stadteinwärts zwei Spuren, wurde damit Lügen gestraft. Und auch wenn ich nicht an der Straße stehe und Autos zähle, als Anrainer ist es für mich ziemlich eindeutig dass auch nach Fertigstellung jetzt weniger MIV ist als vorher. Hätte man es gleich richtig gemacht (eine Spur/Richtung) würde das heute niemandem mehr auffallen.
- Fast noch krasser: vor wenigen Jahren wurde die Nordbahnstraße zwischen Praterstern und Am Tabor komplett neu gemacht, aber ident wie vorher als „Stadtautobahn“ inklusive Schlangenliniengleise für die Straßenbahn. In der Zwischenzeit hat man aber in der Verlängerung der Nordbahnstraße bis Taborstraße die Spuren auf je eine reduziert - ist tatsächlich ziemlich nett geworden - und Richtung Stern auch die Kreuzung bei der Taborstraße „kleiner gemacht“. Als Ergebis kommt der MIV viel dosierter (und nach ebenfalls langer Sperre auch geringer) daher als vorher und keiner braucht die zwei Spuren Richtung Praterstern. Gerade jetzt wird auch die Abzweigung vom Stern in die Nordbahnstraße auf eine Spur reduziert, und das wird denselben Effekt haben. Der verbleibende 4spurige Abschnitt bleibt aber jetzt auf Jahre hinaus eine Wüste.

Vielleicht lernt man daraus, dass man sich nicht vor Autofahrerprotesten zu Tode fürchten muss…

abc

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Re: Stadt Wien betoniert für den MIV
« Antwort #70 am: 08. Juni 2025, 10:32:49 »
Es gibt auch mindestens ein Positivbeispiel: am Westbahnhof hat man durch die Baustelle am Sophienspital bemerkt, dass eine Fahrspur weniger Richtung Norden niemandem wirklich abgeht, und reduziert die Straße zugunsten des längst überfälligen Radweg-Lückenschlusses dauerhaft.

Bimigel

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Re: Stadt Wien betoniert für den MIV
« Antwort #71 am: 08. Juni 2025, 12:32:28 »
Wobei dauerhaft hier nicht unbedingt zutreffen muss. Der Radweg wird meines Wissens nach nämlich nur durch seitliche Betonleitplanken von den Autospuren abgetrennt, die man auch rasch wieder entfernen könnte. Ich denke da an das Beispiel Nibelungenbrücke in Linz.

Nulltarif

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Re: Stadt Wien betoniert für den MIV
« Antwort #72 am: 08. Juni 2025, 12:36:33 »
Natürlich kann man vieles wieder ändern, aber als Radfahrer ist mir dort eine Wand aus Betonelementen erheblich lieber als nur eine aufgemalte Sperrlinie.
Die Geschichte mit der Nibelungenbrücke in Linz ist einfach nur erbärmlich und hoffentlich kein Vorbild für Wien
Wer will, findet Wege. Wer nicht will, findet Gründe. (Dalai Lama)

haidi

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Re: Stadt Wien betoniert für den MIV
« Antwort #73 am: 08. Juni 2025, 12:37:42 »
Vor langer Zeit ein Zitat von einem englischen Bürgermeister gelesen:

Ich verringere die Fahrspuren an einer Stelle, mache eine Einbahn oder sperre eine Straße. Stau gibt es 2 Wochen, dann haben die Fahrer andere Wege gefunden oder benutzen für ihre Strecke die Öffentlichen. Jedenfalls verringere ich den Verkehr auf diese Weise ohne Probleme.

Wenn man jetzt die Sünden von Jahrzehnten brutal korrigieren will, dann gibts eben massivere Probleme. Heute stört es kaum wem, dass die innere Mariahilfer Straße praktisch nicht mehr existiert. Auch die Einbahnführung der äußeren Mariahilfer Straße scheint auch keine großen Probleme zu machen.
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Re: Stadt Wien betoniert für den MIV
« Antwort #74 am: 08. Juni 2025, 12:41:28 »
Es gibt auch mindestens ein Positivbeispiel: am Westbahnhof hat man durch die Baustelle am Sophienspital bemerkt, dass eine Fahrspur weniger Richtung Norden niemandem wirklich abgeht, und reduziert die Straße zugunsten des längst überfälligen Radweg-Lückenschlusses dauerhaft.

Auf der Fahrt Richtung Norden ist ausgerechnet auf dem vierspurigen Stück danach fast immer Stau, nicht auf den drei Spuren vorher und nachher. Man kann überall jede Menge wegnehmen, die 2er-Linie ist dzt ebenfalls stark reduziert, die Schwarzspanierstr war lang ganz gesperrt, der Verkehr ist verschwunden.
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