Hier übrigens ein Mail vom Jänner 2009, in dem Bezirksrat Troch zur 71er-Verlängerung Stellung nimmt. Es wurde mir weitergeleitet, daher habe ich den Adressaten anonymisiert.
Sehr geehrter Herr XXX!
Herzlichen Dank für Ihre Zuschrift.
Ich kann weder für die Bezirksvorstehung noch für die Bezirksvertretung
Simmering sprechen, doch bin ich ein politischer Hauptkritiker einiger
geplanter Maßnahmen die Linie 71 betreffend. Ich hoffe, dass ein direkter
Meinungsaustausch zwischen uns einige Punkte abklären wird können.
Sie haben ja nicht meine Darstellung des Sachverhalts gelesen, sondern einen
Medienbericht über meine Kritik. Ich wurde nicht vollständig zitiert. Aber
das ist ja Normalität in unserem Medienzeitalter.
Meine Kritik an der geplanten Reform des 71ers ergibt sich aus dem Konzept
der Wiener Linien:
Ich bin grundsätzlich NICHT gegen eine Verlängerung der Linie 71, z.B zum
Karlsplatz oder auch zur Börse.
Ich bin aber grundsätzlich gegen eine Verlängerung der Intervalle des 71ers,
d.h. ich kämpfe für kürzere und gegen längere Wartezeiten für die
Simmeringer. Daraus ergibt sich meine Hauptkritik!
Diese Verlängerung der Intervalle beim 71er wäre ein Nachteil für jene
Simmeringer, welche das für die Simmeringer nächste Spital - die
Rudolfsstiftung - aufsuchen oder welche die zahlreichen Schulen entlang der
Linie besuchen (HTLs, 2 Gymnasien, Sacre Coeur, etc) oder andere
Einrichtungen am Rennweg, wie etwa die Schnellbahnstationen Rennweg oder St.
Marx.
Eine Verlängerung der Intervalle wäre jedoch auch für die Fahrgäste
innerhalb unseres Bezirkes ein Nachteil, so befindet sich in jenem Bereich
das BBRZ, wo insbesondere auch behinderte und rekonvaleszente Klienten
geschult werden.
Ich kann mir aber auch nicht vorstellen, dass Sie eine Streckung der
Intervalle des 71ers, also längere Wartezeiten begrüßen würden. Und dagegen
habe ich mir erlaubt, meine Stimme als Gemeinderat zu erheben und NEIN zu
sagen.
Darf ich Sie fragen, wo Sie den Satz lasen:
"Es ist unfassbar - die Bezirksvorstehung des 11.Bezirks lehnt die
Verlängerung des 71ers zur Börse mit fadenscheinigen Argumenten ab und
torpediert damit die Interessen tausender Fahrgäste, denen das Umsteighen am
Schwarzenbergplatz erspart werden könnte!"
Niemand (!) -weder die BV Simmering noch ich als einer der Initiatoren lehnt
die Verlängerung der Linienführung zur Börse ab!!!
Was wir ablehnen ist das 71er-Gesamtpaket der Wiener Linien mit den
gedehnten Intervallen, also längeren Wartezeiten für Sie und mich und
tatsächlich tausenden weiteren Simmeringern. Wenn ich dazu nicht NEIN sage,
wozu sitze ich dann für Suimmering im Wiener Gemeinderat

Ich habe viele Stunden mit Vertretern der Wiener Linien verbracht, weil mir
der leistungsstarke öffentliche Verkehr ein Anliegen ist - gerade in Zeiten
der besseren Fahrgastzufriedenheit, gerade in Zeiten , wo Klimaschutz gelebt
werden sollte! Aber auch in den Ausschüssen des Wiener Gemeinderats und mit
der zuständigen Stadträtin Mag. Brauner persönliche Gespräche geführt.
Laut Wiener Linien ist bei einer Führung des 71ers über den Ring eine
Streckung (Verlängerung) der Intervalle des 71ers notwendig, da der Ring nur
eine begrenzte Aufnahmekapazität für Straßenbahnen-Garnituren hat. Würde der
71er (laut Wr. Linien) mit den derzeitigen Intervallen verkehren, würde das
zu unnötigen Stauszenarien der Straßenbahn-Züge am Ring in diesem Bereich
führen.
In den ersten Informationen der Wiener Linien wurden nur die Verbesserungen
beworben. Von der geplanten Streckung der Intervalle las oder hörte man
nichts oder kaum. Erst als ich die Reformpläne zum politischen Thema machte,
hörten wir das "Kleingedruckte". Und dies ließ ich nicht unwidersprochen.
Ich bin kein bequemer JA-Sager, aber das sind Sie ja offensichtlich auch
nicht.
Ich gebe allerdings zu bedenken, dass die Störungsanfälligkeit einer
Straßenbahnlinie zunimmt, je länger sie ist. Das ergibt sich einfach aus der
Wahrscheinlichkeit, dass mit der Länge das Risiko von Unfällen und sonstigen
Störungen quantitativ zunimmt. Die Wiener Straßenbahnlinien weisen
unterschiedliche Störungsanfälligkeiten auf. Mit scheint es nicht im
Interesse der Fahrgäste, Linien zu benützen, wo die Störungsanfälligkeit
höher wird.
Die Wr. Linien prüfen nun die Variante, ob jeder zweite 71er am Ring
weitergeführt wird. Ich habe da absolut nichts dagegen, solange die
Mehrkosten nicht zu Nachteilen für die Frequenz der Wiener Linien in
Simmering selbst führen!
Faktum ist, den 71er gibt es seit fast 102 Jahren. Das heißt natürlich noch
gar nichts! Doch Faktum ist auch, dass Geschichte und Traditionen Identität
und Bewusstsein stiften können. Für unterschiedliche Menschen sind nun
unterschiedliche Formen und Inhalte von Traditionen von Bedeutung: Für
manche zählen mehr Erscheinungen der Alltagskultur oder Z.B. der
Bezirkstopographie, für andere hingegen mehr intellektuelle Inhalte und
gesellschaftliche Werte. Beides ist für unsere Gesellschaft typisch und
wichtig. Ich habe jedoch von zahlreichen Simmeringern, insbesondere von
jenen die mit dem 71er quasi aufgewachsen sind, dass die Fahrt mit dem 71er
gerade auch zum Zentralfriedhof ganz einfach irgendwie zu Simmering gehört.
Selbst Mitarbeiter der Wiener Linien sind dieser Meinung.
Zusammengefasst:
Verlängerung der Intervalle des 71ers NEIN.
Verlängerung der Linie 71 zur Börse JA, wenn das nicht andere Einsparungen
beim 71er auslöst!
Herzlichen Dank, dass Sie sich der Mühe unterzogen haben, die persönliche
Auseinandersetzung und Argumentation zu suchen.
Ich weiß das zu schätzen!
Ich stehe Ihnen jederzeit in jeder kommunalpolitischen Frage (zumindest
elektronisch) zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Harald Troch
Gemeinderat, Abg. zum Wr. Landtag