Und das eine Trasse in Hochlagen wesentlich billiger ist und man bei unserem derzeitigen Budget (Schuldenstand) das Geld nicht wegen der Befindlichkeiten einiger weniger zum Fenster raus werfen kann, sollte wohl jedem einleuchten.
Außerdem ist davon auszugehen, dass die Verbindungsbahn zum Präzedenzfall wird, wenn man einknickt. Dann ist die Büchse der Pandora geöffnet und davon auszugehen, dass der Aus- oder Neubau einer oberirdischen Strecke kaum noch möglich ist, sobald ein paar Menschen dort wohnen. Das wiederum hieße, dass der Ausbau des Bahnnetzes praktisch zum Erliegen käme, weil die meisten Aus- und Neubauten nicht mehr wirtschaftlich darstellbar wären und die verbleibenden Projekte unendlich teuer. (Ausnahme wären vielleicht ein paar Projekte in eher armen Vierteln, siehe unten.)
Man muss halt auch einfach mal ein paar Querulantinnen und Querulanten ignorieren, sonst setzt man gar nichts mehr um. Die Stadt Wien ist ja zum Glück auch von ihrer zwischenzeitlichen Aussage, in bebauten Gebieten keine Straßenbahnstrecken mehr zu bauen, wieder abgekehrt, und ignoriert eben die paar NIMBYs entlang des 12ers. Und wer meint, das sei schon so autoritär wie Kickl, verharmlost den Kickl.
Das Problem ist, dass sie überhaupt klagen dürfen, und selbst nur die Anwalts- und Gerichtskosten riskieren, aber die Kosten, die durch die Abwehr der Klage und die Verzögerung entstehen, auf die Allgemeinheit abladen können, selbst wenn sie auf ganzer Linie verlieren.
Sicher wird dieser Umstand ausgenutzt. Allerdings würde eine Änderung dazu führen, dass niemand mehr berechtigte Interessen durchsetzen kann, weil da ein massives finanzielles Ungleichgewicht herrscht.
Das hat man allerdings nun auch schon, aber in anderer Hinsicht. Ich bezweifle stark, dass Menschen in Simmering genauso in der Lage wären, den Ausbau der Ostbahn zu verzögern wie jene in Hietzing. Auch Anwaltskosten muss man sich leisten können. Man muss Zeit haben, sich zu vernetzen und wissen, wie man die Politik anspricht, idealerweise sollte man jemanden mit Einfluss kennen. Insofern wäre ein Einknicken bei der Verbindungsbahn auch sozial ziemlich ungerecht: die Reichen würden fortan ihre Tunnel auf Kosten der Allgemeinheit bekommen, die Armen ein paar Brosamen. (Bei insgesamt weniger Projekten, siehe oben.)
Damit wäre man dann auf dem Stand des Deutschen Kaiserreichs um die vorletzte Jahrhundertwende. Warum verlaufen die vor dem Ersten Weltkrieg entstandenen Berliner U-Bahn-Strecken in Prenzlauer Berg und Kreuzberg oberirdisch? Weil das seinerzeit Arbeiterviertel waren, denen man den Anblick einer Hochbahn und etwaige Lärmentwicklung zumuten konnte. Im noblen Charlottenburg musste die Bahn dann abtauchen. Bald 130 Jahre später denkt man in Teilen Hietzings genauso.
Es würde mich außerdem wundern, wenn die Protestierenden Subsistenzwirtschaft betreiben und Hietzing niemals mit einem anderen Verkehrsmittel als den eigenen Füßen verlassen. Heißt also: sie selbst profitieren stark davon, dass andere Einschränkungen für ihre Mobilität und Versorgung hinnehmen müssen. Nur sie selbst wollen sich schön frei von negativen Auswirkungen halten, natürlich auf Kosten aller. Damit kündigen sie im Grunde das Geben und Nehmen auf, das es zwischen Individuum und Gesellschaft gibt. So kann eine Gesellschaft aber nicht funktionieren.