Autor Thema: Ein neuer Tiefpunkt der Stadtgestaltung: die ehemalige Wasserwelt  (Gelesen 23511 mal)

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Lerchenfelder

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Re: Ein neuer Tiefpunkt der Stadtgestaltung: die ehemalige Wasserwelt
« Antwort #30 am: 14. Juli 2017, 10:44:57 »
..., ohne sich wirkliche echte Gedanken darüber zu machen, was gut ausschaut und praktisch ist...
Man macht sich auch keine Gedanken, von wem und wie der Freiraum genutzt werden wird / soll. Man knallt einfach mit dem Gießkannenprinzip - zumeist ohne Struktur - irgendwelche Stadtmöbel hin:
Sitzbänke, Trinkbrunnen, grindige Baumscheiben und Betonblumenbeete, ein bis zwei Kinderspielgeräte. Und wo noch Platz ist, kommen Litfasssäulen, Streugutbehälter, eine Müllsammelstelle und mehrere Elektrokasteln hin. Der Rest wird dann mit Schanigärten zugepflastert.

Man muss sich eigentlich nur anschauen, welche Plätze international und auch in Wien als "gelungen" bzw. angenehm betrachtet werden: Die, wo Platz ist. Wo es keine oder nur geringe Nutzungsvorgaben gibt. Eine solche legere Freiraumgestaltung hält man in Wien einfach nicht mehr aus, bei uns muss leider jeder Quadratmeter mit irgendwas zugestellt werden  :down:

"Gießkannenprinzip" ist sowieso eines gutes Wort für das gesamte "Wiener System". Was man in NÖ auf schwarzer Seite für Sachen betreibt, bekommt man in Wien halt von roter Seite serviert. Speziell in Wien glaubt man ja, in vielen Bereichen noch in den 70ern zu sein... :fp:

Ich lerne in meinem Studium jedenfalls völlig andere Herangehensweisen und ich hoffe, dass es irgendwann in naher Zukunft eine Generation von Verkehrs-, Stadt-, und Freiraumplanern gibt, die wirklich wissen, was sie tun...

coolharry

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Re: Ein neuer Tiefpunkt der Stadtgestaltung: die ehemalige Wasserwelt
« Antwort #31 am: 14. Juli 2017, 11:33:04 »
Das heißt / impliziert, dass es einmal besser war? -

Wann genau bzw. kannst du konkrete Beispiele bringen?
Um 1900, als man noch nicht 80% der Verkehrsflächen dem MIV zur Verfügung stellen musste. ;)

Dem kann man nur zustimmen. Wenn man die alten Aufnahmen betrachtet - vor allem die Ringstraße betreffend - dann stellt man die absolut harmonische Gestaltung fest. Es gab  keine störenden Verkehrszeichen, Straßenmarkierungen, Ampeln etc. Derzeitige schön gestaltete Plätze - wie z.B. der schon erwähnte Wallensteinplatz - sind zu Oasen in einer dem zumeist dem IV geopferten Stadtlandschaft geworden.

Der IV hat sich den Platz genommen der da war. Früher hat, Aufgrund des spärlich vorhandenen Verkehrs, sich jeder Platz auf der Straße nehmen können. Man hatte also einen Shared Space ohne es eigentlich gewollt zu haben. Dann kam die Massenmobilisierung, das muss jetzt nicht zwangsläufig mit einem eigenen Auto zu tun haben, wo dieses System der Gleichberechtigung im Straßenraum als störend oder behindernt angesehen wurde. Somit wurde es Gesetzlich anders geregelt. Heute versucht man diesen Zustand wieder herzustellen aber man wird es nicht überall hin bekommen und schon gar nicht so wie es um 1900 war.
Weil ein menschlicher Hühnerstall nicht der Weisheit letzter Schluß sein kann.

moszkva tér

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Re: Ein neuer Tiefpunkt der Stadtgestaltung: die ehemalige Wasserwelt
« Antwort #32 am: 14. Juli 2017, 11:56:35 »
Heute versucht man diesen Zustand wieder herzustellen aber man wird es nicht überall hin bekommen und schon gar nicht so wie es um 1900 war.
Es ist auch fraglich, ob man wirklich wieder den Zustand von 1900 haben will. Damals haben sich die Menschen auch deswegen so viel im öffentlichen Raum aufgehalten, weil die Wohnungen komplett überbelegt waren. Was heute eine schöne, komfortable Singlewohnung ist, war damals das Zuhause von einer Großfamilie mit zwölf Leuten aus drei Generationen, dazu noch ein paar Bettgeher. Logisch, dass man da, wenn es nur irgendwie möglich war, nach draußen geflüchtet ist. Da gab es am Platz oder im Park viel mehr Privatsphäre als zu Hause.

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Re: Ein neuer Tiefpunkt der Stadtgestaltung: die ehemalige Wasserwelt
« Antwort #33 am: 14. Juli 2017, 12:01:05 »
Da gab es am Platz oder im Park viel mehr Privatsphäre als zu Hause.

... und auch weniger Ungeziefer. Die damaligen hygienischen Verhältnisse in den meisten Arbeiterzinskasernen waren, gelinde gesagt, katastrophal.
Es ist nichts so fein gesponnen, es kommt doch ans Licht der Sonnen!
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coolharry

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Re: Ein neuer Tiefpunkt der Stadtgestaltung: die ehemalige Wasserwelt
« Antwort #34 am: 14. Juli 2017, 12:08:35 »
Heute versucht man diesen Zustand wieder herzustellen aber man wird es nicht überall hin bekommen und schon gar nicht so wie es um 1900 war.
Es ist auch fraglich, ob man wirklich wieder den Zustand von 1900 haben will. Damals haben sich die Menschen auch deswegen so viel im öffentlichen Raum aufgehalten, weil die Wohnungen komplett überbelegt waren. Was heute eine schöne, komfortable Singlewohnung ist, war damals das Zuhause von einer Großfamilie mit zwölf Leuten aus drei Generationen, dazu noch ein paar Bettgeher. Logisch, dass man da, wenn es nur irgendwie möglich war, nach draußen geflüchtet ist. Da gab es am Platz oder im Park viel mehr Privatsphäre als zu Hause.

Das sich diese Rahmenbedingungen ebenfalls deutlich geändert haben, hat natürlich auch seinen Einfluß. Auch die Tatsache, dass eigentlich jeder in der Stadt irgendeine Art von Bewegungshilfe sein eigen nennt. Vom Roller übern Segway und Fahrrad bis hin zum Auto. Um 1900 waren die Menschen froh sich pro Haushalt ein Fahrrad leisten zu können. Einige hatten nur einen Handkarren oder schlicht nur ihre Füße. Da dies den Großteil der Bevölkerung betroffen hat war die Mobilität der Masse äusserst eingeschränkt. Die Leute mussten ja in der nähe ihres Arbeitgebers wohnen, da sie sonst keine Arbeit gehabt hätten. Somit wurden, vorallem durch die finanzielle Not der Masse, viele Probleme, die wir heute haben, im Keim erstickt. Dafür hattens andere, meiner Meinung nach wesentlich größere. Ich sag nur Gesundheitsversorgung.
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Re: Ein neuer Tiefpunkt der Stadtgestaltung: die ehemalige Wasserwelt
« Antwort #35 am: 14. Juli 2017, 17:44:03 »
Da gab es am Platz oder im Park viel mehr Privatsphäre als zu Hause.

... und auch weniger Ungeziefer. Die damaligen hygienischen Verhältnisse in den meisten Arbeiterzinskasernen waren, gelinde gesagt, katastrophal.
Ja ja, die berühmte "gute alte Zeit"  ;D

moszkva tér

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Re: Ein neuer Tiefpunkt der Stadtgestaltung: die ehemalige Wasserwelt
« Antwort #36 am: 14. Juli 2017, 18:29:05 »
Da gab es am Platz oder im Park viel mehr Privatsphäre als zu Hause.

... und auch weniger Ungeziefer. Die damaligen hygienischen Verhältnisse in den meisten Arbeiterzinskasernen waren, gelinde gesagt, katastrophal.
Ja ja, die berühmte "gute alte Zeit"  ;D
Früher war halt alles besser, sogar die Zukunft.

hema

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Re: Ein neuer Tiefpunkt der Stadtgestaltung: die ehemalige Wasserwelt
« Antwort #37 am: 14. Juli 2017, 18:31:38 »
Es war nicht früher alles schlechter und es ist heute nicht alles besser. Anders halt!
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Z-TW

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Re: Ein neuer Tiefpunkt der Stadtgestaltung: die ehemalige Wasserwelt
« Antwort #38 am: 14. Juli 2017, 19:49:11 »
Ich wollte mit meinem Posting eigentlich nur auf die damals herrschende Harmonie und Ästhetik in repräsentativen Stadträumen hinweisen. Und die hat natürlich nichts zu tun mit sozialen und hygienischen Missständen. Man vergleiche nur alte Fotos vom Süd- und Ostbahnhofgebäude und der Parkanlage davor mit dem Entree zum Hauptbahnhof!

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Re: Ein neuer Tiefpunkt der Stadtgestaltung: die ehemalige Wasserwelt
« Antwort #39 am: 14. Juli 2017, 22:28:33 »
Diese durchgängige Ästhetik hast du heute in vielen modernen Städten, auf vielen modernen Plätzen. Und man muss nichtmal Äpfel von 2017 mit Birnen aus 1900 vergleichen - wie erwähnt war Wien in den 1980ern äusserst gut unterwegs, manche sehr feine Plätze von damals existieren ja heute noch. Ich poste ansonsten eh dauernd Bilder von meinen Reisen, da sieht man, dass der Wiener Wildwuchs nicht sein muss.
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Re: Ein neuer Tiefpunkt der Stadtgestaltung: die ehemalige Wasserwelt
« Antwort #40 am: 15. Juli 2017, 05:50:53 »
Diese durchgängige Ästhetik hast du heute in vielen modernen Städten, auf vielen modernen Plätzen. Und man muss nichtmal Äpfel von 2017 mit Birnen aus 1900 vergleichen

Es stimmt schon, dass es auch in Wien schöne Plätze gibt - vor allem dort, wo man endlich den IV beseitigt hat. Und dort, wo er notwendig ist, ist die Harmonie schlicht und einfach gestört. Dazu nur ein Beispiel: Wer hätte sich seinerzeit jemals eine Autobahn vor dem Palais Auersperg vorstellen können?

martin8721

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Re: Ein neuer Tiefpunkt der Stadtgestaltung: die ehemalige Wasserwelt
« Antwort #41 am: 16. Juli 2017, 09:44:49 »
wie erwähnt war Wien in den 1980ern äusserst gut unterwegs, manche sehr feine Plätze von damals existieren ja heute noch.

Welche Plätze wären das, die in den 1980ern gut gestaltet wurden?
Mir fällt da grad gar nichts ein...

coolharry

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Re: Ein neuer Tiefpunkt der Stadtgestaltung: die ehemalige Wasserwelt
« Antwort #42 am: 16. Juli 2017, 09:58:28 »
wie erwähnt war Wien in den 1980ern äusserst gut unterwegs, manche sehr feine Plätze von damals existieren ja heute noch.

Welche Plätze wären das, die in den 1980ern gut gestaltet wurden?
Mir fällt da grad gar nichts ein...

Brigittaplatz. Meiner Meinung nach. Auch der Gaußplatz ist ein Kind der 80iger.Zwar erst in den 90igern gebaut aber schon vorher geplant. Weiters wurde in den 80igern noch Wert auf grundsätzlich schönere Straßen Gestaltung gelegt. Mit Bäumen und Pflasterung. Heute werden die Straßen so dermaßen lieblos gebaut das es zum davonlaufen ist.
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moszkva tér

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Re: Ein neuer Tiefpunkt der Stadtgestaltung: die ehemalige Wasserwelt
« Antwort #43 am: 16. Juli 2017, 10:10:32 »
Ich finde, dass auch der Schwedenplatz ursprünglich nicht sooo schlecht war. Er ist halt heute in die Jahre gekommen und deswegen äußerst schäbig. Und natürlich ist er auch nicht mehr passend für die heutigen Bedürfnisse. Aber aus damaliger Sicht (späte 1970er-Jahre) war das schon eine recht gelungene Platzgestaltung.

95B

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Re: Ein neuer Tiefpunkt der Stadtgestaltung: die ehemalige Wasserwelt
« Antwort #44 am: 16. Juli 2017, 10:38:04 »
Ich finde, dass auch der Schwedenplatz ursprünglich nicht sooo schlecht war. Er ist halt heute in die Jahre gekommen und deswegen äußerst schäbig. Und natürlich ist er auch nicht mehr passend für die heutigen Bedürfnisse. Aber aus damaliger Sicht (späte 1970er-Jahre) war das schon eine recht gelungene Platzgestaltung.

Die Grünanlagen am Morzinplatz sind unbenutzbar, aber das war damals so in Ordnung, da dachte man nicht daran, dass Menschen einen Rasen betreten sollen/können/dürfen. Die Tankstelle ist ein Anachronismus und gehört weg.

Seit der Präsentation der Pläne vor einem Jahr hat man nichts mehr gehört. Ich frage mich daher, ob man den Umbau nicht heimlich, still und leise "vergessen" wird.
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