Genau das sollte endlich geändert werden, dass einzelne Querulanten eine sehr sinnvollen Ausbau von Infrastruktur nicht mehr blockieren und verzögern können. Eisenbahnbau, Stromtrassen, Ver- und Entsorgung sollte vor allen anderen Interessen gereiht werden.
Das mit den Querulanten ist eine Unterstellung; wenn mir etwas aufoktroyiert wird, bin ich auch schwerer von meiner Ansicht abzubringen, als wenn meine Argumente von Anfang an angehört und sachlich widerlegt oder relativiert werden.
Die Grenze, was vor allen anderen Interessen gereiht werden sollte, ist sehr unscharf.
Ein Beispiel aus der Vergangenheit: Beim Bau der zweiten Piste auf dem wiener Flughafen in Schwechat gab es selbstverständlich auch Widerstand. Im Rahmen des damaligen Mediationsverfahrens hat der Flughafen die Kosten für Lärmschutzfenster übernommen, und ohne weitere Probleme die Piste 16/34 errichtet.
Eine bessere Bürgerbeteiligung hätte aus meiner Sicht hier nichts gebracht, es war nicht möglich, Konsens herzustellen.
Wenn die Fronten einmal verhärtet sind, ist das tatsächlich so. Eine ernsthafte Bürgerinnen- und Bürgerbeteiligung bezieht potentiell Betroffene und Interessierte aber schon in einer sehr frühen Phase ein, in der noch Gesprächsbereitschaft herrscht.
Tut mir Leid, das klingt alles reichlich naiv - seid einfach nur lieb zu den Menschen, und sie werden lieb zu euch sein. Menschen, die einfach dagegen sind und weiterhin dagegen sein werden, gibt es nicht. Menschen, denen das Allgemeinwohl am Allerwertesten vorbeigeht, auch nicht.
Ich habe diese netten Theorien im Studium vor 15, 20 Jahren auch oft gehört (und geglaubt). Die Realität ist: solange ein Projekt noch sehr unkonkret ist, kann noch so viel Bürgerbeteiligung angeboten werden, es interessiert niemanden. Erst, wenn es dann konkret wird, wollen plötzlich alle mitreden - und wehe, auf sie wird nicht gehört! Und natürlich ist denen dann auch völlig egal, dass selbstverständlich ein Abwägungsprozess zwischen verschiedenen Varianten stattfand, wenn dessen Ergebnis nicht passt. (Dass unmittelbar Betroffene schon im Rahmen der Planung kontaktiert und mit ihnen gesprochen wurde, versteht sich von selbst.)
Inzwischen sehe ich das ziemlich kritisch, weil es auch eine gewisse Anspruchshaltung gefördert hat, nämlich dass der Staat als Bauherr (ggf. in staatlichen Konzern wie der ÖBB) gefälligst untertänigst bei allen mutmaßlich oder auch nur gefühlt Betroffenen aufzukreuzen, nach der Meinung zu fragen und diese gefälligst umzusetzen hat, auch wenn sich Meinungen und Interessen verschiedener Betroffener diametral widersprechen. Folglich können die Erwartungen gar nicht erfüllt werden. Der Staat ist in diesem Staatsverständnis auch einfach nur der Feind, der gegen das Individuum kämpft - als gäbe es nur dieses eine Individuum, als sei es nicht Teil des Staates. Dabei ist der Staat in einer Demokratie ja nicht irgendein Gebilde, das zufällig irgendein Typ aus dem Hause Habsburg geerbt hat, sondern das sind wir alle. (Darüber zu diskutieren, wie Ausländer:innen hier reinpassen, würde zu weit führen.)
Außerdem nimmt diese Anspruchshaltung das Individuum völlig aus der Verantwortung: das Individuum hat gefälligst informiert zu werden - als sei es nicht zumutbar, regionale und lokalen Medien zu verfolgen. Und auch die Verantwortung, Teil einer Gesellschaft zu sein, wird dem Individuum dadurch abgenommen, es gilt nur Ichichich. Nebenbei sind ja die aktuellen und potenziellen Nutzenden der neu oder auszubauenden Infrastruktur eigentlich auch Betroffene - um die geht es aber irgendwie nie. (Das ist auch ein Problem, wenn bei Wohnungsbauvorhaben die Nachbarschaft befragt wird - die werden gefragt, Leute, die händeringend eine Wohnung suchen, nicht.)
Das klingt alles reichlich negativ und soll nicht prinzipiell gegen Bürgerbeteiligung sprechen, im Gegenteil. Natürlich sollen und müssen Betroffene einbezogen werden - je betroffener, desto früher (z.B. bei Grundstückseinlösen). Natürlich sollte Planung transparenter erfolgen - was aber auch mit der Verantwortung des Individuums einhergeht, sich mit der Materie zu beschäftigen. Aber vielleicht sollte man mal die Erwartungshaltung etwas bremsen: sowohl bei den Einbezogenen ("Eure Interessen sind berechtigt, andere aber auch - welchen Weg finden wir, der am besten allen nützt?") als auch bei jenen, die Bürgerbeteiligung für ein Wundermittel halten, dank dem sich Proteste in Luft auflösen. Es wird immer Querulanten geben, und wenn man Pech hat, sind die bestens in Politik und/oder Medien vernetzt, und wenn man noch mehr Pech hat, wird Protest parteipolitisch missbraucht, um ein Projekt zu bekämpfen (siehe S-Link).
Ganz allgemein: Wir leben in einer Demokratie, und wenn das auch so bleiben soll, muss man überzeugen und nicht überstimmen. Und das geht nur in kommunikativem Austausch. Alle Forderungen nach "Priorität" von Vorhaben für die Allgemeinheit tendieren Richtung Diktatur, denn wo ist die Grenze? Autobahnen, Atomkraftwerke, ...? Wem stünde die Bewertung zu? Bei aller Schwerfälligkeit der EU-Verwaltung, teile ich jedenfalls deren Haltung zu demokratischen Strukturen.
Demokratie heißt aber auch, dass demokratisch beschlossene Projekte dann einfach mal umgesetzt werden (m.E. steht die Verbindungsbahn im Rahmenplan, der im Nationalrat beschlossen wurde). Wenn eine Demokratie nichts mehr umgesetzt bekommt, weil Partikularinteressen von ein paar bestens vernetzten Individuen stärker gewichtet werden als das große Ganze, braucht man sich nicht zu wundern, wenn immer mehr Menschen darauf verweisen, wie schnell in China doch der Bau von Infrastruktur gehe. Und DANN wird es wirklich gefährlich für die Demokratie, nicht, wenn über ein paar Querulanten mal drübergefahren wird.
Gerade in einer Demokratie sollte es doch möglich sein, solche Vorhaben umzusetzen, denn hier sind sie nicht vom Politbüro beschlossen, sondern demokratisch durch einen Parlamentsbeschluss legitimiert - und damit indirekt von einer Mehrheit der wahlberechtigten/wählenden Bevölkerung.
Umgedreht fragt sich auch, wie repräsentativ Bürgerbeteiligung und auch Protestbewegungen wirklich sind. Da dürften tendenziell eher Akademiker und Menschen mit viel Zeit (z.B. viele Pensionisten) vertreten sein, eher selten hingegen der alleinerziehende Billa-Verkäufer, der sich vielleicht über dichtere Intervalle oder eine neue S-Bahn-Station in der Nähe seiner Arbeitsstätte freuen würde.