Autor Thema: Stadtbahn  (Gelesen 518491 mal)

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coolharry

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Re: Stadtbahn
« Antwort #150 am: 17. April 2012, 14:42:18 »
Auch wenn das nun etwas off-topic ist - ich entschuldige mich dafür, aber rein interessehalber: Weiß jemand zufällig wieso über die Brücke dort in jede Fahrtrichtung ein drittes Gleis liegt? Hab' mich das schon öfters gefragt...

Das Weltweite Netz gibt an, dass soetwas dem Entgleisungsschutz dient. Sprich, wenn ein Zug entgleist wird er noch zwischen den Schienen zwangsgeführt und kann nicht in die Botanik ausbrechen oder in dem Fall baden gehen.
Die dritte oder vierte Schiene sieht man eigentlich auf fast allen Eisenbahnbrücken und längeren, mit höherer Geschwindigkeit befahrenen (engen) Kurven.
Weil ein menschlicher Hühnerstall nicht der Weisheit letzter Schluß sein kann.

haidi

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Re: Stadtbahn
« Antwort #151 am: 17. April 2012, 14:42:19 »
Auch wenn das nun etwas off-topic ist - ich entschuldige mich dafür, aber rein interessehalber: Weiß jemand zufällig wieso über die Brücke dort in jede Fahrtrichtung ein drittes Gleis liegt? Hab' mich das schon öfters gefragt...

Nennt sich "Angstschiene".

Hannes

Edit: Idente Erklärung mit der im Posting von Coolharry gelöscht.
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ULF

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Re: Stadtbahn
« Antwort #152 am: 17. April 2012, 14:43:28 »
Danke euch! :)
Viel zu lernen ich noch habe.. ;)

schaffnerlos

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Re: Stadtbahn
« Antwort #153 am: 17. April 2012, 15:08:11 »
Nennt sich "Angstschiene".

Ich kenne diese als Schutzschiene oder Fangschiene (vor allem auf und unter Brücken). Diese sollen im Falle einer Entgleisung den Zug noch einigermaßen in der Spur halten.




Dann gibt es noch die Zwangsschiene oder Radlenker (vor allem in Kurven und bei Weichen). Diese werden regulär vom Spurkranz berührt und sorgen dafür, dass die Räder in der Schiene bleiben (z.B. in einer Kurvenüberhöhung oder im Bereich des Herzstücks).


W_E_St

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Re: Stadtbahn
« Antwort #154 am: 17. April 2012, 15:48:48 »
Die Garnitur muss ja für die Sonderfahrt irgendwie auf die Strecke gekommen sein, und da gibt es nur zwei Möglichkeiten, die beide von Floridsdorf recht weit entfernt sind - Tscherttegasse und Michelbeuern. Falls also nicht am Tag der Fahrt die U6 auf ganzer Länge eingestellt war, muss die N1-Garnitur zumindest Michelbeuern - Nussdorfer Straße im normalen Verkehr mitgefahren sein. Daher würde ich doch eigentlich vom Vorhandensein einer kompatiblen Sicherungsausrüstung ausgehen.

Abgesehen davon könnte man sogar Blumenbankln montieren, ohne die Museumssubstanz nennenswert zu schänden - die an den E6/c6 waren ja auch spurlos demontierbar.

Und auch hier wieder - 1996 hat das ja auch funktioniert! Und da waren auch schon T unterwegs, wie man am Foto sieht.
"Sollte dies jedoch der Parteilinie entsprechen, werden wir uns selbstverständlich bemühen, in Zukunft kleiner und viereckiger zu werden!"

(aus einer Beschwerde über viel zu weit und kurz geschnittene Pullover in "Good Bye Lenin")

Konstal 105Na

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Re: Stadtbahn
« Antwort #155 am: 17. April 2012, 15:53:10 »
Ein bisschen Ostblockflair haben diese Erzählungen schon und so unähnlich sind die N1 den Konstal 4N optisch auch nicht.
Die Ähnlichkeit des "Gesichtes" von N1 und Konstal 4N hat nichts mit Ostblockflair zu tun, sondern damit, dass beide Baureihen vom KSW beeinflusst sind.

Mein Ostblockflair bezog sich auf die Erzählungen wie die Wiener Stadtbahn mit N1-Garnituren betrieben wurde. Das Aussehen ist da eher nur das Tüpflchen auf dem I.  ;)
In anderen Städten hätte man das Ganze wohl mit etwas moderneren Wagen betrieben, anstatt mit Zweiachsern.

Man darf nicht vergessen, dass die Fahrerplätze damals eigentlich purer Luxus waren, die meisten Schienenfahrzeuge der WL waren noch "Steher". Der Sitz - eher ein Traktorsitz als ein Fahrradsattel - war unter anderem deshalb so spartanisch, weil er bei den nicht benutzten Fahrerplätzen weggeklappt und versperrt wurde, sodass dort der gesamte Auffangplatz zur Verfügung stand.

Hinzu kommt noch, dass es in solchen Garnituren wohl wenig zu bedienen gab. Es gab ja kein Gebläse, keine Blinker etc. Die Türen konnte man auch nur öffnen oder schließen.

po sygnale odjazdu nie wsiadac

haidi

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Re: Stadtbahn
« Antwort #156 am: 17. April 2012, 16:00:53 »
Und die wenigen Bedienelemente waren - so weit ich mich erinnere - hinter einer Brotdosenklappe verschlossen.

Hannes
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N1

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Re: Stadtbahn
« Antwort #157 am: 23. Juni 2012, 15:28:20 »
Ich habe gerade auf der Fanpage eine längere Passage aus: Ludwig Spängler, Elektrisierung der Wiener Stadtbahn (Wien 1925) (S. 5–10) zur Vorgeschichte der Wiener elektrischen Stadtbahn zitiert, die ich der hiesigen p.t. Forengemeinde nicht vorenthalten will. Um damit keine Zweitrangigkeit des Tramwayforums zu implizieren (die ganz sicher nicht gegeben ist), werden im Folgenden auch dort weggelassene Passagen wiedergegeben:

Zitat
An die Einführung eines elektrischen Schnellbahnbetriebes nach den bei der Enquete im Jahre 1910 vorgelegten Projekten mit den damals berechneten Kosten von mindestens 30 bis 40 Millionen Goldkronen und der seither erfolgten Steigerung der Baukosten war aber nicht zu denken, da schon die Aufbringung so bedeutender Geldmittel — 450 bis 600 Millionen Papierkronen, je nach Ausführung und Ausrüstung — einfach unmöglich war. Wenn man überhaupt einer Elektrisierung der Stadtbahn nähertreten wollte, so galt es daher vor allem, die Anlagekosten für die Elektrisierung zu vermindern, um den gerade in diesem Falle besonders ausschlaggebenden Anteil des Kapitaldienstes für den Betrieb herabzusetzen. Während man im Jahre 1910 noch mit einer Verzinsung von rund 4 Prozent für eine entsprechende Anleihe behufs Elektrisierung der Stadtbahn rechnen konnte, mußte man im Jahre 1923, als diese Frage durch den Antrag der Gemeinde zur Besprechung kam, eine Verzinsung von mindestens 15 Prozent annehmen; die Verhältnisse waren also für die Elektrisierung im Jahre 1923 finanziell noch viel ungünstiger als in der Vorkriegszeit. Zur Verminderung der Anlagekosten mußte man zunächst die Elektrisierung auf die wichtigsten innerstädtischen Linien beschränken, also auf die Wientallinie, die Gürtellinie und die Donaukanallinie mit den Enden in Hütteldorf und Heiligenstadt, wie dies übrigens auch schon bei der Enquete von 1910 von den meisten Fachleuten als ausreichend angenommen und den damaligen Elektrisierungsvorschlägen zugrunde gelegt wurde. Man konnte sich um so eher hiezu entschließen, als von den 14.2 Millionen Fahrgästen, die im Jahre 1913 auf den oben genannten innerstädtischen Linien verkehrten, nur 6¼ Millionen (einschließlich der Sonn- und Feiertagsfahrgäste) auf die anschließenden Lokalstrecken der Westbahn und Franz-Josefs-Bahn übergingen, also der rein innerstädtische Verkehr die ausschlaggebende Bedeutung für die Wiener Bevölkerung und auch für die finanzielle Gebarung hatte. Die Vorortelinie der Stadtbahn und die südliche Verbindungsbahn (Hütteldorf über Lainz, Meidling, Hauptzollamt, Nordbahnhof) sind von der Elektrisierung ausgenommen und bleiben weiter im Dampfbetrieb der Bundesbahnen, was auch für den Überleitungsverkehr zwischen den Hauptbahnen notwendig ist. Eine reifliche Überlegung und ein gründliches Studium der ganzen Sachlage im Schoße der Straßenbahndirektion führten zur Überzeugung, daß nur durch einen vollständigen Zusammenschluß der Stadtbahn mit der Straßenbahn und vor allem nur durch einen gemeinsamen Wagenpark die Möglichkeit geschaffen werden konnte, an eine Elektrisierung der Stadtbahn mit erschwinglichen Mitteln und Aussicht auf einen wirtschaftlichen Erfolg zu schreiten.

Der Grundgedanke ist dabei der, daß für den außerordentlich umfangreichen Verkehr der Straßenbahn und den dadurch bedingten großen Wagenpark sehr große Wagenreserven nötig sind, die bei einer starken Frequenz der Stadtbahn auch zur Ergänzung ihres an sich viel kleineren Wagenstandes insbesondere dann herangezogen werden können, wenn der größte Wagenbedarf auf der Stadtbahn mit jenem auf der Straßenbahn zeitlich nicht zusammenfällt. Dies ist nun tatsächlich der Fall; als die stärksten Verkehrszeiten der Straßenbahn sind neben dem 1. November die Monate Mai bis Oktober zu betrachten; auch ergeben sich für den Wagenbedarf der Straßenbahn wegen der sich häufenden Wagenbeschädigungen oft die größten Ansprüche in einem schneereichen Winter; gerade zu diesen Zeiten ist aber der Wagenbedarf auf der Stadtbahn verhältnismäßig klein, da sich dort der Hauptverkehr in den Hochsommermonaten abspielt, wenn der Ausflugs- und Bäderverkehr — im Donautal — zusammenfallen. Ein gleichzeitiger großer Wagenbedarf auf beiden Betrieben kann sich unter Umständen in einem sehr heißen Juni ergeben, sofern dieser schon für die Donaubäder in Betracht kommt; im allgemeinen zeigt der Juni für die Straßenbahn erfahrungsgemäß schon einen bedeutenden Frequenzrückgang; auf eine so kurze Zeit aber ist es auch möglich, mit den zulässig kleinsten Reserven des Wagenstandes zu rechnen, um so eher, als die Verkehrsspitzen nur an den Sonn- und Feiertagen auftreten und gerade im Frühsommer an den Wageneinrichtungen der Straßenbahn erfahrungsgemäß die geringsten Betriebsschäden auftreten.

Wie war es nun im Sommer 1923 um den Wagenpark der Straßenbahn bestellt?

Die Fahrgastfrequenz der Straßenbahn hatte im zweiten Halbjahr 1922 nach teilweise Anpassung der Tarife an die Geldentwertung und im ersten Halbjahr 1923 einen sehr bedeutenden Rückgang erlitten; sie fiel von rund 520 Millionen im Jahre 1921 auf 440 im Jahre 1922 und erhöhte sich auch im ersten Halbjahr 1923 nur ganz unbedeutend, so daß man mit Berechtigung annehmen konnte, wieder der viel geringeren Friedensfrequenz von nur rund 326 Millionen im Jahre näherzukomen [sic!].

Diese Überlegung ließ es als völlig zulässig erscheinen, für den Stadtbahnverkehr nur einen verhältnismäßig kleinen Fahrpark, der etwa dem Werktagsbetrieb mit Reserven entspricht, neu zu beschaffen, für den Hochsommerspitzenverkehr der Stadtbahn aber die neuesten Wagen der Straßenbahn nach entsprechend kleinen Umänderungen (Scherenstromabnehmer, Druckluftbremse) heranzuziehen; das ist um so mehr zulässig, als ja die für die Stadtbahn zu gewinnenden Fahrgäste zum überwiegenden Teil den Straßenbahnen entzogen werden. Auf diese Weise wurde es möglich, die Anlagekosten für die Stadtbahnelektrisierung auf das geringste Maß zu beschränken; durch die Verwendung eines gemeinschaftlichen Wagenparkes werden auch die Kosten für Remisen- und Werkstättenanlagen vermindert, während die einheitliche Betriebsführung eine bedeutende Herabsetzung der eigentlichen Betriebskosten durch Ersparnisse in administrativer, technischer und kaufmännischer Beziehung erwarten ließ.

Man ist sich im Schoße der Wiener Gemeindeverwaltung niemals darüber im unklaren geblieben, daß die Elektrisierung der Stadtbahn mit Straßenbahnbetriebsmitteln nicht als eine endgültige, dauernde Lösung auf ewige Zeiten betrachtet werden kann; sie ist jedoch unter den gegenwärtigen Umständen und Verhältnissen als einzige in wirtschaftlicher und finanzieller Beziehung mögliche Lösung erkannt worden, welche eine rasche Beseitigung des für die Bevölkerung geradezu unerträglich gewordenen Zustandes der Einstellung des Stadtbahnbetriebes erwarten ließ, ohne einer späteren, zukünftigen Änderung, bei einem weiteren Wachstum der Stadt und bei einer dann möglichen großzügigen Entwicklung ihres Verkehrs, unüberwindliche Schwierigkeiten zu bereiten. Die Elektrisierung der Stadtbahn mit Straßenbahnwagen, welche jederzeit auf der Straßenbahn wiederverwendet werden können, gibt alle Zukunftmöglichkeiten frei, sei es für den von den Bundesbahnen vorbehaltenen elektrischen Vollbahnverkehr, sei es für einen engen Zusammenschluß der Stadtbahn mit späteren Untergrundschnellbahnen.

Die Verwendung von Straßenbahnwagen für die Elektrisierung der Stadtbahn ermöglichte es endlich, auch einen unmittelbaren Übergang der Wagen von der Stadtbahn auf die Straßenbahn an dazu geeigneten Stellen durchzuführen, was für einzelne, sonst weniger benutzte Stadtbahnlinien von großer Wichtigkeit ist.

Bevor man nun an die Weiterverfolgung und Verwirklichung dieses einfachen Projektes ging, mußte man sich selbstverständlich Klarheit darüber verschaffen, ob damit der Bevölkerung tatsächlich solche Vorteile geboten wurden, daß sich die auch für diese Ausführung der Stadtbahnelektrisierung immerhin bedeutenden Anlagekosten wirtschaftlich rechtfertigen ließen.

Die Bevölkerung verlangt auf der Stadtbahn einen möglichst dichten und raschen Verkehr; nun wird durch die Wahl kleiner, leichter Zugeinheiten, wie sie auf der Straßenbahn üblich sind — bestehend aus einem Motorwagen mit zwei Anhängewagen — die Voraussetzung geschaffen, welche es ohne allzu hohe Betriebskosten gestattet, die Zugfolgezeit möglichst klein zu halten; was nun die Schnelligkeit der Beförderung anlangt, so war es möglich, einen Betrieb mit 20 bis 22 Kilometer stündlicher Reisegeschwindigkeit an Werktagen in Aussicht zu nehmen, die beim Massenverkehr an Sonn- und Feiertagen eine entsprechende Verminderung erfahren sollte. Es ist hier von Interesse, festzustellen, daß die frühere Dampfstadtbahn nur eine mittlere Reisegeschwindigkeit von rund 21 Kilometerstunden erreicht hat, worüber eigentlich nie geklagt wurde, und daß die mittlere Reisegeschwindigkeit auf der Straßenbahn rund 12½ Kilometerstunden beträgt.

Die projektierte, verhältnismäßig hohe mittlere Reisegeschwindigkeit konnte mit Rücksicht auf die große Haltestellenentfernung auf der Stadtbahn (zwischen 600 und 2400 Meter, im Mittel rund 850 Meter, nach Ausschaltung der ganz langen, schwächer befahrenen Teilstrecken) auch mit den neuesten normalen Straßenbahnzügen bei Zulassung einer Höchstgeschwindigkeit von 30 bis 33 Stundenkilometer, wie sie mit diesen Wagen unschwer zu erreichen ist, in Aussicht genommen werden. Wenn diese Reisegeschwindigkeit auch hinter jener etwas zurückbleibt, welche auf den übrigen Stadtschnellbahnen Europas erzielt werden kann (24 bis maximum 28 Stundenkilometer), wenn auch nicht immer erzielt wird, so war es doch klar, daß auch ein solcher, nicht ganz schnellbahnmäßiger, elektrischer Betrieb auf der Stadtbahn weitaus besser ist als die Betriebseinstellung, bei der es, ohne das Dazwischentreten der Gemeinde, zweifellos noch auf Jahre hinaus geblieben wäre.

Nach Gutheißung des Projekts wurden von der Gemeindeverwaltung die notwendigen Geldmittel im Ausmaß von rund 185 Milliarden Kronen im Zuge der Notstandsarbeiten bereitgestellt und der Bundesverwaltung Ende August 1923 der Antrag unterbreitet, die Stadtbahn auf alleinige Kosten der Gemeinde zu elektrisieren und zu betreiben. Nach Überprüfung der Vorlage durch die berufenen Fachmänner der Bundesbahnverwaltung entschloß sich die Regierung im Dezember 1923, den Antrag der Gemeinde anzunehmen, und so ist es denn der rasch zugreifenden Initiative der Gemeindeverwaltung zu danken, daß die Stadtbahn, nach fast siebenjähriger Einstellung ihrer wichtigsten Linien, wieder zu neuem Leben durch Einführung des elektrischen Betriebes auf dem ganzen Netz erweckt werden kann.

Die Durchführung des Gemeindeprojektes der Stadtbahnelektrisierung in rechtlicher Beziehung erforderte, zufolge der etwas unklaren Besitzverhältnisse, die Ausarbeitung besonderer Gesetzesvorlagen im Nationalrat und Bundesrat sowie in den Landtagen von Niederösterreich und Wien; dann erst konnte an den Abschluß eines Vertrages mit dem Bund und der Generaldirektion der österreichischen Bundesbahnen geschritten werden, der erst im März 1924 vollzogen wurde. Mit diesem Übereinkommen wurden der Gemeinde Wien die innerstädtsichen Linien der Wiener Stadtbahn: Wiental-, Donaukanal- und Gürtellinie auf 30 Jahre in Pacht gegeben, behufs deren Umwandlung auf elektrischen Betrieb und zur Betriebsführung durch die Gemeinde, alles auf deren alleinige Kosten. Die Gemeinde mußte sich auch bereit erklären, in eine Kündigung des Pachtvertrages nach zehn Jahren einzuwilligen, sofern der Bund dies zum Zwecke der Errichtung eines elektrischen Vollbahnbetriebes auf der Stadtbahn verlangen sollte. Es sind dies also sehr harte Bedingungen, auf welche die Gemeinde im Interesse der Bevölkerung eingegangen ist.

Im Verlauf dieser sechseinhalb Monate zwischen der Einbringung des Antrages der Gemeinde und dem Abschluß des Vertrages haben sich die Verkehrsverhältnisse auf den Wiener städtischen Straßenbahnen ganz bedeutend verändert. Schon im zweiten Semester 1923 bemerkte man ein stetiges Ansteigen der Frequenz, das im Jahre 1924 seit Jahresbeginn anhielt und eine Steigerung der Anzahl der beförderten Fahrgäste von 458 Millionen im Jahre 1923 auf 568 Millionen im Jahre 1924 ergab.

Eine Folge dieser außerordentlichen Frequenzsteigerung war die Notwendigkeit der Beschaffung neuer Fahrbetriebsmittel für die Straßenbahn, unabhängig von der Wagenbeschaffung für die Stadtbahn. Selbstverständlich wurden diese neuen Straßenbahnwagen in einer solchen Ausführung bestellt, daß sie auch die beste Eignung auf der Stadtbahn besitzen; die Beschaffung neuer, großer Motorwagen für die Stadtbahn und die Straßenbahn hat man übrigens zum Anlaß genommen, eine große Anzahl alter, kleiner und unzweckmäßiger Motorwagen auszuschalten und auf Anhängewagen umzubauen und als Ersatz hiefür nur eine geringere Anzahl neuer, großer Motorwagen zu beschaffen; es ist sicherlich von Interesse, zu erwähnen, daß die gesamte Vermehrung des Standes an Motorwagen der Straßenbahn einschließlich der neuen Stadtbahnwagen nur 22 Motorwagen beträgt. (Neu bestellt 60 für die Stadtbahn, 90 für die Straßenbahn, die nur an wenigen heißen Sommertagen auf der Stadtbahn, sonst aber auf den dafür geeigneten Linien der Straßenbahn verwendet werden sollen, zusammen 150 Motorwagen; dagegen 128 Straßenbahnmotorwagen auf Anhängewagen umgebaut, gibt also 150 — 128 = 22 neue Motorwagen für die Stadtbahn + Straßenbahn.) Dies wurde dadurch möglich, daß man mit den großen schweren Motorwagen zwei große Anhängewagen ziehen kann und damit den Fassungsraum eines Zuges erhöht, was durch den verminderten Personalbedarf zu bedeutenden Betriebsersparnissen führt.

Die durch die Frequenzsteigerung auf der Straßenbahn notwendig gewordene Beschaffung neuer Straßenbahnwagen, welche auch auf der Stadtbahn benützt werden können, ermöglicht es nun, auch zu Zeiten des stärksten Stadtbahnverkehres im Hochsommer dort nur mit neu beschafften Wagen zu fahren, von denen ein Teil während der übrigen Monate des Jahres auf der Straßenbahn zweckmäßige Verwendung findet. Das ist selbstverständlich keine Änderung der grundsätzlichen Lösung der Stadtbahnelektrisierung, für welche es nur darauf ankommt, eine Wagentype zu wählen, welche sowohl auf der Stadtbahn als auch auf der Straßenbahn verwendet werden kann.

Es handelt sich für das Gemeindeprojekt der Stadtbahnelektrisierung einzig und allein um die Erfüllung der wirtschaftlich wichtigen Forderung einer höchstmöglichen Ausnützung der Betriebsmittel während des ganzen Jahres, wobei es an sich gleichgültig ist, ob es sich um alte oder neu beschaffte Wagen handelt. Die große Frequenzsteigerung der Straßenbahn um die Jahreswende 1923/24 hat es nur verursacht, die sonst vielleicht erst später nötige Ergänzung des Wagenstandes schon jetzt durchzuführen. Die Beschaffung neuer Motorwagen für die Straßenbahn ermöglichte große Vorteile für das ganze Projekt der Stadtbahnelektrisierung, die selbstverständtlich sofort erfaßt werden mußten; dadurch wurde es möglich, den bescheidenen ersten Entwurf unter Aufrechterhaltung der wirtschaftlichen Vorteile zu einer wesentlich vollkommeneren Lösung auszugestalten.
Die hier fett formatieren Textstellen sind im Original  g e s p e r r t. Falls dem menschlichen OCR-Scanner Fehler unterlaufen sein sollten, so bittet dieser um Nachsicht. ;D

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Re: Stadtbahn
« Antwort #158 am: 23. Juni 2012, 16:22:45 »
Ich habe gerade auf der Fanpage eine längere Passage aus: Ludwig Spängler, Elektrisierung der Wiener Stadtbahn (Wien 1925) (S. 5–10) zur Vorgeschichte der Wiener elektrischen Stadtbahn zitiert, die ich der hiesigen p.t. Forengemeinde nicht vorenthalten will.
Ich habe den schrecklichen Unsinn, den der User "76A" dort über die Stadtbahn geschrieben hat, auch gelesen. Leider machen sich nur sehr wenige von denen, die sich berufen fühlen über die Stadtbahn zu schreiben oder an der damalige Vorgangsweise Kritik zu üben, die Mühe, diese Denkschrift von Dir. Ing. Ludwig Spängler zu lesen. Daher geistert auch immer noch das unausrottbare Gerücht durch die Literatur, die Beschaffung der Zweiachser habe irgend etwas mit der Kündigungsklausel zu tun.

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Re: Stadtbahn
« Antwort #159 am: 26. Juni 2012, 21:53:10 »
Zitat
Einige Tippfeler durch Federspeicher korrigiert.
Danke! :)

Ein Zielschild des in Hütteldorf (erkennbar an dem "Hüt." jeweils links unten) stationierten N1 2884:

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haidi

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Re: Stadtbahn
« Antwort #160 am: 29. Juni 2012, 12:00:52 »
Auf Grund eines Fotos im Thread "Linie 35" fällt mir wieder ein, dass sich bei der Stadtbahn die Beleuchtung in den Tunnelstrecken tagsüber automatisch ein- bzw. ausgeschaltet hat. Wie war das technisch realisiert? Ich hatte den Eindruck, dass das über die Fahrdrahthöhe und der damit verbundenen Bügelstellung ging.

Hannes
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Re: Stadtbahn
« Antwort #161 am: 29. Juni 2012, 13:26:12 »
Auf Grund eines Fotos im Thread "Linie 35" fällt mir wieder ein, dass sich bei der Stadtbahn die Beleuchtung in den Tunnelstrecken tagsüber automatisch ein- bzw. ausgeschaltet hat. Wie war das technisch realisiert? Ich hatte den Eindruck, dass das über die Fahrdrahthöhe und der damit verbundenen Bügelstellung ging.
Ganz genau. Im Tunnel war die Fahrdrahthöhe geringer und über den Bügel wurde der Zuglichtschalter betätigt. Wenn ich mich richtig erinnere (ich habe meine Kopie des Lehrbehelfs leider vor Jahren irgendwo verräumt) gab es nur zwei Schaltstellungen, "Automatik" und "Ein" (keine Garantie auf die Bezeichnungen).
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Re: Stadtbahn
« Antwort #162 am: 30. Juni 2012, 02:58:19 »
Nachdem das drei Beiträge zuvor gezeigte N1-Zielschild leider das einzige meiner Sammlung ist, auf dem die Liniensignale und Fahrtziele der Linien WD und G (hier: gestrichene Signale und Helveticatafeln ausgenommen) festgehalten sind, folgen nun die Rundlinien sowie Einzieher in den Bahnhof Michelbeuern.

All diese Schilder standen von ca. 1960 bis 1976/78 in Verwendung.


Linie DG:

Die Nummern (hier: 2937) von in Michelbeuern stationierten Wagen waren unten klein in roter Farbe vermerkt.

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Zwischen 1947 und 1966 fuhr die Linie DG sonn- und feiertags bei Bedarf bis und ab Hietzing. Die Wagennummer wurde hier nur auf einer Seite (und zwar der anderen, siehe nächster Beitrag) mit Ölkreide geschrieben:

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Linie GD:

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Während die folgende Tafel zumindest bis 1966 regelmäßig an schönen Sonn- und Feiertagen in Verwendung stand, wurde das Schild darunter vermutlich eher selten benutzt:

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Linie G:

Für Einzieher mit dem Ziel Michelbeuern wurde mit G ein eigenes Liniensignal geschaffen, wobei damit einzig und allein die Kurzführung deutlich gemacht werden sollte.

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Re: Stadtbahn
« Antwort #163 am: 30. Juni 2012, 12:56:44 »
1976 wurden teils neue Tafeln hergestellt, wobei auch neue Lackschablonen zum Einsatz kamen.


Linie G:

Da nun alle wichtigen Linien über den Verbindungsbogen fuhren, galt es, eine Lösung für die Strecke zwischen Nussdorfer Straße und Heiligenstadt zu finden. Eine reguläre Linie G wurde in weiterer Folge in Betrieb genommen, die zwischen Heiligenstadt und Währinger Straße fuhr, wobei die Züge am Areal des Bahnhofs Michelbeuern ohne Fahrgäste wendeten.

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Für die Anzeige der Gegenrichtung wurden Schilder nach altem Muster (siehe vorige Tafel) verwendet.


Linie DG:

Auch für diese Linie waren neue Schablonen angefertigt worden. Die HVZ-Verlängerung nach Hütteldorf wurde nach wenigen Wochen von der Linie WG übernommen, so dass die im folgenden zu sehende Tafel dann vor allem von Einziehern verwendet wurde (vermute ich mal ;)):

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Linie GD:

Dieses Schild wurde, da die GD-Züge zumeist in Hietzing endeten, ähnlich selten benutzt:

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Linie WG:

Die Rundlinien WG/GW wurden 1976 neu eingeführt. Wie schon bei den Linien DG/GD musste auch hier das Zielschild nicht nur an den Endstellen, sondern auch im Bereich des Verbindungsbogens gewendet werden:

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Wie bereits erwähnt, wurden anfangs DG und GD in der Stoßzeit von Meidling aus nach Hütteldorf verlängert. Nachdem diese Aufgabe den Linien WG/GW zugefallen war, wurde bei einigen DG-Tafeln das Liniensignal entsprechend übersprüht (dies ist die andere Seite des im vorigen Beitrag gezeigten 2940er-Schilds mit der Ölkreidennummer):

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Linie GW:

Die neuen Tafeln wiesen eine geringfügig kleinere, stellenweise leicht vereinfachte Beschriftung auf:

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Mit der Aufgabe des Rundverkehrs im Jahr 1978 wurden die Fahrziele nicht mehr mit Lack aufgesprüht, sondern auf eine Plastikfolie gedruckt und aufgeklebt. Das Liniensignal und die befahrene Route wurden nicht mehr angegeben und die Schilder nicht mehr fix einem Wagen zugeordnet.


Linie G:

Der G verkehrte wieder auf voller Länge:

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Linie W:

Die Linie WD erlebte jedoch nur auf verkürzter Strecke als "W" ein Revival. Zwischen 1978 und 1980 war der Karlsplatz der östlicher Endpunkt dieser U-Bahn-bedingt geschaffenen Linie:

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Besteck nach diesem Muster wurde dann bis zur Ausmusterung der N1 genutzt.
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Re: Stadtbahn
« Antwort #164 am: 02. August 2012, 22:38:08 »
Ich verbringe in der letzten Zeit diplomarbeitbedingt ziemlich viel Zeit im Wiener Stadt- und Landesarchiv. Eher zufällig bin ich dabei auf Dokumente zum Thema Stadtbahn gestoßen (unter anderem die Rede eines "Rats der Stadt Wien" vor der Wiener Bürgerschaft 1934), in denen behauptet wird, die Verhandlungen zwischen der Stadt Wien auf der einen und dem Bund auf der anderen Seite seien 1924 kurz vor dem Abbruch gestanden, weil dieser unter anderen von der Gemeinde die Elektrifizierung der Bundesbahnstrecken Hütteldorf – Purkersdorf und Heiligenstadt – Kritzendorf verlangt hätte. Weiß wer von euch darüber Genaueres? ???
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