Der STEP 1985 ist wirklich interessamt zu lesen. Da war aber auch keine Durchbindung geplant (zumindest lese ich das so raus), sondern ein neuer Bruch bei der Hofwiesengasse (warum auch immer).
Was es mit dem Bruch bei der Hofwiesengasse zu tun hat, kann ich auch nicht erklären. Es steht eigentlich nichts von einem Unsteigknoten dort. Das würde auch wenig Sinn machen. Es sieht eher danach aus, als ob es sich um eine ideelle Gliederung nach Achsen handelt, da die Strecke ja bei der Hofwiesengasse (Speising) tatsächlich von einer Ost-West- in eine Nord-Süd-Achse wendet. Ich würde das also nicht als Betriebsmodell erachten.
Verwirklicht wurde dann das "vorgeschaltete Provisorium".
Provisorien halten bekanntlich lange. Allerdings sollten spätere Planungen diese dennoch auf ihre Gültigkeit überprüfen.
Der STEP 1984 stellt einen ganz wesentlichen Paradigmenwechsel in der Wiener Stadtplanung dar und ist im großen und ganzen bis heute richtungsweisend geblieben. Damals wurde das sogenannte Achsen-Zentren Modell definiert, welches die städtischen Entwicklungsachsen entlang der bestehenden und zu bauenden Linien des übergeordneten Schienenverkehrs festlegt (S-Bahn und U-Bahn). Alle früheren Planungsinstrumente richteten sich eher nach den Straßenzügen bzw waren zuvor Schnellstraßenplanungen wie das Bundesstraßengesetz 1971 (zB Schnellstraße entlang des Gürtels, mit Abbruch der Stadtbahnbögen) richtungsweisend (noch früher militärische Überlegungen), denn ein umfassendes Planungsdokument wie den STEP gab es zuvor noch nicht.
Trotz der epochalen Veränderungen seit 1984 (Fall des Eisenen Vorhangs, wodurch Wien von einer sterbenden Stadt zu einer wachsenden wurde; Neugestaltung des nationalen Eisenbahn-Fernverkehrsverkehrs mit Hauptbahnhof in Wien als Durchgangsbahnhof, neue Westachse mit Wienerwaldtunnel, Fernzüge zum Flughafen, Ausbau Südroute) wurde das Achsen-Zentren Modell auch in den späteren STEP-Ausgaben 1994, 2005 und 2025 beibehalten. Eine Durchbindung zwischen S45 und S80 wird darin nicht erwähnt, eher werden die Planungen der ÖBB Infra übernommen, welche eine Führung der S80 nach Hütteldorf vorsehen.
Ganz nebenbei: eine Entwicklungsachse entlang der Marchegger Ostbahn östlich von Aspern - also ins Marchfeld - ist in keinem der Stadtentwicklungspläne angedeutet. Das wäre aus raumplanerischer Sicht reiner Unsinn. Dass die ÖBB Infra dennoch einen dichten S-Bahnverkehr mit Einbindung ins Wiener Nahverkehrsnetz durch die Kornkammer Wiens plant mag andere Gründe haben, zu denen ich nur Vermutungen anstellen kann.
Interessant sind in diesem Zusammenhang auch die diversen Studien zu den Pendlerbewegungen und der Nutzung des ÖV durch Pendler im Raum Wien durch die AK. Diese stützen sich hauptsächlich auf die Daten der unselbständig Erwerbstätigen in ihrem Weg zur Arbeit. Es fehlen also alle anderen Nutzer (Auszubildende & Jugendliche, Freizeitnutzung, Pensionisten, Freiberufler etc.), weshalb das quantitative Bild nur partiell wiedergegeben wird. Representativ sind sie dennoch, da sie erstens einen Großeteil der Nutzer darstellen, andereseits auf jeden Fall eine Aussage über die anteilsmäßige Verteilung der Mobilität zwischen dem Hinterland und der Hauptstadt und den innerstädtischen Bewegungen geben.
Besonders interessant finde ich etwa die Studie "
PendlerInnenverflechtungen in der Ostregion" aus dem Jahr 2021, die unter anderem vom Büro Rosinak aber auch vom Büro Verracon (jenes, dass an der zweifelhaften Studie zum gebrochenen S-Bahnring mitgearbeitet hat) ausgearbeitet wurde.
Auf Seite 10 findet sich eine Grafik zu den Pendlerzahlen nach Wien aus dem Westen. Diese sind mit etwa 32.000 Personen pro Tag angegeben, von denen etwa die Hälfte direkt in die inneren Bezirke zur Arbeit fährt. (Bild 1).
Auf Seite 11 werden die nicht in die inneren Bezirke fahrenden Pendler aufgeschlüsselt: insgesamt etwa 15.000, von denen ca. 6000 in die nördlichen Bezirke außerhalb des Gürtels wollen (Einzugsgebiet S45), 4000 in die südwestlichen (etwa S80 bis Meidling), der Rest verteilt sich auf die südöstlichen Bezirke und jene jenseits der Donau. (Bild 2)
Wirklich interessant wird es aber erst bei den Pendlerströmen innerhalb Wiens (S. 14). Demnach pendeln aus Wien West 16.000 Pendler zur Arbeit in dei südwestlichen Bezirke und 10.000 ungekehrt, 12.000 Pendler aus den westlichen Bezirken nach Südsost und 11.000 umgekehrt. Das sind die Zahlen, welche für eine Durchbindung S45-S80 von Bedeutung sind. (Bild 3)
Was sagen uns also allgemein diese Zahlen:
1. Der innerstädtische Pendelverkehr West/Südwest/Südost mit fast 40.000 täglichen Bewegungen übersteigt jenen aus dem Westen außerhalb Wiens in die gleichen Stadteile (15.000) um mehr als das Doppelte. Dabei handelt es sich ausschließlich um Angestellte auf ihrem Weg zur Arbeit (da Wohn- und Arbeitsort der Arbeiterkammer bekannt sind).
2. Es ist davon auszugehen, dass der Anteil jener, welche den ÖV auch außerhalb ihres Berufsweges verwenden, innerhalb der Stadt wesentlich höher ist als zwischen Stadt und Umland. So kann man annehmen, dass das tatsächliche Potenzial im innerstädtischen Tangentialverkehr bestimmt 3 mal so hoch ist wie aus dem Umland.
3. Die Zahlen erfassen grundsätzlich alle Bewegungen, unabhängig vom Modalsplit. Sie sind also als Potenzial für den ÖV zu sehen. Nicht erfasst wurden die Auspendler aus Wien richtung Westen, die insgesamt nur etwa 11.000 Personen betreffen. Zieht man jetzt den durchschnittlichen Modal Split Umland-Wien und jenen innerhalb der Stadt in Betracht, so ist auch hier klar das innerstädtische Potenzial im Vorteil.
Welcher Lösung ist also der Vorzug zu geben: zwei S-Bahn-Strecken, die nach Hütteldorf hinaus geführt werden, um den Pendlern aus dem Umland gerecht zu werden oder einer Durchgangslinie zwischen Westen, Südwesten und Südosten? Ich denke die Zahlen sprechen eine sehr deutliche Sprache: es ist die Durchbindung!
Eine niveaufreie Einfädelung kann auch ein Tunnel sein - zwischen dem Punkt, an dem die Verbindungskurve auf die Westbahn trifft (Höhe Kaltenbäckgasse), und der Station Penzing ist es fast 1 km. Der Tunnel, der östlich des Hauptbahnhofs die Erreichbarkeit der Bahnsteige 11/12 aus Richtung Simmering herstellt, ist 300 m lang, die Rampe zum Hbf hin offensichtlich (Daumen mal Pi am Luftbild, nach abweichender Oberbauform gemessen) auch ca. 300 m.
Sicher würde es nicht ohne Eingriffe in übrige Gleisanlagen ablaufen, aber unmöglich erscheint es mir nicht; ggf. könnte auch die Einbindung in die eigentliche Verbindungsbahn niveaugleich erfolgen, je nach Fahrplan- und Betriebskonzept.
Ich denke
Kurzzug hat in AW 1188 bereits dargelegt, dass ein brauchbares Intervall auf einer Durchbindung mit einer niveaugleichen Kreuzung nicht zu bewerkstelligen wäre. Kreuzungsfrei lässt sich in verschiedener Form lösen. Vorteilhaft ist die etwas höhere Trasse der Vorortelinie nordöstlich von Penzing, welche durch ein leichtes Absenken des statdtauswärts führenden Westbahngleises und Unterfahrung derselben leicht zu kreuzen wäre.
Wie genau man sich überhaupt die Strecke Speising - Penzing mit Querung der Westbahn vorstellt, ist auch "spannend" und wird nie passieren.
Ich habe bereits vor ein paar Postings eine ungefähre Skizze hier hereingestellt. Ich lege sie etwas detaillierter nochtmals bei. Bild 4-6
Türkis (auch wenn die Türkisen dagegen sind) - Durchgebundene S-Bahn S45+S80
Orange - Westbahn (alle Züge, also S50 + Eilzüge + WESTbahn) mit Halt in Penzing
Gelb - das Provisorium einiger Züge der S45 nach Hütteldorf, welches
highspeedtrain etwa als unvermeidbar bezeichnet weil die Kapazitäten für ein dichtes Intervall zwischen Meidling und Hauptbahnhof nicht ausreichen.
Grün - U4
- Umstiege westliche Bezirke/westliches Umland in Penzing bahnsteiggleich
- Einfädelung kreuzungsfrei
- Umsteigstation U4/Verbindungsbahn + Busbahnhof in Unter St. Veit
Nicht eingezeichnet sind andere Schleifen zu den Abstellgleisen und von der Verbindungsbahn zum Westbahnhof. Diese sind freilich möglich.